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Der 'Orient' in Theorie und Praxis - Eine Darstellung von Thomas Edward Lawrence unter dem Aspekt des Kulturaustausches und des Orientalismus

Eine Darstellung von Thomas Edward Lawrence unter dem Aspekt des Kulturaustausches und des Orientalismus

AutorErik Fischer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl40 Seiten
ISBN9783638495400
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte - Allgemeines, Note: 1,3, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (Historisches Institut), Veranstaltung: Kulturtransfer, 63 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Geschichtswissenschaft befindet sich in einem rückbesinnenden Umbruch: Das verstärkte Nachdenken über die 'Kultur' ist wieder aktuell geworden. Mit einem 1989 erschienenen Sammelband hat die amerikanische Historikerin Lynn Hunt die Richtung der zukünftigen Forschung vorgegeben: 'New Cultural History'. Zahlreiche Innovationen erlebte die Geistes- und damit auch die Geschichtswissenschaft seit dem: Die Modelle und Entwürfe von Michel Foucault, Clifford Gertz' Vorschlag zu einer 'dichten Beschreibung' von Kultur, die Überlegungen von Peter Berger und Thomas Luckmann zu einer 'gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit', sowie Georg G. Iggers und Hayden Whites Beiträge zumlinguistic turnund zur Tropologie des historischen Diskurs. Ebenso ging - wie im letzten Satz bereits angedeutet - die Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren durch mehrere 'turns', sogenannte 'Wenden' im Denken und damit einschneidende Veränderung im Bild der Geisteswissenschaften: genannt wurde bereits der linguistic turn,darüber hinaus gab es deniconic turn,sowie denperformative turn.

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Leseprobe

2. Konstruktion: Die Debatte um den Orientalismus und ihr Umfeld


 

1978 war ein Schlüsseljahr in den sogenannten „orientalischen Wissenschaften“ – oder auch „Studien“. Edward Said veröffentlichte sein wirkmächtiges Werk Orientalism, welches die Sicht auf die traditionelle Orientalistik beeinflusste und diese Wissenschaft in eine tiefe Sinnkrise führte.[37] Zusammengefasst zeigt sein Werk die Verbindung zwischen erkenntnishafter und politisch-militärischer Aneignung des Orient auf. „Er [Said] stellt die Gesamtheit der westlichen Vorstellung vom Orient als einen Diskurs und eine Alteritätspraxis vor, die der Beherrschung des Orient dient.“ In seinen eigenen Worten: „Der Orientalismus ist ein westlicher Stil der Herrschaft, Umstrukturierung und des Autoritätsbesitz über den Orient.“[38] Der „Orient“ wird somit zu einer Projektionsfläche westlicher Vorstellungen über die Länder östlich von Europa und ihre Sitten.[39]  Dabei wird dieser zu einem „geopolitische[n] Begriff (die Erde ist rund und ein Land liegt immer im Osten eines anderen), der durch die ‚wir/sie’ Trennlinie, die zwischen Europa und dem Orient gezogen wurde, die ‚Umsetzung politischer Differenzen in quasi naturgemäße Grenzen’ ermöglichte und den ‚Orient’ gleichsam als geographischen Begriff erscheinen lässt.“[40]

 

Das folgende Kapitel will das Konstrukt „Orient“, wie es von Edward Said beschrieben und von späteren Wissenschaftsgenerationen wahrgenommen wurde, darstellen. Grundlage einer solchen Konstruktion sind zwei aufeinander aufbauende Dinge: Einmal die Begegnung zwischen Kulturen und darüber hinaus ein hegemoniales Verständnis dieser Begegnung. „Jeder Kontakt zwischen Kulturen führt unweigerlich zur Ausformung von Vorstellungen und Bildern vom jeweils ‚anderen’. Bilder, die nicht zuletzt strukturiert werden von der Art des Kontaktes.“[41] Der Orient, das Morgenland, der Nahe und der Mittlere Osten – all dies sind konstruierte Orte und somit im eigentlichen geographischen Sinne „Nicht-Orte“, denn sie sind nur im Geiste präsent und werden auch nur durch diesen zu einer realen Entität.

