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Die veränderte Lehrerrolle im Lernfeldansatz

Umsetzungsstand und -schwierigkeiten an Berufsschulen

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl188 Seiten
ISBN9783656819820
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Didaktik - BWL, Wirtschaftspädagogik, Note: 2,0, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (BWP), Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit konzentriert sich auf die Umsetzung der Lehrerrolle im Lernfeldansatz, da eine erfolgreiche Implementation schließlich zum großen Teil in den Händen der Lehrkräfte liegt. Hierzu gab es bereits Untersuchungen, welche aber zumeist auf eine spezifische Fachrichtung, wie z. B. Politik ausgerichtet waren. Die vorliegende Untersuchung wird hingegen auf den Bereich Wirtschaft und Verwaltung ausgedehnt. Somit werden nicht nur die allgemeinbildenden, sondern auch berufsspezifische Fachgebiete beachtet, welche einen umfangreicheren Einblick in den Umsetzungsstand und dessen mögliche Probleme liefert. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit können für drei Zielgruppen relevant sein. Zum einen könnte es die Studierenden der Berufs- und Wirtschaftspädagogik mit dem Ziel Berufsschullehramt interessieren, denn sie werden voraussichtlich einmal diese neue Lehrerrolle übernehmen. Aber auch die Lehrenden an den Universitäten im Bereich der Berufs- und Wirtschaftspädagogik könnten von diesen Ergebnissen profitieren, weil sie die Ausbildung der Studierenden an der erforderlichen Lehrerrolle ausrichten sollten. Zum anderen könnten die Schulen an der aktuellen Lage der Umsetzung der Lehrerrolle im Lernfeldkonzept interessiert sein, um die Berufsausbildung an ihrer Schule stetig zu verbessern. Die Forschungsfragen dieser Arbeit lauten demnach wie folgt: Wie wird die Theorie der veränderten Lehrerrolle durch das Lernfeldkonzept in der Praxis im kaufmännisch ver-waltenden Bereich umgesetzt? Welche Schwierigkeiten stehen ihrer erfolgreichen Implementation im Unterricht und in der Schulorganisation entgegen? In der Arbeit wird zunächst in Kapitel 2.1 auf die Ursachen für den Paradigmenwechsel vom Fächerprinzip zum Lernfeldkonzept eingegangen. Anschließend wir die Fachsystematik und die Handlungssystematik näher erläutert. Außerdem wird in Kapital 2.3 das Lernfeldkonzept als neue Ausrichtung der Rahmenlehrpläne beschrieben, um dann im folgenden Kapitel die veränderte Lehrerrolle im Lernfeldansatz zu erörtern. Kern der Arbeit sind die leitfadengestützte Experteninterviews zur Überprüfung des Umsetzungsstandes der veränderten Lehrerrolle (Kapitel 3). Die wurden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Das Kapitel 4 stellt die Ergebnisse dar. Das 5. Kapitel bildet die Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Umsetzung des Lernfeldkonzeptes an Berufsschulen ab. Das Fazit und ein Ausblick runden diese Arbeit ab.

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Leseprobe

2 Paradigmenwechsel zum Lernfeldansatz


 

2.1 Ursachen für den Paradigmenwechsel vom Fächerprinzip zum Lernfeldkonzept


 

2.1.1 Entwicklung eines konstruktivistischen Lernverständnisses


 

Eine Ursache für den Paradigmenwechsel vom Fächerprinzip zum Lernfeldkonzept wird in der Entwicklung eines konstruktivistischen Lernverständnisses gefunden. Der verstärkte wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturwandel führte über die letzten 20 Jahre zu einer veränderten Sichtweise des Lernens (vgl. Tenberg 2006, S. 80). Durch zahlreiche technologische Fortschritte im Kommunikationsbereich wird fortwährend eine Flut an Informationen per Mausklick auf der ganzen Welt verfügbar gemacht. Potenzielle Nutzer müssen in der Lage sein, aus dieser Vielfalt eine sinnvolle Auswahl zu treffen, Informationen aus verschiedenen Quellen zu bewerten und zusammenzuführen (vgl. Mietzel 2007, S. 41). Hinzu kommen immer komplexere Probleme unserer Gesellschaft, wie z. B. neue unheilbare Krankheiten, Umweltverschmutzung und Verringerung fossiler Energievorräte, die sich bestenfalls durch kooperative Denkansätze bewältigen lassen (vgl. Mietzel 2007, S. 41). Durch diese Tendenzen zur Internationalisierung, Globalisierung und den Wandel zu einer Wissensgesellschaft haben sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer und somit auch an die Lerner verändert (vgl. Beckheuer 2001, S. 5).

