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E-Book

Das Imperium der Steine

Wie LEGO den Kampf ums Kinderzimmer gewann

AutorBill Breen, David Robertson
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl349 Seiten
ISBN9783593423319
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Als Einzelteil ist er nur ein Stück Plastik, zusammen entsteht daraus eine Welt mit unbegrenzten Möglichkeiten: LEGO. Bekannt wie Coca-Cola, beliebt wie Apple, bezaubernd für alle von 1 bis 99. Doch kaum war der Legostein zum Spielzeug des 20. Jahrhunderts gekrönt, ging es bergab. Der Anbruch des digitalen Zeitalters sowie jahrelanges Missmanagement brachten LEGO ernsthaft in Gefahr. Erst einem neuen Führungsteam gelang der rasante Umbau vom Traditionsunternehmen zum Überflieger der Spielzeugindustrie - das LEGO-Imperium eroberte die Kinderzimmer zurück! David Robertsons packender Insiderblick zeigt: Ohne diesen erfolgreichen Turnaround würden unserem Leben heute ein paar entscheidende Bausteine fehlen.David Robertson (links) ist Professor für Innovation und Produktentwicklung an der renommierten Wharton School in Pennsylvania. Für dieses Buch hat er die LEGO-Zentrale in Billund mehrfach besucht, die Archive durchstöbert und mit vielen C-Level-Mitarbeitern gesprochen. Bill Breen ist Autor und Gründungsmitglied des Trend-Magazins Fast Company und Spezialist für die Themen Innovation und Erfolg.009 Vorwort 013 Das Klicken der Steine 023 Teil 1 Sieben Wahrheiten über Innovation und der Niedergang der LEGO Gruppe 025 Kapitel 01 Aufeinanderstapeln Die Entstehung des Bausteins 049 Kapitel 02 Die Innovation ankurbeln Mit einer schnelllebigen Welt Schritt halten 077 Kapitel 03 Kontrollverlust Die traurigen Reste der überragenden Innovation 111 Teil 2 Das Meistern der sieben Wahrheiten der Innovation und die Transformation von LEGO 113 Kapitel 04 Eine Innovationskultur schaffen Die Rückkehr zu den Kernwerten 143 Kapitel 05 Der Weg zur Kundenorientierung Die Wiedergeburt von LEGO City 173 Kapitel 06 Die ganze Bandbreite der Innovationen ausschöpfen Die Bionicle-Chronik 201 Kapitel 07 Open Innovation fördern Mindstorms, Architecture und die Weisheit der Gruppe 237 Kapitel 08 Versuch einer Durchbruchinnovation Der Griff nach den Sternen mit LEGO Universe 261 Kapitel 09 Auf der Suche nach dem blauen Ozean 'Eindeutig LEGO, aber noch nie dagewesen' und die Entstehung von LEGO Games 287 Kapitel 10 Unterschiedliche und kreative Menschen einstellen Der Ninjago-Big-Bang 305 Kapitel 11 Die Verwandlung von LEGO Die Wiedergeburt einer Marke 321 Teil 3 Eine kurze Geschichte von LEGO 333 Dank 337 Anmerkungen 343 Register

David Robertson (links) ist Professor für Innovation und Produktentwicklung an der renommierten Wharton School in Pennsylvania. Für dieses Buch hat er die LEGO-Zentrale in Billund mehrfach besucht, die Archive durchstöbert und mit vielen C-Level-Mitarbeitern gesprochen. Bill Breen ist Autor und Gründungsmitglied des Trend-Magazins Fast Company und Spezialist für die Themen Innovation und Erfolg.

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Leseprobe
Betrachten Sie einmal einen LEGO-Stein, jenes harte, bonbonbunte Stück Plastik, das barfüßige Eltern weltweit zur Weißglut bringt. Für sich genommen ist so ein einzelner Baustein leblos, unbeseelt - oder wenigstens inaktiv. Lediglich die acht kleinen Noppen auf der Oberseite des rechteckigen Klötzchens und die drei Hohlräume an der Unterseite geben einen Hinweis auf sein Potenzial.

Doch wenn Sie zwei dieser inaktiven, anorganischen Klötze zusammenstecken, öffnen Sie plötzlich das Tor zu einer Welt schier unbegrenzter Möglichkeiten. Nur sechs Steine ergeben über 915 Millionen potenzielle Kombinationen. Und mit ein paar Steinen mehr könnten Sie einen Supercomputer bauen, bestehend aus 64 Raspberry-Pi-PCs und 1?000 LEGO-Steinen, einen originalgroßen Rolls-Royce-Flugzeugmotor (152?000 Steine), eine detailgetreue Nachbildung des Londoner Olympiastadions von 2012 (250?000 Steine) oder ein zweistöckiges Haus mit funktionierender Toilette und Dusche in Lebensgröße (3,3 Millionen Steine), wie es andere bereits getan haben. In den über 50 Jahren seit der Patentanmeldung hat der kleine LEGO-Stein die Fantasie von Millionen Kindern und Erwachsenen beflügelt - und ist zu einem universellen Symbol für angewandte Kreativität geworden.

