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Auf dem Weg zur Zweigliedrigkeit im deutschen Schulsystem

Entwicklungen und Varianten seit den 1970er Jahren

AutorMirjam Förster
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783640967469
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 1,1, Technische Universität Dortmund (Institut für Schulentwicklungsforschung), Veranstaltung: Bildungsmanagement, Sprache: Deutsch, Abstract: Schlagzeilen wie 'Das Bildungs-Babylon: Wer kennt sich aus im deutschen Schulsystem?' (FOCUS ONLINE - SCHULE, 03.08.2010) oder 'Annette Schavan über Schulpolitik: 'Eltern und Kinder werden irre'' (SÜDDEUTSCHE ONLINE, 20.07.2010) verdeutlichen die aktuelle Schuldebatte. Auch die folgende Überschrift 'Flicken am Bildungsteppich: Einheitlichkeit im deutschen Schulsystem ist vorerst eine Illusion - und dennoch könnte sie kommen. Denn der Trend geht zum sächsischen Modell der Zweigliedrigkeit' (ZEIT ONLINE - SCHULE, 21.07.2010) zeigt es deutlich: das föderale deutsche Schulsystem ist in Bewegung und die Pressediskussionen über die sogenannte Zweigliedrigkeit sind bundesweit eine aktuelle Thematik. Dass die Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I in Deutschland verschiedene Schulformen besuchen, bezeichnet man als gegliedertes Schulsystem, dementsprechend ist unter einem zweigliedrigen Schulsystem ein System bestehend aus zwei Schulformen in der Sekundarstufe I zu verstehen. In dieser Arbeit soll der Weg zur Zweigliedrigkeit im deutschen Schulsystem mit Focus auf die Entwicklungen und Varianten seit den 1970er Jahren dargelegt werden. Im ersten Kapitel werden die Ausgangslage und die Gründe für die Entwicklung der Zweigliedrigkeit geschildert. Im folgenden Kapitel wird auf die Entwicklung seit den 1970er Jahren eingegangen, wobei dabei chronologisch vorgegangen wird. Es folgt eine Darstellung ausgewählter Entwicklungen der Bundesländer Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Im vierten Kapitel werden die Varianten der Zweigliedrigkeit vorgestellt. Da es nicht die Zweigliedrigkeit gibt, sondern verschiedene Konzeptionen, sollen die unterschiedlichen Auffassungen verdeutlicht werden. Im Allgemeinen, wie oben bereits erwähnt, werden darunter zwei Schulformen der Sekundarstufe I verstanden. Die Modelle dieser zwei Schulformen können dabei verschieden gestaltet sein. Die eine Schulform stellen entweder das Gymnasium oder die Gesamtschule dar, das andere Glied daneben bilden Modelle mit und ohne Gymnasium, kooperative und integrierte Systeme, Gemeinschaftsschulen und Allgemeine Sekundarschulen. Diese Varianten finden sich bereits vereinzelt in Deutschland wider. Die Wissenschaftler Regenbrecht und Hurrelmann beschäftigen sich mit den Varianten der Zweigliedrigkeit, deren unterschiedlichen Konzeptionen in diesem Kapitel ebenfalls aufgezeigt werden. Es wird die Entwicklung der Varianten im deutschen Schulsystem im Zeitraum von 1999 bis 2010 erörtert.

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Leseprobe

2.  Entwicklungen der Zweigliedrigkeit seit den 1970er Jahren


 

Im Folgenden werden die Entwicklungen der Zweigliedrigkeit im deutschen Schulsystem seit den 1970er Jahren bis heute aufgezeigt. Die Darstellung erfolgt chronologisch, zunächst werden die Entwicklungen in den 1970er Jahren, anschließend in den 1980er Jahren bis vor der deutsch-deutschen Wiedervereinigung, dann ab der Wiedervereinigung 1989/90 bis zum Ende der 1990er Jahre und schließlich ab 2000 bis heute 2010 aufgezeigt.

 

2.1.    Entwicklungen in den 1970er Jahren


 

Das deutsche Schulwesen erfährt in den 1970er Jahren einige Veränderungen. Dazu zählt, dass die Lehrerbildung verwissenschaftlicht wird, Schulen und Universitäten ausgebaut, der Zuwachs integrierter und kooperativer Gesamtschulen begrenzt und Orientierungsstufen in den Schulen eingerichtet werden (vgl. Hradil 1999: 151). Zudem wird das Recht der Eltern zur Mitbestimmung beim Übergang ihres Kindes von der Grundschule in die weiterführende Schule gestärkt und versucht, die Durchlässigkeit zwischen den drei verschiedenen Bildungsgängen Hauptschule, Realschule und Gymnasium zu verbessern (vgl. Hradil 1999: 151).