 

Worin liegen die tieferen Gründe einer solchen Konstruktion? In sämtlichen wissensbildenden Bereichen des menschlichen Lebens wird mit Kategorisierungen gearbeitet. Dies ist von entscheidender Bedeutung und Wichtigkeit, denn diese Kategorien geben uns die Möglichkeit der Orientierung in einer Welt mit extrem hoher Informationsdichte. Da jeder Mensch mit dieser Methode seine Umwelt wahrnimmt und einteilt, entstehen subjektive Wahrheiten, sogenannte „Konstrukte“.[42] Sybille Bauriedl resümiert somit auch knapp: „Die dabei entstehenden Konstrukte sind zur Orientierung in einer Umwelt der Überinformation nötig.“[43] Das Wissen über unsere Welt ist also ein Ergebnis der Erforschung der Welt bzw. der Wirklichkeit durch den Menschen selbst.

 

„Von dieser Wirklichkeit nimmt der gesunde Menschenverstand an, dass sie gefunden werden kann. Das vermeintlich Gefundene ist aber ein Erfundenes, dessen Erfinder sich des Aktes ihrer/seiner Erfindung nicht bewusst ist. Es wird davon ausgegangen etwas von sich selbst unabhängiges entdeckt zu haben und dies wird zur Grundlage des Wissens und so auch des Handelns gemacht.“[44]

 

Die Konstruktion der Wirklichkeit durch den Menschen – wie man es in Anlehnung an Peter Berger und Thomas Luckmann formulieren kann – ist also per se nicht negativ, sondern sogar notwendig, damit der Mensch sich in seiner Umwelt orientieren kann. Zum Problem werden die Konstrukte erst, wenn sie sich von der Realität allzu weit entfernen und diese nicht mehr angemessen repräsentiert, d.h. auch nicht mehr kategorisiert. Sybille Bauriedl kommt zu folgender Schlussfolgerung:

 

„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wissenschaftliche, gesellschaftliche und individuelle Wirklichkeiten dadurch erfunden (konstruiert) werden, dass wir an die vermeintlich objektiv bestehende Wirklichkeit immer mit gewissen Grundannahmen herangehen, die wir für bereits feststehende, ‚objektive’ Aspekte der Wirklichkeit halten, während sie nur die Folgen der Art und Weise sind, in der wir nach der Wirklichkeit suchen.“[45]

 

Der Mensch macht sich also Vorstellungen von seiner Umwelt, da die Realität zu komplex ist, als das man alle Informationen verarbeiten könnte. Aus diesem Grund trennt er nach einem subjektiven Maßstab Wichtiges vom Unwichtigen und konstruiert somit eine ebenfalls subjektive Wirklichkeit, die für ihn einen Sinn ergibt. Dieser Sinn konstituiert sich jedoch erst (d.h. er wird erst sinnvoll) in einem sozialen Beziehungsgefüge, welches den Mensch mit anderen Menschen verbindet. Der Mensch strebt dabei nach einer „sozialen Identität“, d.h. er möchte sich in seiner subjektiven Konstruktion der Wirklichkeit anderen, von ihm bevorzugten sozialen Wesen gleichmachen.[46] Indem er in einer Welt der Identitätssuche Kategorien zur Wahrnehmung der Welt schafft, kreiert er auch Vorurteile, Stereotypen und in besonders scharfer Ausprägung Feindbilder gegenüber anderen sozialen Wesen oder Entitäten. Die Konstruktion solcher Vorurteile und Feindbilder ist also ein gesellschaftsprägender Aspekt, der mit der sogenannten ingroup-outgroup-Hypothese erklärt werden kann: Die Existenz eine „Wir-Gruppe“ (die ingroup) wird erst durch das Vorhandensein einer Außengruppe (der outgroup) möglich, von der man sich abgrenzen kann. Die prinzipiell verfügbaren Informationen über die Außengruppe werden dabei soweit reduziert, dass die entstehenden Kategorien die Wirklichkeit nicht mehr angemessen repräsentieren und es zur Bildung von Vorurteilen und Feindbildern kommt.[47] Der basale Modus einer eignen Identitätsbildung wird damit also die Abgrenzung gegenüber einem „Anderen“ – also eine gelebte Praxis der Alterität – und die soziale Konstruktion von Fremdheit.[48]