Vielleicht mit Ausnahme von Apple wird wohl keiner Marke so viel kultische Verehrung entgegengebracht wie LEGO. Der Mega-Nerd Jonathan Gay behauptet, der LEGO-Stein habe ihm bei der Erfindung von Flash-Animationen geholfen und damit das Internet attraktiver gemacht. Der Google-Mitgründer Larry Page hat einmal einen voll funktionsfähigen Tintenstrahldrucker aus LEGO-Steinen gebastelt; heute verwenden Google-Manager die Bausteine bei einigen ihrer Einstellungstests für Hochbegabte. Die erfolgreiche Modedesignerin Eileen Fisher rühmt den Stein für seine Fähigkeit, die kreative Spielfreude anzuregen. In seiner BBC-Serie Toy Stories schwärmte der britische Fernsehmoderator James May, der LEGO-Stein verkörpere 'Geometrie, Mathematik, Wahrheit'.

Die Freude an LEGO ist nicht nur den berühmten Alpha-Kreativen vorbehalten. Tausende von LEGO-Getreuen begegnen sich bei Zusammenkünften, die jeden Monat in Städten auf der ganzen Welt abgehalten werden. Diese Stammestreffen richten sich sowohl an die breite Masse (LEGO World in den Niederlanden, die alljährlich 75?000 Kinder und ihre Familien anlockt) als auch an Randgruppen (die LEGO Graffiti Convention in München, ein Treffen für Freaks und Geeks zum Thema bausteinbezogener Street Art). Das Internet bietet LE-GO-Zusammenkünfte im Überfluss, zum Beispiel LUGNET (alias LEGO Users Group Network), ein weltweites Forum für LEGO-Fans; MOCpages, wo Konstrukteure über 350?000 LEGO-Eigenkreationen zeigen; Brickshelf, eine von Fans eingerichtete Website, die fast zwei Millionen Bilder sowie eine florierende Handelsplattform für LEGO-Sets und -Steine bietet; sowie Brickipedia, ein LEGO-Wiki, das nahezu 24?000 Rezensions- und Forenseiten umfasst. Nur allein bei YouTube gibt es über 900?000 Clips, in denen überragende LEGO-Schöpfungen zu sehen sind, darunter Roboter, die das Rätsel des Rubik's Cube in wenigen Sekunden lösen, sowie die grandiose, mit LEGO-Steinen erstellte satirische Darth-Vader-Animation des britischen Komikers Eddie Izzard, die bereits über 19 Millionen Mal angeklickt wurde.

Neben Coca-Cola und Disney rangierte LEGO an der Spitze einer Umfrage von Young and Rubicam zu den beliebtesten Marken der Welt. Im Jahre 2007 erklärte das Reputation Institute LEGO zur weltweit angesehensten Marke. 2010 zeichnete eine breit angelegte Befragung von über 3?000 Erwachsenen zwischen 20 und 40 Jahren den LEGO-Stein als 'beliebtestes Spielzeug aller Zeiten' aus.

Fast jeder scheint LEGO zu lieben. Oder zumindest scheint es jeder zu kennen. Als Fortune LEGO zum Spielzeug des Jahrhunderts erklärte, schrieb die Zeitschrift halb scherzhaft, bei über 200 Milliarden auf aller Welt verteilter Bausteine 'kann man getrost davon ausgehen, dass sich wenigstens 10 Milliarden davon unter Sofapolstern [und] 3 Milliarden in Staubsaugern befinden'. Diese Zahl hat sich seither verdreifacht, denn Jahr für Jahr verlassen Milliarden neuer Steine die LEGO-Fabriken (allein 2010 waren es ungefähr 36 Milliarden Stück). Die LEGO-Fabriken haben einen jährlichen Ausstoß von Bausteinen, der mehr als das Fünffache der Weltbevölkerung beträgt. Mittlerweile kommen auf jeden Mann, jede Frau und jedes Kind dieser Welt rund 80 LEGO-Steine.

Doch obwohl beinahe jeder LEGO schon mal begegnet ist, sind nur wenige mit der Organisation vertraut, die dahintersteht. Die Wall Street ignoriert die familiengeführte LEGO Gruppe mit ihrem Firmensitz in der dänischen Provinz weitgehend. Angesichts der Tatsache, dass LEGO nicht an der Börse notiert ist, lässt sich diese Missachtung halbwegs nachvollziehen. Überraschender dagegen ist, dass - abgesehen von der Spielzeugbranche - erstaunlich wenige Business-Journalisten und -Analysten einem der kreativsten Unternehmen der Welt ihre Aufmerksamkeit widmen.

Zwischen 2009 und 2012 zählten zu den '50 innovativsten Firmen', die Fast Company in der jährlichen Bestandsaufnahme auflistet, das Unscheinbare (Microsoft), das wenig Überraschende (Facebook) und das Glanzlose (MITRE) ebenso wie Unternehmen, die ihren Firmensitz außerhalb der USA haben (Samsung, Nissan), nicht jedoch die Hersteller der kultverdächtigen Bausteine. Ebenso tauchte die LEGO Gruppe von 2010 bis 2012 auch nicht in den Listen der innovativsten Firmen von Bloomsberg Businessweek, Forbes oder der MIT Technology Review auf.

Warum sollten sie sich - und wir uns - LEGO und seine Innovationsstrategie näher anschauen?

