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E-Book

Die Kraft der Ermutigung

Grundlagen und Beispiele zur Hilfe und Selbsthilfe

AutorJürg Frick
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl392 Seiten
ISBN9783456757476
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Warum geben manche Menschen in schwierigen Lebenssituationen auf - während andere weiterkämpfen oder sogar über sich hinauswachsen? Liegt es daran, wie wir in unserer Kindheit und Jugend ermutigt oder vielleicht gerade entmutigt wurden? Der Psychologe Jürg Frick zeigt, wie sich diese Erfahrungen in unserem weiteren Leben als Grundhaltungen positiv oder negativ auswirken, wenn wir vor großen Herausforderungen stehen - und wie wir gezielt die Kraft der Ermutigung nutzen können, damit das Leben besser gelingen kann. Vier nützliche Fragebogen zur Selbst- und Fremdermutigung runden das Buch ab. Die 3. Auflage wurde aktualisiert und ergänzt, unter anderem mit der Unterscheidung zwischen Lob und Ermutigung, Hinweisen zu Chancen, Stolpersteinen und Grenzen beim Ermutigen im pädagogischen Bereich und Erkenntnissen aus der Empathie- und Kooperationsforschung.

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Leseprobe

2 Grundlagen: Menschenbild und Konzept der Ermutigung2


„Wer nicht genügend vertraut, wird kein Vertrauen finden.“

(Lao-tse)3

„In jedem von uns steckt sehr viel mehr, als er selber weiß.“

(Robert Jungk)4

„Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.“

(Johann Wolfgang von Goethe)5

„Wir brauchen aber weder Unterwürfigkeit noch den Geist des Aufruhrs, sondern schlichte Gutherzigkeit und ein allgemeines Wohlwollen gegenüber Menschen und neuen Ideen.“

(Bertrand Russell)6

„Ermutigung macht den Schwachen stärker, den Kranken gesünder, den Zweifelnden sicherer, den Ängstlichen mutiger.“

(Theo Schoenaker)7

„Die Menschen sind, was die Umstände aus ihnen machen, doch werden sie, was sie aus den Umständen machen.“

(Manès Sperber)8

Die grundlegende Bedeutung des Menschenbildes


Wer sich mit dem weiten Feld der Ermutigung beschäftigen möchte, kommt nicht darum herum, sich vorgängig mit der zentralen Frage des eigenen Menschenbildes auseinander zu setzen. Und gleich vorweg: Eine wesentliche Grundlage für Ermutigung ist ein positives Menschenbild. Ich werde deshalb zuerst auf diese Thematik näher eingehen, bevor ich dann zur Darstellung eines Konzeptes von Ermutigung überleite.

Ob wir Kinder und Jugendliche unterrichten, über Menschen forschen, sie beraten oder therapieren, sie diagnostizieren, ob wir als Vorgesetzte eine MitarbeiterInnen-Sitzung leiten, mit der Partnerin eine Diskussion über Ferienpläne führen, uns über Mitmenschen ärgern, mit anderen im Bus ins Gespräch kommen oder uns dort abweisend verhalten – immer gehen wir von bestimmten Vorstellungen über den oder die Menschen, d.h. von bestimmten Grundannahmen und Meinungen aus (Mutzeck 2002). Natürlich spielen dabei auch situative Einflüsse und momentane Stimmungen eine Rolle. Zusammenfassend lässt sich das auch als Menschenbild bezeichnen. Das Menschenbild beinhaltet also Auffassungen über die Natur des Menschen (gut, böse usw.), über seine Lebens- und Entwicklungsbedingungen, seine Motive und Antriebe, seine Stellung in der Natur und im Kosmos sowie in der Gesellschaft (vgl. Frick 1986). Es enthält Meinungen über die eigene Person, die anderen Menschen und die Zukunft. Diese Grundannahmen, Grundhaltungen oder Grundmeinungen – man könnte auch von einer Grundorientierung sprechen – sind vielen Menschen zumindest teilweise oder überhaupt nicht bewusst, und sie werden im Laufe der Lebensgeschichte, besonders in Kindheit und Jugendzeit gelernt, differenziert, ge- und verfestigt. Schließlich sind sie von entscheidender Bedeutung, weil sie uns in vielfältiger Art und Weise beeinflussen, lenken und leiten, wenn auch vielfach oder sogar meistens unbewusst. Das Menschenbild bestimmt also wesentlich die entsprechenden Grundhaltungen, von denen ich der Einfachheit halber einige verkürzt bzw. zugespitzt und beispielhaft als Gegensatzpaare einander gegenüberstelle – in der Realität sind es eher Tendenzen in die eine oder andere Richtung:

  • soziale Verbundenheit oder Feindseligkeit anderen gegenüber
  • Vertrauen zum Mitmenschen oder Misstrauen gegenüber den Menschen
  • Empfinden der Gleichwertigkeit oder Gefühl der Unter- oder Überlegenheit.

Das Menschenbild, das jeder Mensch in sich trägt, bildet die Grundlage des persönlichen, individuellen Lebensstils, der Ziele, Handlungen, Entscheide, Gefühle sowie der Verhaltensweisen und stellt somit mehr als einfach ein rein philosophisches Problem dar: Es entscheidet nämlich wesentlich mit, wie wir mit anderen Menschen, seien es SchülerInnen, dem Lebenspartner oder der Lebenspartnerin, BerufskollegInnen, Freunden, Nachbarn oder Fremden umgehen, aber auch, was wir ihnen an Fähigkeiten zugestehen, was wir von ihnen erwarten, was wir erhoffen oder befürchten. Dieses Menschenbild, das sich in Lebensstilsätzen wie „ich bin …“, „die Welt ist …“, „die anderen Menschen sind …“ äußert, drückt sich in relativ stabilen Beziehungsmustern aus und bildet schließlich die Leitlinien für das Denken, Fühlen und Verhalten eines Menschen.

