Ertragsteuern
Duales System aus Einheits- und Vielheitsbetrachtung
Die früher vorherrschende theoretische Grundkonzeption der Besteuerung von Personengesellschaften war die vom Reichsfinanzhof entwickelte Bilanzbündeltheorie. Mit dieser beabsichtigte er eine steuerliche Gleichbehandlung der Gesellschafter einer Personengesellschaft mit einem Einzelunternehmer.[14] Nach der Bilanzbündeltheorie wurde die Personengesellschaft steuerlich als Zusammenschluss von Gesellschaftern angesehen, die jeweils einen eigenständigen Betrieb führen. Die Gesellschaftsbilanz setzte sich aus einem Bündel von Einzelbilanzen der Gesellschafter zusammen. Mit der Bilanzbündeltheorie wurde das Prinzip der Vielheit der Gesellschafter umgesetzt. Die Gesellschaft selbst wurde ertragsteuerlich als transparent bzw. als nicht existierend angesehen.[15] In den siebziger und achtziger Jahren wurde die Bilanzbündeltheorie allmählich aufgegeben.
Das derzeit herrschende Konzept der Besteuerung von Personengesellschaften folgt einer wechselseitigen Betrachtung von zwei verschiedenen Sichtweisen, der „Einheit der Gesellschaft“ und der „Vielheit der Gesellschafter“.[16] Bei dem Modell der „Einheit der Gesellschaft“ wird für die Besteuerung allein auf die Gesellschaft abgestellt. Diese entfaltet somit eine Abschirmwirkung gegenüber ihren Gesellschaftern, sodass das Konzept ihrer Besteuerung dem der Kapitalgesellschaften angenähert ist. Hiermit folgt das Steuerrecht der zivilrechtlichen Entwicklung, nach der der Personengesellschaft eine gewisse Selbständigkeit und Rechtssubjektivität zugestanden wird.[17] Im Gegensatz hierzu wird bei dem Modell der „Vielheit der Gesellschafter“ auf die Anteilseigner abgestellt. Dieser Durchgriff auf die Gesellschafter resultiert daraus, dass letztendlich nur der Gesellschafter Besteuerungssubjekt ist.[18]
Partielle Steuersubjekteigenschaft und Transparenzprinzip
Unter einem Steuersubjekt wird jemand verstanden, der eine Steuer schuldet.[19] Eine Personengesellschaft unterliegt nicht der Einkommensbesteuerung, da sie nicht von § 1 EStG oder §§ 1, 2 KStG erfasst wird.[20] Somit ist sie kein eigenständiges Steuersubjekt, sie ist einkommensteuerlich transparent.
Eine Personengesellschaft ist aber insoweit als Steuerrechtssubjekt anzusehen, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.[21] Die Personengesellschaft besitzt also beschränkte (partielle) Steuerrechtssubjektivität, da sie Subjekt der Gewinnerzielung und ?ermittlung sowie der Einkünftequalifikation ist.[22] Hiermit wird die Einheit der Personengesellschaft betont. Die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte werden den Anteilseignern anteilig als eigene Einkünfte zugerechnet.[23] Diese sind die Subjekte der Einkommensbesteuerung, soweit es sich bei ihnen um natürliche oder juristische Personen handelt.[24]
Die Einheit der Personengesellschaft muss allerdings hinter den Gedanken der Vielheit der Gesellschafter zurücktreten, wenn eine sachlich zutreffende Besteuerung der Anteilseigner ansonsten nicht möglich wäre.[25] In Einzelfällen wird also schon bei der Einkünftequalifikation über die Gesellschaft hinweg auf die Ebene der Gesellschafter abgestellt.[26]
Anerkennung von schuldrechtlichen Verträgen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter
Aufgrund der fehlenden Steuersubjekteigenschaft wurden Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nach der Bilanzbündeltheorie für steuerliche Zwecke negiert.[27] In dem Beispiel einer Darlehensgewährung handelte es sich um einen Geschäftsvorfall ohne Gewinnauswirkung. Der Vorgang schlug sich lediglich im Eigenkapital nieder.[28]
Aus der nunmehr anerkannten partiellen Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft folgt, dass Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern auch im Steuerrecht ihre Würdigung finden. Voraussetzung ist, dass diese zu Bedingungen abgeschlossen werden, die auch unter fremden Dritten üblich sind.[29] Erhält die Gesellschaft also ein Gesellschafterdarlehen, stellen die gewährten Zinsen Betriebsausgaben dar und mindern daher den Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft.