LEGO war während des Großteils seiner bisher acht Jahrzehnte andauernden Existenz in jeder Hinsicht schonungslos innovativ. An oberster Stelle stand die Erfindung des Bausteins, der sich einen Weg in die Hände, Köpfe und Herzen von 400 Millionen Menschen auf der ganzen Welt bahnte. Und dann schaffte es die idealistische, fantasievolle Einstellung der LEGO Gruppe zum Spielen Jahr für Jahr, überzeugende Spielzeuge herzustellen, die in den Kinderzimmern nur selten auf den Regalen verstaubten. Die Werte und die Kreativität des Unternehmens schufen ihm eine unerreichte Position innerhalb der Spielzeugbranche: Kinder lieben die Bausteine, weil sie Spaß machen, und Eltern lieben sie, weil sie erzieherischen Wert haben. Diese Kombination verhalf LEGO zu einem jahrzehntelangen ununterbrochenen Umsatzwachstum.

Doch am Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Veränderungen im Leben von Kindern zur Herausforderung für die Vormachtstellung der Bausteine. Spielzeug wurde zu einem unerbittlichen Geschäftsfeld, auf dem aggressive Wettbewerber schonungslos um die wachsende Anzahl von Kindern kämpften, die sich für Videospiele, MP3-Player und andere Hightech-Errungenschaften begeistern konnten. LEGO als weitgehend analoges Unternehmen verblasste zunehmend in dieser schnelllebigeren, viel konkurrenzorientierteren digitalen Welt.

Um Schritt zu halten, entwarf LEGO eine ehrgeizige Wachstumsstrategie, die auf einigen der am weitesten verbreiteten Innovationsförderungstheorien des vergangenen Jahrzehnts fußte. Das Unternehmen machte sich auf die Suche nach unerschlossenen 'Blauer-Ozean'-Märkten; es heckte 'umwälzende' Innovationen aus, und es öffnete seinen Entwicklungsprozess für die 'wisdom of crowds', die 'Weisheit der Vielen', der Schwarmintelligenz. Diese Rezepte für Innovationen des 21. Jahrhunderts hätten bei anderen Firmen vielleicht wunderbar funktioniert, aber LEGO ging daran beinahe zugrunde. 2003, nur drei Jahre nachdem sowohl Fortune als auch die British Toy Retailers Association den Baustein zum Spielzeug des Jahrhunderts gekrönt hatten, vermeldete die LEGO Gruppe den größten Verlust ihrer Geschichte. Ihr außergewöhnlicher Zusammenbruch ließ zahlreiche Beobachter zweifeln, ob LEGO, eine der meistgeschätzten Marken der Welt, als unabhängiges Unternehmen überleben konnte.

DIE VERWANDLUNG VON LEGO

In der Folgezeit vollzog ein neues Führungsteam eine der erfolgreichsten Unternehmenstransformationen der neueren Zeit. Schritt für Schritt erfand LEGO die theoretischen Innovationsrezepte neu, stimmte sie auf ein Weltklasse-Managementsystem ab und ging als kraftvolles, dauerhaft innovatives Unternehmen daraus hervor. LEGO schuf die erste Produktlinie zusammenbaubarer Actionfiguren, beflügelt von einer fesselnden Handlung, die sich über einen Zeitraum von neun Jahren erstreckte. Das Unternehmen brachte eine Produktreihe auf den Markt, die einen 'intelligenten Baustein' umfasste, mit dem Kinder (sowie viele erfahrene Erwachsene) programmierbare LEGO-Roboter bauen konnten. Eine weitere Marktneuheit war eine Serie von Brettspielen, die zusammengesetzt, auseinandergenommen und erneut aufgebaut werden konnten.

LEGO öffnete seinen Entwicklungsprozess und ermöglichte es unzähligen Fans, online ihre eigenen personalisierten Do-it-yourself--LEGO-Baukästen zu posten. Und es konzipierte die zentrale Produktlinie der klassischen LEGO-Sets neu, indem sie zwar beibehalten, aber modern genug für Kinder des 21. Jahrhunderts gemacht wurden.

Das Ergebnis: LEGO ging als gewinnträchtigstes und am schnellsten wachsendes Spielzeugunternehmen der Welt aus seinem Nahtoderlebnis hervor. Zwischen 2007 und 2011, inmitten der schlimmsten Phase der weltweiten Rezession, vervierfachten sich die Gewinne vor Steuern von LEGO und übertrafen damit bei weitem die Titanen der Spielzeugbranche, Hasbro und Mattel, die während desselben Zeitraums auf einstellige Zahlen abrutschten. Von 2008 bis 2010 wuchs der Gewinn von LEGO schneller als der von Apple, und das in einer Branche mit nur geringen Eintrittsbarrieren, einem aggressiven weltweiten Wettbewerb, unbeständigen Kunden, einem Produktionskostennachteil und ohne Patentrecht auf sein Kernprodukt - den LEGO-Stein. Diese Ergebnisse erzielte LEGO nicht, indem es mit den geschäftlichen Konventionen brach, sondern indem es sich innerhalb ihres Rahmens aufbaute.

Die Business-Literatur ist voll mit Beispielen von wagemutigen, die Regeln missachtenden Firmen, deren ketzerische Managementmethoden als Auslöser eines organischen Wachstums gefeiert werden. Da gibt es beispielsweise Google, bei dem die Entwickler bis zu 20 Prozent ihrer Zeit jedem beliebigen Projekt ihrer Wahl widmen dürfen. Oder den Gore-Tex-Hersteller W.?L. Gore, dessen hierarchiefreie Arbeitsumgebung, in der praktisch niemand eine Vorgesetztenfunktion hat, ihm dazu verholfen hat, über 50 Jahre in Folge Gewinne zu machen. Und es gibt den brasilianischen Hersteller Semco, dessen radikale (und häufig erfolgreiche) Experimente mit der Selbstverwaltung der Mitarbeiter - wie jene von Google und W.?L. Gore - von zahllosen Consultants und Wissenschaftlern untersucht wurden.