 

Bereits festgehalten wurde, dass mit den Vorurteilen die Konstruktion der Wirklichkeit sich von der Realität entfernt. Es entstehen aus dem ingroup-outgroup-Denken die Kategorien des „Eigenen“ und des „Fremden“.[49] Mit dem Begriff „Fremdheit“ kann das Unverständnis der Wir-Gruppe gegenüber der Außengruppe sinnvoll beschrieben werden. Das konstituierende Element von Fremdheit ist also eine Unvertrautheit mit dem Fremden, welche die Erfahrung mit eben diesem negativ beeinflusst. Das „Ich“ (also die Wir-Gruppe) versteht nicht, weil es unvertraut ist, was das „Andere“ (die Außengruppe) ihm mitteilen möchte bzw. auch nicht, wie das „Andere“ etwas mitteilen möchte – die Folge: Unverständnis. Das „Andere“ wird also zum „Fremden“, da das „Ich“ nicht versteht wie und was es mitteilt. Es findet demnach keine Kommunikation in der Sach- und Sozialdimension statt.[50]

 

Grundlegender Modus der Konstruktion von Fremdheit sind die Handlungsschemata von Inklusion und Exklusion. Im Zusammenhang mit diesen Modi steht die Identifizierung des Fremden als „fremd“. Denn der Rede über die Fremdheit liegt stets eine konkrete Zurechnungsstruktur zugrunde – Fremd ist, wer als „fremd“ bezeichnet wird. Insofern sind Fremde stets konstruiert und Fremdheit selbst immer nur eine Konstruktion.[51]

 

„Ist die Konstruktion von Fremden beobachtbar, dann schließt das zumeist eine asymmetrische Struktur ein, in der die Definitionsmacht nicht nur einseitig verteilt ist, sondern mitunter auch mit dem Anspruch auf Überlegenheit und Höherwertigkeit verbunden wird. Damit hängt wiederum zusammen, dass Asymmetrien bei der Konstruktion von Fremdheit häufig den Effekt haben, durch Ab- und Ausgrenzung andere Selbstbestimmungen zu bewerkstelligen: Identität durch Differenz, weshalb Hahn auch von der paradoxen Funktion der Fremden spricht, ‚dass sie Selbstidentifikation gestatten’. So zwingt die Erfahrung der Unvertrautheit dazu, sich über die eigene Art der Vertrautheit klar zu werden.“[52]

 

Die Binarität in der Konstruktion des Anderen, Fremden kommt nun deutlich zum tragen. Kehrt man zu den Beobachtungen von Sybille Bauriedl im Bezug auf die Vorurteile und Feindbilder zurück und integriert in diese in die Untersuchung von Kai-Uwe Hellmann, kann man folgendes feststellen: Die Konstruktion von Fremdheit kann durchaus etwas willkürliches haben, wenn nämlich die Erfahrung mit eben diesem Anderen auf einem minimalen Kenntnisstand beruht und so einer gesicherten Grundlage entbehrt. Das Ergebnis sind Vorurteile und Stereotypen.[53]

 

Diese methodische Gerüst ist nun auf den Kulturkontakt zwischen dem Westen und den Orient[54] anwendbar. Nach Isolde Kurz ist die arabisch-islamische Welt ein der bevorzugtes Gegenüber für den Westen, da sie einmal direkter Nachbar ist und zum anderen durch die Zeiten hindurch immer wieder politischer Rivale am Mittelmeer war.[55] In der Konzeption Edward Saids hat man nun davon auszugehen, dass der Kulturkontakt zwischen dem Orient und seinem westlichen Pendant – dem Okzident – ein gestörter ist, denn der europäischen Beschäftigung mit dem Orient liegen Vorannahmen zugrunde, „die den...

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