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Der Schriftsteller als filmischer Protagonist im Zeitalter der Postmoderne

Eine Analyse ausgewählter Filme

AutorMarius Nobach
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl119 Seiten
ISBN9783640608362
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Filmwissenschaft, Note: 1,0, Universität zu Köln (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Magisterarbeit beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie Figuren, die den Beruf einer Schriftstellerin/eines Schriftstellers ausüben, in Spielfilmen dargestellt werden. Erstaunlicherweise gibt es unzählige Filme mit Schriftstellerprotagonisten, obwohl der wichtigste Teil der Arbeit des Schriftstellers in dessen Kopf stattfindet und nicht leicht in Bildern darzustellen ist, während das eigentliche Schreiben zwar gezeigt werden kann (und auch gezeigt werden sollte), durch seine Eintönigkeit aber nicht besonders dafür geeignet scheint, ein Kinopublikum für diese Tätigkeit zu interessieren. Der Schriftstellerbegriff wird häufig synonym mit dem des Autors gebraucht. Insbesondere seit dem 20. Jahrhundert werden verstärkt Theorien entwickelt, die den Autor und seine Intentionen nicht als bedeutsam für die Textinterpretation ansehen und z.T. völlig auf ihn verzichten wollen. Als besonders einflussreich hat sich die poststrukturalistische Autorkritik mit dem Schlagwort vom 'Tod des Autors' erwiesen. Die Magisterarbeit nimmt die beiden Texte von Roland Barthes und Michel Foucault, auf denen diese Theorie hauptsächlich beruht, unter die Lupe, um die postmoderne Vorstellung vom Autor als jemandem, der seine Texte nicht kontrollieren kann, zu zeigen. Die Magisterarbeit beschäftigt sich insbesondere mit vier ausgewählten Filmen aus dem Zeitalter der Postmoderne, die Schriftsteller als Hauptfiguren haben. Die Arbeit zeigt, dass die postmodernen Vorstellungen vom Autor auch das Bild des Schriftstellers im Film nachhaltig geprägt haben. PROVIDENCE (1977) macht den kreativen Entstehungsprozess eines literarischen Werks nachvollziehbar. Außerdem werden die Grenzen der schriftstellerischen Macht aufgezeigt. Die Romanadaption NAKED LUNCH (1991) entwirft das Bild eines Schriftstellers, der erst versucht, sich gegen seine Berufung zu wehren, jedoch eine Entwicklung durchmacht, die bewirkt, dass er schließlich seine Berufung nicht länger leugnet. BARTON FINK (1991) ist ein postmoderner Kommentar über die Arbeitsbedingungen von Drehbuchautoren im Hollywood der 1940er Jahre, der sowohl den Umgang mit Kreativen kritisiert als auch das Selbstbild des Autors als autonomem Künstler. SHAKESPEARE IN LOVE (1998) ist eines von zahlreichen Beispielen für eine filmische Schriftstellerbiografie, die ein für postmoderne Kunstwerke charakteristisches Spiel mit einem historischen Stoff betreibt und die Arbeitsweise von Schriftstellern Ende des 16. Jahrhunderts mit heute vergleicht.

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Leseprobe

1. Zu Konzeption und Aufbau der Arbeit


 