Kein Zweifel, diese Business-Rebellen sind inspirierend. Aber ihre bahnbrechenden Managementsysteme sind nicht leicht zu übertragen. Für viele Unternehmen ist es keine Option, ein Innovationsmodell von Grund auf neu einzuführen, während sie sich abmühen, die Leistungs-vorgaben für das Quartal zu erreichen und die Konkurrenz abzuwehren.

LEGO ist ein genialer Innovator, arbeitet aber nicht im Randbereich der geschäftlichen Erfahrungswerte. Es gibt keine 20 Prozent frei verfügbarer Zeit bei LEGO, dafür aber jede Menge Hierarchiestufen. Nachdem die Führungsriege der LEGO Gruppe mit ansehen musste, wie einige der beliebtesten Innovationsstrategien der Welt die Firma beinahe ruiniert hätten, schuf sie stattdessen einen klaren Rahmen für jede Art Innovationsvorhaben, von der Verbesserung der aktuellen Angebote bis zur Erfindung der Märkte von morgen.

Das System für Managementinnovation von LEGO steht auch in starkem Gegensatz zu dem von Apple (oder zumindest zu dem, das man Apple in der Business-Presse zuschreibt). Während sich Apple ganz auf den brillanten, aber oftmals schwierigen Steve Jobs stützte, der als oberster Richter dafür fungierte, wann ein Produkt gut genug war, um auf den Markt gebracht zu werden, ist das System bei LEGO viel dezentralisierter. Das Apple-Modell ist anregend, aber schwierig nachzuahmen: Finden Sie einen beispiellosen Innovator, befördern Sie ihn an die Unternehmensspitze und statten Sie ihn mit der Macht aus, die großen Entscheidungen zu treffen. Jørgen Vig Knudstorp, der CEO von LEGO, ist überzeugt, dass er das Unternehmen für drei Monate verlassen könnte, ohne den Innovationsprozess zu unterbinden. Obwohl er in dessen früher Entwicklungsphase an vielen Entscheidungen großen Anteil hatte, haben er und andere Führungskräfte den Prozess so gestaltet, dass er auch ohne Knudstorps maßgebliche Beteiligung reibungslos funktioniert.

Dieses Buch ergründet den praktischen Ansatz, den die LEGO Gruppe bei der alltäglichen Innovation verfolgt, und zeigt, wie die Unternehmensführung die scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze überwindet, mit denen jede Organisation konfrontiert ist: Wie kann eine Firma den Mitarbeitern Freiraum für Innovationen lassen und gleichzeitig ihre Kernkompetenz bewahren? Wie kann sie Autonomie zulassen und zugleich Zuverlässigkeit gewährleisten? Wie kann sie kurzfristig Vereinbarungen erfüllen und dabei langfristig planen? Vor allem aber: Wie kann sie innerhalb der konventionellen Grenzen des Business bleiben und trotzdem einen ernstzunehmenden Plan für expansives Wachstum schmieden? Mit anderen Worten: Wie kann ein Unternehmen innovieren und dabei im Rahmen bleiben? Durch den geschickten Ausgleich dieser Widersprüche hat LEGO fortwährend bahnbrechende Produkte geschaffen, selbst in den schwierigsten Zeiten.

Wir wollen in diesem Buch auch die außergewöhnliche Entwicklung der LEGO Gruppe nachverfolgen - vom bescheidenen Spielzeughersteller zum Giganten am Rande des Zusammenbruchs und zurück ins Zentrum des Marktes -, die sowohl eine heilsame Lehre als auch eine Warnung zur Vorsicht darstellt, wenn es um gewitzte Innovations-, Führungs- und Gewinnstrategien geht. Bei der Gelegenheit erinnern wir uns an die Erfindung einiger der kultigsten LEGO-Spielzeuge und stellen Ihnen die Designer und Entwickler vor, die sich die nächste Generation von LEGO-Spielen ausdenken.

Darüber hinaus enthüllen wir die Hintergründe der erfolgreichsten jüngsten Markteinführungen des Unternehmens sowie die Managementinnovationen, die den Spielzeugerfindern die Freiheit und die Verantwortung gegeben haben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Und wir zeigen, wie LEGO die meistempfohlenen Rezepte für den Umgang mit Innovationen neu erfand und in ein System integrierte, das die Umsätze und Gewinne nach oben katapultierte.

Indem wir nachzeichnen, wie die LEGO Gruppe die Innovation neu erfand, möchten wir Ihnen dabei helfen, die verschiedenen Innovationsvorhaben Ihres Unternehmens zu einem einheitlichen System zusammenzuführen. Ob Sie nun ein Start-up, eine Filiale oder einen multinationalen Konzern führen - wir sind der Überzeugung, dass das Innovationsmanagementsystem der LEGO Gruppe Sie dabei unterstützen kann, die verschiedenen Formen von Innovationsinitiativen zu koordinieren und auf effektivere Weise mit Ihren wichtigsten Kunden und Partnern zusammenzuarbeiten. Unser Ziel ist es, die fortwährende Innovation zu etwas weniger Außergewöhnlichem, sondern vielmehr zu etwas ganz Normalem zu machen.

