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Der Ratingprozess: Eine Untersuchung der von Ratingagenturen durchgeführten Bontitätsbewertungen

AutorBenjamin Krätzig
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl131 Seiten
ISBN9783656369332
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich BWL - Controlling, Note: 1,7, Universität Bielefeld, Sprache: Deutsch, Abstract: Gerade in der heutigen Zeit besitzen Ratingagenturen teilweise einen schlechten Ruf, welcher insbesondere seit Beginn der Finanzkrise 2007 stark gelitten hat. Damals hatten die großen drei Ratingagenturen Standard & Poor´s (S&P), Moody´s Investors Services (Moody´s) und Fitch Ratings (Fitch) hypothekenbesicherte Wertpapiere (sog. CDOs) vielfach zu optimistisch bewertet und damit die Finanz- und spätere Wirtschaftskrise mit zu verantworten. Heutzutage stehen sie in der Kritik, weil sie europäische Staaten reihenweise abwerten und sich diese infolgedessen nur noch teuer refinanzieren können. Dieser Umstand trägt seinen Teil dazu bei, dass einige Staaten immer höhere Schulden anhäufen und infolgedessen an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Zudem wird den Ratingagenturen vorgeworfen, sich europafeindlich zu verhalten und eher im Sinne der USA zu agieren. Es stellt sich also die Frage, nach welchen Gesichtspunkten ein Rating vergeben wird. Welche Komponenten spielen bei der Bewertung von Unternehmen, Unternehmensanleihen und Staaten eine Rolle? Wie kommen solche Bewertungen zustande? Welche Bewertungsmethoden werden dabei verwendet? Agieren Ratingagenturen tatsächlich autonom und objektiv oder werden sie durch irgendwelche Faktoren in ihrer Bewertung beeinflusst? Solche und ähnliche Fragen sollen im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden mit dem Ziel, den Prozess der Bonitätsbewertung zu durchleuchten und darzulegen, wie ein Ratingurteil letztlich zustande kommt.

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Leseprobe

3.Der externe Bewertungsprozess bei Ratingagenturen


 

In diesem Kapitel wird der Prozess eines externen Ratings durch Agenturen untersucht. Dabei werden insbesondere die Kriterien analysiert, welche bei der Bonitätsbewertung eine entscheidende Rolle spielen. Da sich Aufbau und Ablauf der Ratingprozesse der großen drei Ratingagenturen S&P, Moody's und Fitch nicht wesentlich voneinander unterscheiden und somit die Grundstrukturen der Analyseansätze weitgehend identisch sind, [100]wird in der vorliegenden Arbeit eine einheitliche Darstellung vorgenommen, bei der bedeutende Unterschiede an entsprechender Stelle hervor gehoben werden.

 

3.1 Überblick über den Ablauf des externen Ratingprozesses


 

In Abbildung 8 ist der Ratingprozesses eines beantragten Erstratings schematisch dargestellt, der im Folgenden erläutert wird.[101] Nachdem die Ratingagentur zunächst den Auftrag erhält, finden informelle Vorgespräche zwischen der Agentur und dem beauftragenden Unternehmen statt. In dem Gespräch erhält die Unternehmensleitung zunächst die Gelegenheit das Unternehmen vorzustellen, sowie seine Strategien, Planungen und Einschätzungen über die zukünftige finanzielle und operative Entwicklung darzulegen. [102]Daraufhin stellt die Agentur zunächst ihren Ratingprozess und die Methoden vor und legt darüber hinaus einen klaren Rahmen fest, in wie weit das Unternehmen interne Informationen über die finanzielle und operative Situation, über die Managementqualitäten und -erfahrungen, über den Industriesektor, in welchem das jeweilige Unternehmen tätig ist, etc. offen legen muss. [103]Kommen die Agentur und das Unternehmen zu einer Einigung, infolgedessen die Agentur das Rating annimmt, so wird zunächst intern das zuständige Analystenteam bestimmt[104] Dieses beschafft die für die Ratinganalyse notwendigen Informationen über das zu bewertende Unternehmen. Das beinhaltet bspw. Jahres- und Konzernabschlüsse der letzten fünf Geschäftsjahre, Planungsunterlagen und Wirtschaftsprüferberichte, ebenso wie Emissionsprospekte und weitere Daten aus externen und internen Informationsquellen[105]