 

„Zu den ‚Basics’, die in einer sich immer schneller veränderten Welt erforderlich sind, gehört nicht mehr einfach nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern vielmehr die Fähigkeit, kritisch zu denken und über wichtige Inhalte nachzudenken, und darüber hinaus die Fähigkeit und Motivation, das ganze Leben lang selbständig zu lernen“ (Lin et al. 1996, zitiert nach Mietzel 2007, S. 41 f.).

 

Entscheidende Grundlagen, die diesem Wandel Rechnung tragen, wurden durch die Entwicklung eines konstruktivistischen Lernverständnisses geschaffen (vgl. Mietzel 2007, S. 42). Um dieses näher zu erläutern, muss zunächst auf die Begrifflichkeit Konstruktivismus eingegangen werden. Beim Konstruktivismus handelt es sich um eine Erkenntnistheorie, also um die Theorie der Wissensentstehung über Dinge und Sachverhalte. Sie betont den individuellen aktiven Prozess bei der Generierung von Wissen (vgl. Riedl 2004, S. 44). Der Ausgangspunkt des Konstruktivismus’ ist der Zweifel an der Übereinstimmung von Wissen und Wirklichkeit. Aber es besteht keine einheitliche Definition von Konstruktivismus, denn es gibt viele unterschiedliche Betrachtungen, welche Bezug auf die verschiedensten Bereiche der Wissenschaft nehmen (vgl. Lindemann 2006, S. 13). So entwickelten Foerster und Glaserfeld aus der konstruktiven Psychologie Piagets den radikalen Konstruktivismus. In diesem Ansatz wird die Relativität der subjektiven Erkenntnis und ihrer Wirklichkeitskonstruktion überbetont. Zudem werden die Interaktionen von Subjekten in soziokulturellen Kontexten vernachlässigt (vgl. Reich 2006, S. 85 f.). Einen weiteren Ansatz stellt der methodische Konstruktivismus, auch als Erlanger Schule bekannt, dar. Hier wird der übertriebene Relativismus aus dem radikalen Konstruktivismus negiert, indem eine methodisch stringente Rekonstruktion unserer Lebenswelt angestrebt wird (vgl. Reich 2006, S. 86 f.). Der Anspruch, eine Fundierung sämtlicher Wissenschaften zu ermöglichen, ist jedoch kaum realisierbar (vgl. Thiel 2004, S. 452). Diese Beispiele finden aufgrund der genannten Kritiken in dieser Arbeit keine Anwendung, stattdessen wird im Folgenden der Konstruktivismus aus der didaktischen Perspektive aufgegriffen.

 