Nachdem nun die wesentlichen Themen dieses Buches kurz umrissen sind, möchten wir noch sagen, worum es in diesem Buch nicht geht. Obwohl sich auf den folgenden Seiten viele Details und neue Erkenntnisse finden, haben wir es bewusst vermieden, genaue Anweisungen zu liefern und Sie zu deren Befolgung zu ermuntern. Sie werden nicht dieselben Ergebnisse erzielen, wenn Sie einfach das Innovationssystem der LEGO Gruppe auf Ihren eigenen Geschäftsbereich übertragen. Und wir raten auch strikt davon ab, den Fehler des Spielzeugherstellers zu wiederholen und so lange zu warten, bis der drohende Bankrott das Management zwingt, eine tiefgreifende Veränderung herbeizuführen. Ganz bestimmt möchten Sie, wenn es um die Gestaltung der Zukunft Ihres Teams oder Ihres Unternehmens geht, die Qualen einer kompletten Kehrtwende lieber vermeiden und stattdessen Ihren eigenen, schmerzfreien Weg gehen. Unsere Absicht ist es, Wegmarken aufzuzeigen und Ihre Bemühungen zu lenken, nicht jedoch vorzuschreiben.

Wie jeder LEGO-Fan müssen Sie Ihre eigene Fantasie und Erfahrung einbringen, um herauszufinden, was für Sie und Ihre Firma das Beste ist. Es ist an jedem Einzelnen von uns, die Steine zusammenzustecken.

Die kleine Gemeinde Billund, in der die LEGO-Firmenzentrale angesiedelt ist, liegt in der ländlichen Gegend der flachen dänischen Halbinsel Jütland und ist in jeder Hinsicht aus Steinen erbaut. Die Einwohner sagen, dass Billund 'drei Stunden von allem entfernt' ist - eine lange, ermüdende Fahrt vorbei an windgepeitschten Bauernhöfen entweder nach Kopenhagen oder nach Hamburg, die nächstgelegenen größeren Städte. Jeder vierte Bewohner dieses isolierten Dorfes verdient seinen Lebensunterhalt bei LEGO. Und mit jeder Stunde vergrößert sich die globale Reichweite der LEGO Gruppe außerhalb von Billund, während weitere 2,2 Millionen Bausteine von den Fließbändern des weit verzweigten Fabrikennetzwerks des Unternehmens purzeln.

Man könnte sagen, Billund selbst ist eine Spielzeugstadt. Das Schloss und die Türme des LEGOLAND-Freizeitparks prägen ihre Silhouette. Die ordentlichen Reihen von rot gedeckten Backsteinhäuschen besitzen die Symmetrie und Behäbigkeit eines kleinen -LEGO-Straßenbilds. Das gilt auch für die bausteinartige Eingangshalle des LEGO-Firmensitzes, in der riesige LEGO-Knöpfe und -Röhren aus Boden und Decke ragen. In jedem Konferenzraum steht eine durchsichtige Plastikschale, die mit LEGO-Steinen gefüllt ist. Auf fast jedem Schreibtisch findet sich eine Auswahl extravaganter LEGO-Kreationen. Wenn man beobachtet, wie die Mitarbeiter die neonbeleuchteten roten und gelben Flure entlangeilen, kann man sie sich mit ihren sonnengebräunten und übernatürlich glücklichen Gesichtern ohne weiteres als LEGO-Spielfiguren vorstellen. Wenn es so etwas wie eine Spaßfabrik gibt, dann hier in Billund.

Und doch war das Leben in Billund in den dreißiger Jahren, als LEGO nichts als ein Start-up war, alles andere als Spaß und Spiel. Damals war das Dorf kaum mehr als eine Ansammlung von Bauernhäusern, die entlang einer Eisenbahnstrecke verteilt lagen, ein Ort, an dem die Bauern sich ihren Lebensunterhalt mühsam aus der umliegenden Heidelandschaft erwirtschafteten. In einem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verfassten Brief wurde Billund geschmäht als 'gottverlassene Bahnstation, an der unmöglich irgendetwas gedeihen kann'. Es wäre schwierig, dem Autor dieser Zeilen zu widersprechen. Die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre hatte die regionale Wirtschaft gebeutelt, die fast vollständig auf Landwirtschaft beruhte. Fotografien aus dieser Zeit zeigen Billund als spärlich besiedelte Ansammlung bescheidener Hütten, umgeben von kargen, flachen Feldern.

Wie ist es LEGO gelungen, entgegen aller Erwartungen aus einer kleinen Tischlerwerkstatt in der jütländischen Heide aufzusteigen und bis in fast jedes Kinderzimmer der gesamten Welt vorzudringen? Wie schaffte es das Unternehmen, kontinuierlich Jahr für Jahr und Jahrzehnt für Jahrzehnt Produkte herzustellen, die die Fantasie der Kinder beflügeln? Wie konnte LEGO den größten Teil des 20. Jahrhunderts überdauern?

Einen Großteil seiner anhaltenden Leistung verdankt LEGO einigen Grundprinzipien, die das Unternehmen während seiner über 80-jährigen Geschichte an jedem entscheidenden Wende-punkt auf den richtigen Weg geführt haben.

