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E-Book

Zwischen den Steinen

Höhenangst hin oder her ich gehe über die Alpen ans Meer

AutorPeter Sterr
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783752836400
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Wenn man das fünfte Lebensjahrzehnt vollendet, wird man ein zweites Mal, nach der Pubertät, ein wenig eigenartig. Vor allem der Mann tendiert dazu, sonderbare Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Die Einen kaufen sich ein Cabrio und lassen Goldketten an der solariumsgebräunten Brust baumeln. Die Anderen wollen noch einmal 'so richtig einen raushauen', sei es, indem sie vor den Stieren in Pamplona herlaufen oder die Strecke von München nach Hamburg zu Fuß zurücklegen. In meinem Fall liegt die Versuchung direkt vor der Haustüre, denn bei gutem Wetter sind die Alpen zum Greifen nah. Warum also nicht von zu Hause ans Meer laufen? Wenn sich da nicht gewisse Bedenken vordrängen würden. Ich bin absolut kein Naturbursche, eher so ein Büromensch. Ganz so jung bin auch nicht mehr. Besonders störend könnte sich bei der Aktion meine Höhenangst auswirken. Die Berge sind bisweilen verflixt abschüssig. Kann das klappen? Von der Komfortzone aus wird sich das nicht aufklären lassen. Deshalb schnüre ich mein Bündel, mache mich auf den Weg und sehe, was der Tag mir so anbietet.

Stell dir einen Früh- (keinen falschen wohlgemerkt) Fünfziger aus Oberbayern vor, der schon seit dreißig Jahren Anwendungen entwickelt, der spezifiziert, programmiert und testet, der die Bits und Bytes in Reih und Glied ausrichtet, so dass jedes davon am rechten Platz ist und das immer noch gerne tut, dann ist das alles wahr. Aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Man füge noch vielseitige Interessen hinzu, wie Sport (aktiv und passiv), Musik (nur passiv, Gott bewahre), Filme (auch nur passiv, wie komm man schon zum Film?), Politik (ebenfalls nur passiv, was treibt einen dazu, das aktiv zu betreiben?) und auch Religion (weil die Welt nicht nur aus Einsen und Nullen bestehen kann). Schließlich komplettiere man das Ganze mit drei großen Vorlieben. Der Liebe zu meiner Familie, meiner Frau und meinen beiden erwachsenen Söhnen. Der alten Liebe zum Wandern. Hier halte ich es mit Emil Zatopeks genialem Ausspruch: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft". Ich gehöre zu denen, die es nicht so eilig haben. Ich laufe nicht, ich wandere lieber. Das ist langsamer, und führt genau deshalb zu vielen unerwarteten Einsichten. Der uralten Liebe zum geschriebenen Wort. Literatur in jeglicher Form, sei es Satire, Drama, Krimi, Sachbuch, Comic oder Roman finde ich schon seit meiner Jugend faszinierend. Hätte ich damals ein Poster an die Wand gehängt, wäre es kein Sportler oder Musiker gewesen. Nein, einen hochgescheiten Autor an der Schreibmaschine sitzend mit einer Pfeife im Mund, den hätte ich an die Wand gepinnt. Und was kommt dabei heraus? Ein Buch!

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Leseprobe

Engineer meets wilderness


Um alles Weitere besser verstehen zu können muss ich ein Geständnis machen. Ich bin Ingenieur. Nun ist es heraus. Genau genommen bin ich Informatiker. Heutzutage wäre das ein Bachelor der Informatik. Die Jüngeren unter uns, die Ärmsten, müssen sich mit einem Titel schmücken, den man mit einem halbseidenen Gringo assoziiert, der ebenso halbseidenen Damen Rosen überreicht. Außerdem sagt Bachelor alles und nichts. Das kann ein Jurist sein oder ein Astrophysiker. Bei Ingenieur/Informatiker weiß man, was man bekommt, einen Menschen mit Hang zu Naturwissenschaften.

Wir sind die McGyvers dieser Welt. Mit einer Büroklammer und 3 Blatt Löschpapier bauen wir, wenn es sein muss, einen schadstoffarmen Verbrennungsmotor. Um das leisten zu können, brauchen wir allerdings gewisse Rahmenbedingungen wie klare Strukturen, feste Regeln und eine ausgeklügelte Planung.