Einkünfte aus gewerblichen Mitunternehmerschaften
Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Einkommensteuer. Sie werden in den §§ 15 ? 17 EStG geregelt. Die Einkünfte eines Gesellschafters aus einer gewerblichen Mitunternehmerschaft sind in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG definiert.
Voraussetzungen für die Erzielung von Einkünften aus gewerblichen Mitunternehmerschaften
Voraussetzung für die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses oder einer vergleichbaren Rechtsgemeinschaft, Gewerblichkeit der Personengesellschaft und Mitunternehmereigenschaft der Gesellschafter.[30]
Das für § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG erforderliche Gesellschaftsverhältnis kann ausdrücklich durch eine offene Handelsgesellschaft oder durch eine Kommanditgesellschaft vorliegen. Als andere Gesellschaft kommen unter anderen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts[31] sowie die atypisch stille Gesellschaft, die Partenreederei, die Partnerschaftsgesellschaft, die europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung und die Erbengemeinschaft in Betracht.[32]
Weitere Voraussetzung ist die Gewerblichkeit der Personengesellschaft. Diese kann durch Verwirklichung verschiedener Tatbestände vorliegen. Im Einzelnen sind dies eine originär gewerbliche Betätigung nach § 15 Abs. 2 EStG, die Gewerblichkeit nach der Abfärbe- bzw. Infektionstheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG oder eine gewerbliche Prägung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.[33]
Die dritte Voraussetzung für das Erzielen von gewerblichen Einkünften aus einer Mitunternehmerschaft ist die Mitunternehmereigenschaft des einzelnen Gesellschafters. Der Begriff des Mitunternehmers ist nicht im Gesetz definiert, sondern wurde durch die Rechtsprechung entwickelt.[34] Für die Begründung der Mitunternehmereigenschaft ist grundsätzlich Gesellschafterstellung nötig. Allerdings ist auch wirtschaftliches Eigentum an einem Personengesellschaftsanteil ausreichend. In diesem Fall wird die Diskrepanz zwischen der zivilrechtlichen Gesellschafterstellung und der Mitunternehmerstellung durch § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO überbrückt.[35] Allerdings ist nicht jeder, der nach dem Zivilrecht Gesellschafter ist, auch Mitunternehmer.[36] Mitunternehmer ist, wer im Rahmen einer Personengesellschaft oder einer solchen wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.[37] Unter Mitunternehmerrisiko versteht man die gesellschaftsrechtliche Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens.[38] Dies sind regelmäßig die Beteiligung am Gewinn oder Verlust und an den stillen Reserven des Geschäftsvermögens einschließlich des Geschäftswerts.[39] Mitunternehmerinitiative entfaltet ein Anteilseigner, wenn er die Möglichkeit zur Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen hat. Die Befugnis hierzu kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus seiner Stellung als Geschäftsführer, Prokurist oder leitender Angestellter ergeben.[40] Mitunternehmerrisiko und -initiative müssen zwingend vorliegen. Ein Defizit an einem von beiden kann aber durch eine größere Ausprägung des jeweils anderen ausgeglichen werden.[41]
Gewinnanteil und Sondervergütungen – zweistufige Gewinnermittlung
Die gewerblichen Einkünfte von Mitunternehmern bestehen aus zwei Komponenten, welche durch ein zweistufiges System ermittelt werden. Auf der ersten Stufe wird der Gewinnanteil des Gesellschafters, auf der zweiten Stufe werden seine Sondervergütungen erfasst.
Der Gewinnanteil des Gesellschafters ist der ihm nach der Gewinnverteilungsabrede zustehende Anteil am Gesamtgewinn der Gesellschaft. Dieser wird durch Betriebsvermögensvergleich in der steuerrechtlichen Gesamthandsbilanz ermittelt. Diese enthält nur das Betriebsvermögen der Gesellschaft. Gegebenenfalls...