 

Die Diskussion über Zusammenlegungen von Schularten im deutschen Schulsystem findet sich bereits 1970 im Wahlprogramm der hessischen sowie 1971 der nordrhein-westfälischen CDU wieder, dort wird von einer Kooperation und Verbindung von Hauptschule, Realschule und Gymnasium gesprochen, um die Durchlässigkeit zu erhöhen (vgl. Rösner 2007: 184).

 

Die bildungspolitischen Diskussionen kreisen in den 1970er Jahr vor allem um die Frage, ob eine Gesamtschule oder ein gegliedertes Schulsystem die bessere Alternative darstellen (vgl. Horstkemper et al. 2008: 287). In einigen Bundesländern wird die gegliederte Struktur beibehalten, in Anderen wird die bestehende Gliederung durch eine Gesamtschule ergänzt (vgl. Horstkemper et al. 2008: 287).

 

Vertreter der CDU sprechen sich Anfang der 1970er Jahre gegen die integrierte Gesamtschule und für kooperative Verbundsysteme aus[3] (vgl. Rösner 1999: 108). Sie sind der Auffassung, dass sich das künftige Bildungssystem durch die bestehenden Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien verwirklichen ließe, diese jedoch in enger Kooperation arbeiten müssten (vgl. Rösner 1999: 108f.). 1971 wird von der CDU im Landtag in Nordrhein-Westfalen die kooperative Gesamtschule als Schulversuch beantragt, der 1973 wieder zurück gezogen wird, um die kooperative Gesamtschulen grundsätzlich landesweit einzuführen (vgl. Rösner 1999: 109). Dieser Antrag wird 1975 von dem derzeitigen Kultusminister der SPD zurückgewiesen, ein Jahr später jedoch von der SPD-Landtagsfraktion wieder beantragt, was auf Widerstand von Lehrer- und Elternverbänden stößt und von der Landes-CDU unterstützt wird (vgl. Rösner 1999: 109). Unabhängig von den Machtwechseln, bleiben eingeführte Verbundsysteme erhalten (vgl. Rösner 1999: 110). Erst in den 1990er Jahren werden in den neuen Bundesländern und in einzelnen Ländern des Westens Verbundmodelle aus Haupt- und Realschule zugelassen (vgl. Rösner 1999: 110).

 

Der Deutsche Bildungsrat veröffentlicht im Jahr 1970 einen Strukturplan, nachdem das Nebeneinander der verschiedenen Schulformen aufgehoben und schulische Verbundsysteme eingeführt werden sollen (vgl. Rösner et al. 1980: 73). Die Anordnung der Schulstufen soll horizontal sein, sodass in jeder Stufe an die Lernvoraussetzungen des Einzelnen angeknüpft werden kann (vgl. Zenke 2006: 46).

 

Trotz der Abschaffung des Deutschen Bildungsrates im Jahr 1975 (vgl. Baumert et al. 1994: 41) kommt es in den folgenden zehn Jahren nach der Veröffentlichung des Strukturplans zu deutlichen Veränderungen im deutschen Schulwesen durch die Einführung einer Orientierungsstufe, die schulformunabhängig ist, und einer Gesamtschule (vgl. Rösner et al. 1980: 74,78).

 

Die Einführung einer Orientierungsstufe erfolgt in den Bundesländern Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen und wird als Schulversuch in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein erprobt (vgl. Rösner et al. 1980: 78,79).

 

Die integrierte Gesamtschule[4] wird in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein als Versuchs- oder Modellschule erprobt und als Regelschule als Alternative zu anderen Schulformen in Berlin und Hamburg integriert (vgl. Rösner et al. 1980: 76,77).

 

Die Einführung der kooperativen Gesamtschulen als Regelschule findet in den Bundesländern Bremen, Hamburg und Hessen statt (vgl. Rösner et al. 1980: 76,77). In Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wird die kooperative Gesamtschule[5] als Versuchsschule in das Schulgesetz aufgenommen (vgl. Rösner et al. 1980: 76,77). Neben der Einführung der Gesamtschulen wird die intensive Kooperation zwischen den verschiedenen Schulformen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Verpflichtung (vgl. Rösner et al. 1980: 76,77).

 

Seit dem Jahr 1970 verbreitet sich das horizontalisierte Schulsystem in der Sekundarstufe I durch die Einführung von Orientierungsstufen und der Gesamtschulen im deutschen Schulsystem (vgl. Rösner et al. 1980: 87).