Jede Berufsgruppe entwickelt seine Schrullen, oder sagen wir eher liebenswerte Eigenheiten. Was für den Lehrer der Rotstift im Jackett (oder im Kopf), ist für den Informatiker das Testen. Unser halbes Leben besteht aus Testen. Um sicher zu stellen, dass die Software das leistet, was sie soll und keine unerwünschten Nebenwirkungen hat, verfügen wir sogar über eine sogenannte Testumgebung. Das ist eine Welt neben der normalen Welt, in der man sehen kann, welche Auswirkungen die neuesten Entwicklungen haben. In dieser Welt kann man sogar die Zeit zurückdrehen. Wenn man bemerkt, dass man etwas falsch gemacht hat, geht man einfach auf den Stand vor dem Fehler zurück. Ist das nicht genau das, wovon wir manchmal im wahren Leben träumen?

Daher komme ich eines Tages allen Ernstes auf die Idee, man müsste die Alpenüberquerung einmal testweise laufen, nur um zu sehen, ob die Planung in Ordnung ist. Dann könnte man die eigentliche Tour viel entspannter angehen. Moment mal! Das wäre ja, wie wenn ich an eine brüchige Brücke käme. Ich tastete mich vorsichtig darüber. Wenn ich drüben ankäme, ginge ich zurück, um dann noch einmal locker darüber zu gehen. Und falle dabei trotzdem ins Wasser, weil die Brücke nur noch 2 und nicht 3 Überquerungen überstehen konnte. Irgendwann fällt sogar mir auf, dass ein Testlauf keinen Sinn hat. Das echte Leben kennt eben keine Testumgebung. Es ist immer gleich das Original.

Wegen solcherlei Gedankenspiele bezeichnen uns Manche als leicht nerdig im Abgang. Ich finde da tut man uns aber unrecht. Wir wollen halt Qualität abliefern.

Wenn man das ganze Unterfangen aus der Ingenieursbrille betrachtet, ist eine Wanderung solchen Ausmaßes eine ambivalente Sache. Ingenieur und Sport gehen gut zusammen, denn man kann daraus kunstvolle EXCEL-Sheets über den Trainingsverlauf drechseln (mit Pulsfrequenz, Distanz, Durchschnittsgeschwindigkeit und allem). Mit Ingenieur und Natur ist das so eine Sache, denn die Natur kann verflixt schwer auszurechnen sein. Da gibt es Krabbelviecher, unklare Wetterlagen, übermütiges Jungvieh, alles sehr beunruhigende Begleitumstände.

Trotz allem werde ich mich daran wagen, aber selbstverständlich nur mit sauberer Analyse und Planung. Deshalb müssen wir erst einmal die Ausgangslage prüfen, so wie damals in der Physikschulaufgabe, als wir das „Gegebene“ suchten.

Körperliche und geistige Eignung

Gegeben ist:
Alter (A):52 Jahre
Geschlecht (g):männlich
Hautfarbe (Hf):weiß (ziemlich blass sogar)
Größe (G):1,73 m (die Schrittzähler unter uns bemerken schon jetzt, das wird eine Menge Schritte geben)
Masse (mw):geschätzt 75 kg (mw = Masse Weilheim; interessant wäre auchmc = Masse Caorle gewesen, um das Δm, die Gewichts-Zu- oder Abnahme, zu berechnen. Beides wurde aber nicht ermittelt)

Der Körper (Kö) ist in Leichtbauweise ausgeführt. Das und der unsägliche Dusel in aberhundert Fußballspielen nichts Wesentliches auf die Socken bekommen zu haben, führen zu einer relativ intakten Orthopädie der Beine. Anlass zur Sorge gibt der Bereich Lendenwirbel. Als Schreibtischtäter handelt man sich in diesem Bereich unweigerlich Verschleiß ein. Wie oft bin ich schon auf Dienstreisen, nach einer Nacht im ungewohnten Hotelbett, mit einem total verklemmten Rücken aufgewacht? Bedenkt man, dass die Tour eben auch 25 Nächte in Betten unterschiedlicher Qualität bedeutet, kann das zu einem kritischen Faktor werden.

Und es gibt einen weiteren Krisenherd. Ich bin ein sogenannter (Nieren-)Steinpatient. Ärgerlicherweise habe ich sehr viel davon. Mein Urologe nennt mich den Mann mit der Kiesgrube und ganz liebe Kollegen nennen mich Barney Geröllheimer. Ein Steinereignis kann jederzeit ohne Vorwarnung eintreten, muss aber, Gott sei Dank, nicht in jedem Fall schmerzhaft sein. Während eines schmerzhaften Ereignisses ist man allerdings mit nichts anderem beschäftigt als die Illusion aufrecht zu erhalten, man hätte den Schmerz einigermaßen im Griff. An sportliche Aktivitäten ist in diesem Zustand jedenfalls nicht zu denken. Manchmal hat man den Eindruck, dass sich die Steine durch äußere Stoßeinwirkung, wie einem Sturz beim Skifahren oder dem Besuch eines Wellenbades, auf den Weg machen. Das könnte nun dazu führen aus Angst gar keine Aktivitäten mehr zu unternehmen, die auf den Körper in dieser Weise einwirken. Ich dagegen neige dazu die Zeit zwischen den Steinen umso ausgiebiger zu nutzen, weil sie sehr, sehr kostbar ist.