Der folgende kurze Text von einem unbekannten Verfasser fängt eine Variante einer gelebten Erwartungshaltung – hier am Beispiel eines Hundes – treffend ein und lässt sich sehr gut auf das menschliche Leben übertragen:

Die fatale Erwartung

Ein Hund irrt in einem Raum herum,

in dem alle Wände Spiegel sind.

Überall sieht er Hunde.

Er wird wütend,

fletscht die Zähne und knurrt.

Alle Hunde in den Spiegeln fletschen ebenfalls

wütend die Zähne.

Der Hund erschrickt, fängt an im Kreis

herumzulaufen,

so lange, bis er schließlich

tot zusammenbricht.

Hätte er doch nur ein einziges Mal mit

dem Schwanz gewedelt.

Ob man in seinem tiefsten Inneren den Menschen allgemein beispielsweise als entwicklungsfähig, mit guten Anlagen ausgestattet oder von egoistischen Genen und dunklen Trieben beherrscht sieht, entscheidet maßgebend mit über die Haltung und das Verhalten anderen gegenüber, sei dies im privaten wie öffentlichen Leben, im Berufsalltag wie in der Freizeit. Wer etwa davon überzeugt ist, dass die Menschen im Allgemeinen unfreundlich sind und man ihnen deshalb nicht vertrauen kann, erzeugt so, ob er/sie es merkt oder nicht, negative Gefühle in sich – mit den entsprechenden Folgen. Der Spruch von Lao Tse9, wer nicht Vertrauen habe, dem werde man auch nicht vertrauen, variiert diese Erkenntnis.

In Tabelle 2-1 werden solche Menschenbilder auf einige Kernaussagen reduziert und vereinfacht sowie einige mögliche Folgen daraus abgeleitet.

Die Aussagen 1 bis 6 sind eher von einem positiven Menschenbild geprägt, die Aussagen 8 bis 13 hingegen basieren tendenziell auf negativen Annahmen über den Menschen, die Nummer 7 kann je nach Kontext der Aussage eher dem positiven (a) oder dem negativen (b) Menschenbild zugeordnet werden.

Aus einer historischen und gesellschaftlichen Perspektive möchte ich an dieser Stelle kurz einflechten, dass das klassische christliche Menschenbild von einem mit der Erbsünde belasteten Menschen ausgeht, während etwa die wirtschaftsliberale Auffassung die Konkurrenz, die Überbetonung des Individuums und die ausgeprägte Eigenverantwortung ins Zentrum stellt. Diese beiden Varianten von Menschenbildern sind aus meiner Sicht sowohl problematisch wie verhängnisvoll und werden deshalb hier nicht weiter verfolgt – das Gleiche gilt für postmoderne Konzeptionen, die sich u.a. durch Beliebigkeit im Sinn von anything goes „auszeichnen“.

Es geht hier nicht darum, ein naiv-positives Menschenbild zu postulieren, wonach alle Menschen lieb und gut seien und jeder und jede gleichsam von selbst alles erreichen kann, wenn er oder sie das nur will: Solche von esoterischen BestsellerautorInnen verkündete „Weisheiten“ (oder vielleicht treffender: Dummheiten) sind häufig nicht nur unhaltbar oder gelegentlich auch lächerlich, sondern manchmal auch höchst gefährlich, wie das etwa Scheich (1997) und Goldner (2000) anhand verschiedener tragischer Beispiele eindrücklich dokumentiert haben. Menschen, die „immerzu positiv denken, sind eine leichte Beute“ (Schmid 2005b, S. 108). Beispiele kann ich mir hier sparen. Zudem geht es auch nicht darum, gesellschaftliche Missstände und Ungerechtigkeiten, von denen es mehr als genug gibt, schönzureden oder mit einem positiven Mäntelchen zu kaschieren. Ein gesundes Misstrauen gegenüber Politikern und Wirtschaftsführern etwa, die den BürgerInnen Arbeitsplätze und Sicherheit versprechen, gleichzeitig aber Sozialdemontage am Staat, unverschämte Steuergeschenke für multinationale Konzerne oder Reiche und horrende Löhne für Kaderleute rechtfertigen, erweist sich als durchaus gesunde und notwendige Haltung und ist durchaus kompatibel mit einem guten Menschenbild. Ein positives Bild vom Menschen kann und muss mit einer kritischen Einstellung zu Organisationen und Institutionen einhergehen. Statt einfach blind an das Gute oder Positive zu glauben, ist es angemessener, immer auch kritische Fragen zu stellen. Es gilt hier die Handlung, die Funktion eines Menschen in einer Organisation und den Menschen als Individuum zu unterscheiden. Es gehört zu einem realistischen Menschenbild, dass man ein politisches Umfeld, Formen des Machtmissbrauchs usw. kritisch betrachtet, ohne deswegen den einzelnen Menschen abzulehnen oder zu verdammen. Selbstverständlich wäre es auch naiv und gefährlich, die Existenz von BetrügerInnen, EinbrecherInnen oder Dieben im Alltag auszublenden oder schwerwiegende akute Umweltgefahren und -bedrohungen oder fortwährende Umweltzerstörungen einfach zu negieren – oder von irgendeiner höheren Instanz (Gott, Partei, Führer) zu erwarten, dass die das schon irgendwie richten wird.

Mein Anliegen geht vielmehr dahin, Denkanstöße zum eigenen, persönlichen Menschenbild zu geben, weil die persönliche Lebensqualität – und die eigene Einflussnahme darauf – im engeren Lebensumfeld leichter in eine positive Richtung zu bewegen ist, als...

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