 

 

Abbildung 8: Überblick über den Ablauf eines externen Ratingprozesses[106]

 

Bei der Durchführung der Ratinganalyse werden zunächst die Ratingkriterien in Bezug auf Länder-, Branchen- und Unternehmensrisiken in einem Top-Down-Verfahren untersucht (siehe dazu Kapitel 3.2). Dabei wird für das zu beurteilende Unternehmen eine Gruppe vergleichbarer Wettbewerber bestimmt (Peer Group), anhand welcher mittels der vom Unternehmen in einem Ratinghandbuch zur Verfügung gestellten Finanz-, Planungs-, Wettbewerbs- und Brancheninformationen ein Peer-Group-Vergleich durchgeführt wird.[107] Anhand dessen nimmt S&P z.B. eine vorläufige Gesamtbeurteilung des Unternehmens vor[108], welche als Grundlage für ein weiteres Managementgespräch dient, in dem die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und offene Fragen geklärt werden. Im Anschluss daran analysieren die Analysten das Unterneh men noch detaillierter mit den nun neu gewonnenen Erkenntnissen aus dem Gespräch und weiteren zur Verfügung gestellten Informationen.[109] Es wird ein Ratingbericht erstellt, der schlussendlich auch einen Vorschlag für ein Ratingergebnis und einen Ausblick beinhaltet,[110] und an das beurteilte Unternehmen versendet, damit dieses Korrekturen vornehmen oder zu vertrauliche Informationen entfernen kann[111] Jedoch birgt dies die Gefahr, dass das beurteilte Unternehmen die Ratingagentur in ihrem Ergebnis beeinflusst, da es mit einem Abbruch der Geschäftsbeziehung drohen kann, falls gewisse negative Informationen nicht aus dem Bericht entfernt werden.[112] Der Ratingbericht inklusive dem Ergebnis wird dem Ratingkomitee[113] vorgelegt, welches die endgültige Entscheidung über das Ergebnis des Ratings fällt.[114]

 

Nachdem die endgültige Ratingentscheidung gefallen ist, wird diese dem Management des beurteilten Unternehmens vor der Veröffentlichung mitgeteilt.[115] Sowohl gegen das Ratingurteil als auch gegen dessen Veröffentlichung kann das beurteilte Unternehmen Einspruch erheben, um damit im Urteil enthaltene falsch interpretierte oder übermittelte Informationen zu korrigieren oder vertrauliche Informationen zu entfernen.[116] Akzeptiert das Management des beurteilten Unternehmens das Rating, so wird es über die Presse am Kapitalmarkt und das Internet veröffentlicht.[117] Das beurteilte Unternehmen wird nach Abschluss des erstmaligen Ratings nun fortwährend überwacht und das Rating bei einer einschneidenden Änderung der Unternehmenssituation angepasst. Mehr dazu in Kapitel 3.4.

 

3.2 Die Ratingkriterien


 

Um zu einem adäquaten Ratingurteil zu gelangen, ist es im Rahmen der Ratinganalyse von grundlegender Bedeutung, das Bonitätsrisiko eines Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen zu bewerten. Ein zentraler Bestandteil dessen sind die geschätzten zukünftigen Cashflows im Verhältnis zum erwarteten Schuldenstand. .[118] Als Grundlage bedarf es dazu zunächst einer umfassenden Analyse des gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Umfeldes sowie unternehmensbezogener Faktoren [119]  Dabei ist es unabdingbar, aus der Vielzahl möglicher Einflussfaktoren die tatsächlich relevanten zu erkennen, auszuwählen und adäquat zu analysieren, um unübersichtliche Datenmengen zu vermeiden. Das Problem dabei ist, dass sich die bonitätsbeeinflussenden Faktoren im Zeitablauf verändern und von dem einen zum anderen Unternehmen unterschiedliche Wirkungen hervorrufen können. [120]  Aufgrund dessen besteht für die Ratingagentur stets eine gewisse Unsicherheit darüber, ob alle relevanten Faktoren berücksichtigt sind. Ist dies jedoch der Fall, so offenbart sich ein weiteres Problem: die sinnvolle Gewichtung der berücksichtigten Faktoren und deren Merkmale, um zu einem adäquaten Ratingurteil zu gelangen.