ATONEMENT, NOVEMBERKIND, LES POUPÉES RUSSES, REPRISE und STRANGER THAN FICTION sind nur einige Beispiele aus den letzten Jahren für die zahlreichen Filme, in denen der Protagonist ein Schriftsteller oder eine Schriftstellerin ist.[1] Dabei scheint auf den ersten Blick kaum etwas weniger kinotauglich zu sein als die Bemühungen eines Schriftstellers,[2] seine Erfahrungen, Beobachtungen und Ideen zu einem druckreifen literarischen Werk zu verarbeiten.[3] Schließlich findet der wichtigste Teil der Arbeit des Schriftstellers in dessen Kopf statt und ist nicht leicht in Bildern dar-zustellen, während das eigentliche Schreiben mit der Hand oder an Schreibmaschine oder Computer zwar gezeigt werden kann, durch seine Eintönigkeit aber nicht beson-ders dafür geeignet scheint, ein Kinopublikum für diese Tätigkeit zu interessieren.[4] Auch im Vergleich mit anderen Künstlern ist der Schriftsteller im Nachteil: Während bei Malern, Photographen, Komponisten und Musikern das Entstehen eines künstleri-schen Werks durch das Miterleben verschiedener Entstehungsphasen von der Inspira-tion bis hin zur Vollendung relativ leicht vom Zuschauer nachempfunden werden kann, reicht das Bild des arbeitenden Schriftstellers nicht aus, um den kreativen Akt nachvoll-ziehbar zu machen.[5] A. Mary Murphy bemerkt allerdings zu Recht, dass Filme, die einen Schriftsteller als Protagonisten wählen, einen Fehler begehen, wenn sie wegen der scheinbar fehlenden Dramatik des Schreibakts ganz auf dessen Abbildung verzichten. Schließlich sei es die Tatsache, dass er (berufsmäßig) schreibe, die den Schriftsteller von anderen Menschen abgrenze, weswegen der Schreibakt dem Zuschauer nicht vor-enthalten werden dürfe.[6] Wie Paul Arthur feststellt, versuchen Filme über Schriftsteller häufig durch das Vorführen eines Konflikts zwischen der ‚innerlichen’ Welt der Kreati-vität und bestimmten ‚äußerlichen’ Umständen, die sich positiv oder negativ auf den Schreibprozess auswirken, dem Zuschauer etwas vom geheimnisvollen künstlerischen Schöpfungsakt zu vermitteln.[7] Das hat laut Arthur zur Folge, dass bestimmte Motive in Schriftstellerfilmen immer wieder vorkommen, wie zum Beispiel Schreibblockaden und Ereignisse, die sich als Störfaktor für den Schreibprozess erweisen. Außerdem sei eine Szene, in der ein Schriftsteller vor einem Blatt Papier sitze und nach anfänglichem Zö-gern anfange, einen Gedanken niederzuschreiben – oft begleitet durch einen erklärenden Kommentar aus dem Off –, für diese Filme fast schon obligatorisch.[8]

 

Der Begriff des Schriftstellers wird im Literaturgeschäft häufig synonym mit dem des Autors, des Verfassers oder gelegentlich noch mit dem des Dichters verwendet. Zudem ist auch eine genauere Differenzierung dieser allgemeinen Bezeichnungen nach der bevorzugten literarischen Gattung in ‚Romanschriftsteller’, ‚Dramatiker’, ‚Lyriker’, ‚Krimiautor’ u.a. üblich. Aus diesem Grund erscheint es mir erforderlich, zu Beginn dieser Arbeit kurz darzulegen, warum ich mich im Arbeitstitel für den Begriff ‚Schrift-steller’ entschieden habe. Dieser Begriff betont meiner Ansicht nach eher den hand-werklichen Aspekt dieses Berufsstandes und umgeht damit zunächst einmal die in der Literaturwissenschaft rege geführten Diskussionen um die Bedeutung von Intentionen beim Verfassen von Literatur, Inspiration, geistige Schöpfungskraft und Genie. Inner-halb dieser Arbeit definiere ich den Schriftsteller daher als jemanden, dessen Beruf es ist, literarische Texte zu verfassen, die zur Publikation vorgesehen sind. Abgegrenzt werden muss dieser neutralere Begriff in erster Linie von dem des Autors. ‚Autor’ leitet sich von dem lateinischen Wort auctor ab, das einen ‚Urheber’ bezeichnet, dessen Wor-te Glaubwürdigkeit besitzen und ihm somit Autorität (abgeleitet von dem verwandten Wort auctoritas) sichern.[9] Martha Woodmansee folgend versteht man heutzutage unter einem Autor „den alleinigen Schöpfer einmaliger literarischer bzw. künstlerischer ‚Wer-ke’, deren Originalitätsstatus ihnen den Schutz durch das geistige Eigentumsrecht [...] zusichert.“[10] Die herausragende Bedeutung, die Autoren in der heutigen Gesellschaft zugeschrieben wird, ist allerdings geschichtlich gesehen erst seit relativ kurzer Zeit eta-bliert und in der Literaturwissenschaft keineswegs unumstritten. Ich werde daher im ers-ten Teil meiner Arbeit einen kurzen geschichtlichen Überblick über die sich wandeln-den Einschätzungen der Bedeutung des Autors für das Verständnis von Texten geben. Insbesondere seit dem 20. Jahrhundert werden wieder verstärkt Theorien entwickelt, die den Autor und seine Intentionen nicht als bedeutsam für die Textinterpretation ansehen und dabei zum Teil völlig auf ihn verzichten wollen. Als besonders einflussreich hat sich dabei die poststrukturalistische Autorkritik mit dem Schlagwort vom ‚Tod des Au-tors’ erwiesen. Aufgrund dessen werde ich die beiden zentralen Texte dieser Theorie-richtung, Roland Barthes’ Der Tod des Autors und Michel Foucaults Was ist ein Autor?, genauer betrachten und ihre Argumente gegen die Berücksichtigung von Autorintentio-nen anführen. Dabei werde ich zwar die berechtigte Kritik, die an der Polemik und der zum Teil widersprüchlichen Argumentation der beiden Aufsätze geübt worden ist, nicht verschweigen, innerhalb des Rahmens meiner Arbeit steht aber ihr enormer Einfluss auf die Vorstellung vom Autor und die Produktion und Rezeption von Kunstwerken, die mit dem Begriff der ‚Postmoderne’ verbunden werden, im Vordergrund.