DAS ERSTE PRINZIP: WERTE SIND UNBEZAHLBAR

Jedes Unterfangen ist zu Beginn durchdrungen von einem Kernziel und einem Wertekanon. Beides wird vom Gründer bestimmt, und beides prägt die Unternehmenskultur und beeinflusst maßgeblich seine Zukunft, sei es zum Guten oder zum Schlechten. Amazon ist hauptsächlich deshalb für seine 'Kundenbesessenheit' bekannt, weil sein Gründer Jeff Bezos alles daransetzt, es zum 'kundenorientiertesten Unternehmen der Welt' zu machen. Die Mission der Firma Google, 'den Informationsfluss der Welt zu organisieren', spiegelt das Umfeld ihrer Gründer wider - Silicon Valley und die Stanford University's School of Engineering -, wo ein ausgeprägtes Streben nach Wissen hoch geschätzt wird. Und in Bentonville, Arkansas, prägen die Sparsamkeit und der Konkurrenzkampf des Walmart-Gründers Sam Walton nach wie vor den zentralen Grundsatz seiner Firma: 'Immer preiswert.'

Der Tischlermeister Ole Kirk Christiansen, der in Billund 1932 eine Firma gründete und sie 1934 LEGO nannte, ließ den zentralen Wert des Unternehmens in seinen Namen einfließen, eine Kombination der ersten beiden Buchstaben zweier dänischer Wörter: leg godt: 'spiel gut'. Mit dem Gedanken, dass Eltern ihre Kinder umso mehr aufmuntern wollen, je schlechter die Zeiten sind - und die dreißiger Jahre waren angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise mit ihren nachfolgenden Rezessionen schwere Jahre -, nutzte Ole Kirk seine handwerklichen Fähigkeiten, um hochwertige Holzspielzeuge herzustellen: bunte Jo-Jos, Nachziehtiere, Lastwagen. Und er schuf die Grundlage für die übergeordnete Firmenphilosophie, nach der 'gutes Spielen' ebenso das kreative Leben des Kindes bereichert wie auch sein späteres Erwachsenendasein. Diese Philosophie hat LEGO für den Großteil eines Jahrhunderts gestützt.

Im Laufe der Jahre hat LEGO seine Mission verfeinert und neu interpretiert: Kindern die 'Freude am Bauen, den Stolz auf das Selbstgeschaffene' zu vermitteln, ihre 'Fantasie und Kreativität anzuregen', 'das Kind in jedem Einzelnen von uns zu fördern'. Aber auf einer grundlegenden Ebene ist das Unternehmensziel bemerkenswert konstant geblieben und lässt sich wohl am besten mit seinem gegenwärtigen Motto ausdrücken: 'die Konstrukteure von morgen zu inspirieren und zu fördern'. Dieser kollektive Wunsch - Kinder anzuregen, ihre Ideen durch Spiele 'für Körper und Geist' umzusetzen - kann zurückverfolgt werden bis zu Ole Kirks lebensverändernder Entscheidung, sich und sein Geschäft der Förderung von Kindern zu widmen. Im Rückblick auf die ersten Zeiten seines Start-ups schrieb er später: 'Ich habe die wahre Antwort erst an dem Tag gefunden, an dem ich mir sagte: ?Du musst dich zwischen Tischlerei und Spielzeug entscheiden.?'

Die frühen Jahre der LEGO Gruppe waren von Entbehrungen geprägt. Ole Kirks Frau starb im selben Jahr, in dem er LEGO gründete, und ließ ihn mit vier kleinen Söhnen und einer auf der Kippe stehenden Firma zurück. Zwei Jahre später heiratete er erneut und führte sein junges Unternehmen durch die Verheerungen der Weltwirtschaftskrise und der deutschen Besatzung Dänemarks während des Zweiten Weltkriegs. Im Jahre 1942 verursachte ein Kurzschluss einen Kabelbrand, der die LEGO-Fabrik, das gesamte Firmeninventar sowie die Entwürfe für neues Spielzeug vernichtete. Die kumulativen Auswirkungen so vieler Rückschläge erdrückten Ole Kirk beinahe; eine Zeit lang erwog er aufzugeben. Aber das Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Angestellten gab ihm schließlich die Kraft, wieder neu anzufangen. 1944 hatte LEGO ein neues Fabrikgebäude, eines, das für die Fließbandproduktion ausgerichtet war. Die Zähigkeit der Organisation - ihre Fähigkeit, Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg beiseite zu schieben - findet sich zweifellos in Ole Kirks sturer Entschlossenheit wieder, sein Unternehmen aus der Asche jenes Brandes wiederaufzubauen.

Heutzutage wird jeder, der in der Billunder Niederlassung der LEGO Gruppe eingestellt wird, durch das kleine Backsteingebäude mit den flankierenden Löwen an der Eingangstreppe geführt, in dem Ole Kirk und seine Familie damals wohnten. Dort lernt man einen weiteren essenziellen Wert kennen, den der Unternehmensgründer seiner Firma vermacht hat: das unerschütterliche Prinzip, dass 'nur das Beste gut genug' ist.

Das Motto basiert auf einer Geschichte, die Bestandteil der -LEGO-Legende ist. Damals, als LEGO noch Holzspielzeug herstellte, prahlte Ole Kirks Sohn Godtfred Kirk - der seit seinem zwölften Lebensjahr für das Unternehmen arbeitete und es später führen sollte -, dass er Geld gespart habe, indem er bei einer Charge Holzenten nur zwei anstelle von drei Lackschichten aufgetragen habe (siehe Eine kurze Geschichte von LEGO). Der Betrug verärgerte Ole, der den zukünftigen LEGO-Chef anwies, wieder zum Bahnhof zu gehen, die Kiste mit Holzenten zurückzuholen und die Nacht damit zuzubringen, seinen Fehler auszubügeln. Diese Erfahrung veranlasste Godtfred später, dem Ideal seines Vaters durch die Gravur auf einem Holzschild zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Heute schmückt eine wandgroße Fotografie dieses Schildes mit dem Motto 'Det bedste er ikke for godt' - 'Nur das Beste ist gut genug' - den Eingangsbereich der Cafeteria in der Billunder LEGO-Niederlassung. Es ist ein Wegweiser, der die LEGO-Mitarbeiter zu außergewöhnlichen Leistungen auffordert.