 

Aufgrund des Prognosecharakters von Ratings nehmen insbesondere zukunftsbezogene Informationen eine bedeutende Stellung in der Ratinganalyse ein. [121] Sie sind häufig aus qualitativen Faktoren zu entnehmen, da diese früh auf Risiken und kritische Entwicklungen hindeuten, welche bis dato noch nicht aus den vergangenheitsorientierten Rechenwerken des Unternehmens abgeleitet werden können.[122]

 

Im Folgenden werden die bedeutendsten Ratingkriterien erläutert. Es ist an dieser Stelle auszuschließen, dass sämtliche Kriterien und deren Verknüpfungen zu einem Ratingurteil dargestellt werden. Beides ist aufgrund der Vielfältigkeit und der stetigen Veränderung der Kriterien infolge ökonomischer und rechtlicher Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf Märkte und Unternehmen nicht möglich. [123]  Zudem werden die Verknüpfungen der Kriterien zu einem Ratingergebnis von den Ratingagenturen größtenteils als Betriebsgeheimnis betrachtet, [124] infolgedessen lediglich die zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigt und beurteilt werden können.

 

3.2.1 Länderrisiko


 

Das Länderrisiko stellt den Ausgangspunkt der in einem Top-Down-Verfahren durchgeführten Ratinganalyse dar, welches die politischen und wirtschaftlichen Gefahren des Sitzlandes wiederspiegelt. .[125] Die Länderanalyse und das damit verbundene Risiko werden normalerweise im Rahmen eines Länderratings durch spezielle Analystenteams untersucht und somit unabhängig vom Unternehmensrating beurteilt[126]  Zu den wichtigsten Analysebereichen eines Länderratings gehören bspw. Kriegs- und Putschgefahren, das Risiko von Enteignungen, das Rechtsund Steuersystem, die Infrastruktur (insbesondere die Wasserversorgung, Elektrizitätskosten sowie Preis und Verfügbarkeit von Öl und Gas), Rohstoffvorkommen, sowie die Wachstumsaussichten der Volkswirtschaft, die Währungsstabilität, Zölle und Zinsentwicklung, die Inflationsgefahr, ebenso wie das Banken- und Kapitalmarktsystem, Arbeitsmarktbedingungen und -anreize sowie Rechnungslegungs- und Publizitätsregeln. [127] Im Rahmen der Analyse werden die Auswirkungen dieser Faktoren und die damit verbundenen Risiken des Sitzlandes auf das jeweilige Unternehmen untersucht. Dabei gilt normalerweise das Prinzip, dass das Rating des Sitzlandes die Ratingobergrenze für das Unternehmensrating darstellt (Sovereign Ceiling). [128]  Nur in Ausnahmefällen, wenn es sich bei dem beurteilten Unternehmen um ein besonders starkes und solventes Unternehmen handelt, welches entweder stark exportorientiert ist, dessen Produktionsstätten sich im Ausland befinden oder das ein im Ausland sitzendes Mutterunternehmen oder einen strategische Partner hat, welcher im Notfall dem inländischen beurteilten Unternehmen finanzielle Unterstützung gewährt, werden inländische Emittenten bzw. deren Emissionen mit einem besseren Rating als das Sitzland bedacht. [129]   Denn gerade in Krisenzeiten, in denen es zu staatlichen Zahlungsengpässen oder politischer Instabilität kommt, sind ebenso die inländischen privaten Unternehmen oftmals in ähnlichem Umfang von Zah lungsschwierigkeiten betroffen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Regierungen versuchen Devisenabflüsse durch Moratorien einzuschränken, um damit den Wertverlust der heimischen Währung zu unterbinden und die Auslandsschulden des Staates bedienen zu können.[130]...

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