 

Neben den Diskussionen kommt es in den 1970er Jahren nicht zu einer Kombination von zwei Schulformen, allerdings ist in diesem Zeitraum der Ursprung des Gedanken der integrierten Haupt- und Realschule anzusiedeln, und zwar in den alten Bundesländern (vgl. Hörner 1995: 153).

 

Die Idee des zweigliedrigen Schulsystems resultiert aus der westdeutschen Diskussion, unter anderem der Erziehungswissenschaftler Regenbrecht, Rösner, Tillmann und Hurrelmann (vgl. Hörner 1995: 153,154).

 

Eine Tendenz zum zweigliedrigen Schulsystem wird am Ende der 1970er Jahre von den Schulentwicklungsforschern Rösner und Tillmann (1980: 101) erkannt, wobei die prognostizierte Zweigliedrigkeit zwischen Gesamtschule und Gymnasium besteht (vgl. Hörner 1995: 153).

 

2.2.    Entwicklungen ab 1980 bis vor der Wiedervereinigung 1989/90


 

Es zeigt sich am Anfang der 1980er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit der Idee des zweigliedrigen Schulwesens, jedoch keine Umsetzung. So wird zu dieser Zeit in der schulpolitischen Diskussion darauf hingewiesen, dass „das Modell der Zweigliedrigkeit sich als Sackgasse der Schulentwicklung erweisen könnte“ (Klemm et al. 1988a: 464).

 

Demgegenüber gibt es auch andere Positionen. So stellt der Verbund Bildung und Erziehung (VBE) 1980 fest, dass ein dreigliedriges Schulsystem nicht begründbar ist und fordert deswegen die Zweigliedrigkeit bestehend aus dem Gymnasium und der Fusion von Haupt- und Realschule (vgl. Rösner 1989: 147; Regenbrecht 1987b: 16). Vom Verband wird die Vorstellung eines zweigliedrigen Schulsystems vertreten, in dem etwa ein Drittel der Schüler das Gymnasium wählen, während zwei Drittel eine Schulform besuchen, in der der Hauptschul- und Realschulabschluss erworben werden kann (vgl. Regenbrecht 1987b: 16). Nach dem Besuch dieser kombinierten Schulform soll den Schülern der Übergang in das berufliche Schulwesen sowie in die gymnasiale Oberstufe ermöglicht werden (vgl. Regenbrecht 1987b: 16).

 

Diese Veränderung soll den zurückgehenden Schülerzahlen entgegen wirken und ein ortsnahes Schulangebot ermöglichen (vgl. Rösner 1989: 147; Regenbrecht 1987b: 16).

 

Wenn die Schulformen nicht über genügend Schüler für eine Zweizügigkeit verfügen, dann sollen sie, so rät der Verband Bildung und Erziehung im Jahr 1982, sich organisatorisch zu einem kooperativen oder integrativen System zusammen legen (vgl. Regenbrecht 1987b: 17). Bevorzugt wird dabei von dem Verband die Lösung einer integrierten Haupt- und Realschule (vgl. Regenbrecht 1987b: 17).

 

Außerhalb des Verbundes Bildung und Erziehung stößt das Konzept der Kombination der Haupt- und Realschule zunächst auf wenig Diskussion, denn die Befürworter des dreigliedrigen Schulsystem sehen keine Notwendigkeit für eine derartige Veränderung und die Anhänger der Gesamtschule befürchten damit eine falsche Reformrichtung (vgl. Rösner 1989: 147).

 

Nachdem allerdings die Hauptschule immer mehr an Attraktivität verliert, gewinnt das Konzept des Verbundes zunehmend an Popularität und im Jahr 1980 spricht sich die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und sechs Jahre später 1986 der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverein (SLLV) für die Verbindung von Haupt- und Realschule aus (vgl. Rösner 1989: 148).

 

Regenbrecht (1987b) hält eine flächendeckende Einführung einer Gesamtschule bei gleichzeitiger Abschaffung aller anderen Schulformen als Lösung für den Rückgang der Schülerzahlen (vgl. Regenbrecht 1987b: 17). Er sieht jedoch auch die Problematik, dass die Umsetzung politisch nicht möglich und pädagogisch nicht sinnvoll erscheint (vgl. Regenbrecht 1987b: 17). Stattdessen betrachtet Regenbrecht (1987b) als geeignete und vernünftige Alternative ein zweigliedriges Schulwesen, das aus folgenden Komponenten...

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