Die Verschmelzung dieser beiden Leitprinzipien - den 'Konstrukteuren von morgen' zu dienen und 'nur das Beste' zu produzieren - hebt LEGO von der Konkurrenz ab und lässt das Unternehmen auf dem Weltmarkt herausragen. Jeder, der die Qualitätsverpflichtung der Firma heute in Zweifel zieht, muss sich bloß die Mühsal und die Fertigkeiten vor Augen führen, welche die Herstellung des nahezu unzerstörbaren LEGO-Steins erfordert; ein so dauerhafter und gnadenloser Gegenstand, dass über eine halbe Million Menschen auf der Facebook-Seite 'Für alle, die schon mal den Schmerz beim Treten auf einen LEGO-Stein erlebt haben!' 'Gefällt mir' geklickt haben.

DAS ZWEITE PRINZIP: UNERMÜDLICHES EXPERIMENTIEREN FÜHRT ZU BAHNBRECHENDEN INNOVATIONEN

In aller Regel entstehen bahnbrechende Innovationen nicht aus einer einzelnen allumfassenden, ehrgeizigen Strategie. Sie erwachsen aus hartnäckigem Experimentieren, das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wenigstens ein Versuch den erhofften Vorsprung verschafft. Diese Auffassung vertritt auch der Business-Stratege Gary Hamel im Buch Das Ende des Managements: 'Innovation ist immer ein Zahlenspiel: Je mehr Sie machen, desto größer sind Ihre Chancen, einen satten Gewinn einzustreichen.' LEGO hat das verstanden. Das Unternehmen besitzt genügend Kreativität, um auf die verschiedensten Innovationen zu setzen, und genügend Ausdauer, um so lange dabeizubleiben, dass es Profit daraus zieht.

Selbst in den Anfangsjahren experimentierte LEGO unermüdlich mit neuen Ideen und investierte manchmal hoch in unerprobte Technologien. 1946 war LEGO der erste Spielzeughersteller in Dänemark, der eine Kunststoffspritzgießmaschine anschaffte; sie kostete mehr als das Doppelte des Vorjahresgewinns. (Die Familie musste Ole Kirk - zumindest vorübergehend - davon abhalten, noch eine zweite zu kaufen.) Für einen dänischen Zimmermann vom Lande, der sein ganzes Leben lang mit Holz gearbeitet hatte, stellte Kunststoff eine riskante, lebensverändernde Herausforderung dar. Anschließend bewiesen die Unternehmenschefs eine ungewöhnliche Ausdauer, indem sie den Großteil des folgenden Jahrzehnts damit zubrachten, an einer bedeutenden Idee herumzutüfteln: wie der LEGO-Stein zu formen war. In einem ersten Schritt modifizierten Ole Kirk und Godtfred, der 1950 zum Juniorchef von LEGO ernannt wurde, die 'selbst-einrastenden Bausteine' des britischen Erfinders Hilary Fisher Page - Plastikwürfel mit vier Noppen in zwei Reihen, die Kinder zu kleinen Häuschen und anderen Kreationen zusammenstecken konnten -, indem sie die Größe der Steine um 0,1 Millimeter änderten und die Kanten schliffen. Ergebnis war der sich 'automatisch verbindende Baustein', hergestellt aus Zelluloseacetat, der die kleinen Noppen aufwies, die sich auf der Oberseite der heutigen LEGO-Steine befinden, darunter aber hohl war. Die sich 'verbindenden' Bausteine konnten zwar zusammengesteckt werden, waren aber nicht allzu stabil. Kinder konnten die Steine zu einem kippeligen Haus aufschichten, doch ein Stoß genügte, um die Kreation zusammenstürzen zu lassen. Deshalb ließen die Einzelhändler viele Bausteinsets unverkauft an LEGO zurückgehen. Es war auch nicht hilfreich, dass die dänische Spielzeughandel-Fachzeitschrift Legetøjs-Tidende nach einem Besuch der LEGO-Fabrik in Billund erklärte: 'Plastik wird niemals den Stellenwert von guten, soliden Holzspielwaren einnehmen.' Trotz der geringen Meinung der Konsumenten von Plastikspielzeug und der unverhohlenen Kritik einiger Einzelhändler blieben die Christiansens hartnäckig.