Folglich erteile ich mir das Prädikat „körperlich bedingt tauglich“. (Tipp für alle, die es vielleicht nachmachen wollen: So ein Prädikat kann natürlich nur ein Arzt erteilen. Dort kann man auch gleich die Frage diskutieren, ob eine Zeckenimpfung angezeigt ist oder nicht.)

Nun wende ich mich der geistigen Eignungsprüfung zu, denn dort geht die Malaise erst so richtig los. Das Hauptproblem ist, dass ich nicht höhensicher bin. Hohe Klippen, steile Felsabbrüche, tiefe Schluchten, hohe Gebäude oder auch nur ein Riesenrad jagen mir eine Heidenangst ein. Der Eiffelturm zum Beispiel mit seinem freien Blick durch die Stufen macht mich total fertig. Darüber hinaus habe ich etwas gegen Brücken. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Höhe an, sondern um die Breite des Flusses. Das fließende Wasser erzeugt in mir das Gefühl, ich würde in die Strömung mit hineingezogen. Der Supergau sind wippende Brücken, am besten mit freier Sicht durch die Planken. Da kann es dann schon mal sein, dass ich verweigere, wie ein scheuendes Pferd vor dem Hindernis.

Beides kann ab und an im Hochgebirge recht hinderlich sein. Vielleicht sollte ich doch besser einen gut abgesteckten 3 Kilometer Rundkurs in der Lüneburger Heide beliebig oft umrunden? Die Lösung kann eigentlich nur sein, dass die Routenwahl meinen Ängsten Rechnung tragen muss.

Auf der anderen Seite bringe ich ein echtes Asset (Business Deutsch für Vorzug) mit. Ich habe schon ein paar hundert Wanderkilometer runter. In grauer Vorzeit, also vor circa 20 Jahren, bin ich zusammen mit meinem Bruder sogar schon einmal in 10 Tagen von Kochel nach Sterzing marschiert. Damals waren wir noch richtig gut beieinander. Daher bin ich mir nicht ganz sicher, ob das für heute noch zählt.

Ansonsten stütze ich meine Erfahrung auf die schon erwähnten Wanderungen mit meinen Kindern. Ich weiß, wandern gilt schon seit Unzeiten als altbacken. Auch wenn sich das Blatt derzeit zu wenden scheint, gibt es noch immer sehr viele, die den Kopf über Menschen schütteln, die freiwillig größere Strecken zu Fuß zurück legen. Wandern mit Kindern gilt als noch abwegiger. Weil wandern langweilig ist und Kinder von Hause aus faul, ist endloses Nörgeln vorprogrammiert. Nichts davon ist der Fall.

Wenn man es nicht übertreibt, kann man mit seinen Kindern außergewöhnlich schöne Tage verbringen. Wir waren immer 4 Tage in Mittelgebirgen oder in den mittleren Lagen der Alpen unterwegs. Das hat den Vorteil, dass man nicht wie ein Luchs aufpassen muss, dass niemand den Berg hinunterpurzelt.

Das ein oder andere Highlight, wie Schlafen im Heu oder der Besuch des Wiener Praters, sollte nicht fehlen. Genügend Proviant und Geschichten sollten im Gepäck sein, für den kleinen Durchhänger zwischendurch. Auch ein paar Liedtexte auswendig schaden nicht, völlig egal ob „Hänschen klein“ oder „TNT“ von AC/DC. Früher habe ich immer über alte Filme gelästert, wo fröhliche Menschen beim Wandern lustige Lieder trällerten. Wir haben es ausprobiert, singen beim Wandern hilft tatsächlich.

Aber am Wichtigsten ist es, dass man als Eltern selber gerne wandert. Wenn man solche Touren nur aus pädagogischem Kalkül macht, springt der Funke nicht über. Glauben Sie mir, die Kinder spüren das. Natürlich wollte ich auch, dass die Kinder lernen auf den Schwächsten in der Gruppe acht zu geben, dass man auch mal mit Weniger auskommen kann und dass, wenn es mal langweilig ist, es...

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