 

Beim Versuch einer Definition der Postmoderne muss immer berücksichtigt werden, dass unter denen, die diesen Begriff anwenden, abweichende Meinungen über dessen Bedeutung bestehen. Weitestgehend Einigkeit besteht lediglich in der Auffassung, dass es sich um die kulturgeschichtliche Epoche nach der Moderne handele, die deren Erkenntnisskepsis radikalisiert, ihr elitäres Kunstverständnis aber zugunsten einer Til-gung des Unterschiedes zwischen ‚hoher’ und ‚niederer’ Kultur aufgegeben habe.[11] An-sonsten lässt sich mit Brian McHale konstatieren, dass es keine allgemein anerkannte ‚richtige’ Theorie der Postmoderne gibt, sondern im Einzelfall unter den vorhandenen Definitionen die jeweils passende ausgewählt werden muss.[12] In der heutigen Bedeu-tung taucht der Begriff der Postmoderne in der Literaturkritik erstmals Ende der 1950er Jahre auf. Seine anfänglich noch negative Belegung weicht in den 1960ern zunehmend einer positiven Sichtweise, in dem Maße, in dem die Moderne, zu der er in Opposition gesetzt wird, zunehmend als überlebt wahrgenommen wird.[13] Durch eine immer weitere Ausdehnung und Verallgemeinerung des Begriffs in den siebziger Jahren verliert er allerdings so sehr an Kontur, dass er in den 1980ern, als er auch in den alltäglichen Sprachgebrauch aufgenommen wird, immer mehr zum Schlagwort „für kurzlebige Mo-deerscheinungen oder bloßen Zeitgeschmack“[14] verkommt. Als Folge davon wird seit Anfang der neunziger Jahre vereinzelt auch schon das Ende der Postmoderne ausgerufen. Die begriffliche Unklarheit der Postmoderne kann jedoch nicht verdecken, dass zahlreiche Architekten, bildende Künstler, Schriftsteller und Filmemacher sich von dem einen oder anderen postmodernen Aspekt haben beeinflussen lassen. Aus diesem Grund halte ich es für legitim, wie im Titel meiner Arbeit von einem postmodernen ‚Zeitalter’ zu sprechen, dessen Anfänge mit dem Durchsetzen der Theorie der Postmo-derne in den späten Sechzigern verbunden werden können und das zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch andauert, weil postmoderne Themen weiterhin Einfluss auf die Kultur und die Produktion und Rezeption von Kunst haben. Die Bestimmung eines Kunstwerks als postmodern ist zwar in der Regel umstritten, dennoch lassen sich einige immer wie-der genannte Definitionskriterien für postmoderne Kunstwerke hervorheben, wie zum Beispiel Intertextualität, die wichtige Funktion von Ironie, Parodie und Pastiche sowie die Dekonstruktion traditioneller Formen.[15] Dabei hat sich der Film als die Kunstform erwiesen, in der postmoderne Einflüsse wahrscheinlich am offensichtlichsten auffindbar sind.[16] Von postmodernen Filmen wird erstmals in den 1980ern gesprochen, zu dieser Zeit noch vor allem bezogen auf Werke, die sich eher der Avantgarde zuordnen lassen. Die Idee des postmodernen Films setzt sich in Theorie und Praxis aber rasch durch und seit Ende der 1990er Jahre sind postmoderne Elemente auch im Mainstream-Kino im-mer öfter vertreten.[17]

 

Im Rahmen meiner Arbeit werde ich mich nun im Folgenden mit vier Filmen beschäftigen, die aus unterschiedlichen Gründen als postmodern oder zumindest als von postmodernen Theorien beeinflusst gelten können. Neben einer Untersuchung, wie diese Filme generell bei der Präsentation ihrer Schriftstellerprotagonisten vorgegangen sind, möchte ich in der Hauptsache an diesen speziellen Filmen zeigen, dass die post-modernen Vorstellungen vom Autor auch das Bild des Schriftstellers im Film nach-haltig geprägt haben.[18] In PROVIDENCE (F/CH 1977, R: Alain Resnais) steht ein tod-kranker Schriftsteller im Zentrum, der im Verlauf einer durchwachten Nacht versucht, die Grundkonturen eines Romans zu entwerfen, wobei er seine Familienmitglieder als Vorbilder für die Gestaltung der Figuren benutzt. Ich werde darauf...

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