Während der folgenden zehn Jahre bastelte Godtfred weiter an seinen 'LEGO Mursten' (LEGO-Steinen) herum. Aber die Bausteine hatten immer noch Schwierigkeiten mit der Steckverbindung und wiesen häufig den 'Springeffekt' auf - wenn man zwei Steine zusammensteckte, verbanden sie sich für einen kurzen Zeitraum, sprangen dann aber wieder voneinander ab. LEGO stellte zwar weiterhin Bausteinsets her, doch sie verkauften sich nicht gut und machten in den frühen fünfziger Jahren höchstens fünf bis sieben Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Es dauerte Jahre und kostete viele gescheiterte Experimente, ehe Godtfred auf das System der Noppen-und-Röhren-Verbindung kam, bei dem die Noppen oben auf einem Baustein zwischen die runden Hohlkörper und die Seitenwände an der Unterseite eines anderen Steins passten. Die engen Toleranzgrenzen und die flexiblen Eigenschaften des modernen Bausteins, der aus ABS-Kunststoff (Acrylnitril-Butadien-Styrol) besteht, ließen die Noppen und Röhren durch Reibung aneinander haften. Dieser Entwurf, der am 28. Januar 1958 in Kopenhagen patentiert wurde, bot das, was LEGO nach wie vor als 'Haftkraft' bezeichnet. Wenn ein Kind zwei Steine zusammensteckt, rasten sie mit einem befriedigenden Klick ein. Und sie haften aneinander, bis das Kind sie durch beherztes Ziehen wieder trennt. Genau darin liegt die Magie des LEGO-Steins. Da die Steine nicht auseinanderfallen, können Kinder in die Höhe bauen und ihre Kreationen so einfach oder kompliziert gestalten, wie sie wollen.

Die Haftkraft, hervorgegangen aus einer scheinbar unendlichen Reihe von Experimenten vor über einem halben Jahrhundert, macht LEGO zu einem so unendlich ausbaufähigen Spielzeug, mit dem Kinder bauen können, was immer sie sich ausdenken. Und es ist dieser Stein, der zur sichtbaren Manifestation einer gesamten Philosophie wurde, die das Lernen durch Spielen in den Mittelpunkt rückt.

Obwohl der Baustein ein Durchbruch war, ging ihm eine lange, harte Schinderei voraus. Godtfreds Entschlossenheit, ein entferntes Ziel trotz widriger Umstände unbeirrt zu verfolgen, legt Zeugnis ab von seiner Beharrlichkeit, die im Geschäftsleben viel zu oft unterbewertet wird. Dem langsamen, zentimeterweisen Fortschritt fehlt die dramatische Genugtuung, die sich mit raschen Erfolgen einstellt. Aber im Fall der LEGO-Gruppe brachte er einen Sieger hervor.

In den folgenden Jahren blieben Zähigkeit und Experimentierfreude die wesentlichen Zutaten des Unternehmensrezepts für Innovation, und die Firma bewies eine ungewöhnliche Bereitschaft, Rückschläge zu ertragen, wenn sie vielversprechende Ideen ausprobierte. Bestseller-Produkten wie Bionicle, LEGO Games und der Star-Wars-Videospielreihe von LEGO gingen jeweils jahrelange Experimente voraus, die sich nicht bezahlt machten. Allerdings wurden die Ausdauer und die Willensstärke der LEGO Gruppe nie wieder so spektakulär belohnt wie mit der Erfindung des 'wahren' Bausteins (wie Godtfred ihn nannte), der sich als eine der größten Innovationen der Spielzeugbranche erweisen sollte.

DAS DRITTE PRINZIP: SYSTEM STATT PRODUKT

Der außergewöhnliche Erfolg der LEGO Gruppe entstand aus ihrer Fähigkeit zu erkennen, wohin die Spielzeugbranche sich bewegte, und dann als Erster dort anzukommen. Der erste vorausschauende Schachzug des Unternehmens war es, auf Kunststoffspielzeuge sowie auf die Zukunft des Bausteins zu setzen. Der zweite war die Erkenntnis, dass LEGO sich von der Produktion einzelner Spielzeuge wegbewegen und ganze Spielsysteme schaffen musste, deren übergeordnetes Element der Baustein war.

Lange bevor die ersten Computersoftwareprogramme patentiert wurden, machte LEGO den Baustein 'abwärtskompatibel', sodass die neu hergestellten Steine mit den Originalsteinen von 1958 zusammenpassten. Dank dieser Abwärtskompatibilität konnten die Kinder LEGO-Modellbauten aus dem einen Set mit LEGO-Modellautos, Lampenmasten, Verkehrszeichen, Gleissignalen und anderem aus anderen Sets kombinieren. Egal um welches Spielzeug es sich handelte, die Steine ließen sich mit allen anderen Steinen zusammenstecken, und das hieß, dass jedes LEGO-Set erweiterbar war. Daher wuchs das LEGO-Universum mit jedem neuen Produkt, das auf den Markt kam. Eine frühe Werbekampagne

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt7
Vorwort10
Das Klicken der Steine14
Teil 1: Sieben Wahrheiten über Innovation und der Niedergang der LEGO Gruppe24
Kapitel 01: Aufeinanderstapeln26
Kapitel 02: Die Innovation ankurbeln50
Kapitel 03: Kontrollverlust78
Teil 2: Das Meistern der sieben Wahrheitender Innovation und die Transformationvon LEGO112
Kapitel 04: Eine Innovationskulturschaffen114
Kapitel 05: Der Weg zur Kundenorientierung144
Kapitel 06: Die ganze Bandbreite der Innovationen ausschöpfen174
Kapitel 07: Open Innovation fördern202
Kapitel 08: Versuch einer Durchbruchinnovation238
Kapitel 09: Auf der Suche nach dem blauen Ozean262
Kapitel 10: Unterschiedliche und kreative Menschen einstellen288
Kapitel 11: Die Verwandlung von LEGO306
Teil 3: Eine kurze Geschichte vonLEGO322
Die Geschichte in Bildern324
Dank334
Anmerkungen338
Register344

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