Der Entwicklung eines konstruktivistischen Lernverständnisses gingen unterschiedliche lerntheoretische Standpunkte voraus. Zunächst war die vorherrschende Didaktik vom Objektivismus geprägt (vgl. Riedl 2004, S. 41). Diese geht von der Existenz eines objektiv erfassbaren Wissen aus, welches durch Gegenstände und Inhalte systematisch abgebildet wird (vgl. Tenberg 2006, S. 80). Das bedeutet, dass unsere Welt durch Wissen vollständig, verlässlich und objektiv erfasst werden kann und für jeden Menschen gleich ist (vgl. Riedl 2004, S. 42). Hinzu kommt, dass nach diesem Ansatz unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen keinerlei Einfluss auf diese Welt nehmen, welche somit in sich stabil ist (Rebmann & Tenfelde 2008, S. 35). Eine Lerntheorie, die auf dem Objektivismus basiert, ist der Behaviorismus. Der Kerngedanke dieser Sichtweise ist, dass Lernen als eine Reiz-Reaktionsfunktion durch Konditionierung gesteuert werden kann (vgl. Klauser 2010, S. 70). Interne Lernprozesse bleiben unberücksichtigt, denn das Gehirn wird hier als Behälter (sog. „Black Box“) betrachtet, welcher mit Informationen gefüllt werden muss (vgl. Müller 2001, S. 5). Aus Sicht des Behaviorismus gibt es eine optimale Lernumgebung[3] für alle Schüler, in der die einzelnen Lernschritte mit zunehmender Komplexität abgebildet werden (vgl. Mietzel 2007, S. 40). Die Lehrkraft steht hierbei als Autorität, Fachspezialist und Wissensvermittler im Fokus des Lerngeschehens (vgl. Riedl 2004, S. 42). Der Lernerfolg wird anhand der Übereinstimmung von Input und Output bestimmt (vgl. Mietzel 2007, S. 40). Der behavioristische Ansatz überbetont körperliche Verhaltensweisen und übersieht die geistigen Prozesse. Lernen ist demnach rein rezeptiv und passiv, wodurch der Schwerpunkt auf der Wiedergabe von Lerninhalten liegt. Diese Lerninhalte werden für Prüfungen auswendig gelernt und anschließend vergessen. Durch fehlende Zusammenhänge und die Passivität der Schüler ist dieses Wissen nicht transferfähig, sondern „träge“ (vgl. Riedl 2004, S. 42). Diese Kritik wurde im Kognitivismus aufgegriffen. Im kognitivistischen Ansatz werden die Denk- und Verstehensprozesse innerhalb des Gehirns zum Hauptthema der Forschung, wobei die im Gehirn stattfindende Informationsverarbeitung mit den Prozessen innerhalb eines Computers verglichen wird (vgl. Müller 2001, S. 6). Im Gegensatz zum Behaviorismus wird hier der Lernende als Individuum angesehen, der äußere Reize aktiv und selbstständig verarbeitet (vgl. Riedl 2004, S. 43). Entscheidend für den Lernprozess sind hierbei die Erwartungen und das Vorwissen des Lernenden und die von ihm angewandten Lernstrategien (vgl. Mietzel 2007, S. 41). Auftauchende Fehler sind auf Störungen in der Kommunikation zurückzuführen. Der Kognitivismus betont das selbstständige und entdeckende Lernen, wodurch die Problemlösefähigkeit der Lernenden gefördert wird. Ein weiteres Ziel ist die Befähigung zur Metakognition, was das Bewusstsein über die eigenen kognitiven Prozesse und deren Bedingungen umfasst (vgl. Riedl 2004, S. 44). Am kognitiven Ansatz wird kritisiert, dass eine zu starke Ausrichtung auf geistige Verarbeitungsprozesse und somit eine Vernachlässigung körperlicher Verhaltensweisen vorliegt. Zudem werden durch objektivistisch geprägte Grundannahmen soziokulturelle Faktoren und situative Merkmale der Lernumgebungen ausgeklammert. Aus der Kritik am Objektivismus heraus wurde der Kognitivismus zum Konstruktivismus weiterentwickelt (vgl. Müller 2001, S. 6).

 

Wichtige Impulse für das heutige konstruktivistische Verständnis von Lehren und Lernen wurden durch drei Ansätze gegeben: der pragmatische Ansatz von Dewey, der psychologische Ansatz von Piaget und der psychologisch-soziokulturelle Ansatz von Wygotski. Alle drei Ansätze betonen die aktive Seite des Lernprozesses, in dem das Erlangen von Wissen immer mit der Vermittlung von Handlungen verknüpft ist. Zudem verweisen sie auf eine allgemeine Spannung zwischen Subjekt und Umwelt (vgl. Reich 2006, S. 73). Wygotzki und Piaget versuchen dazu Stufen der „lernenden Entwicklung“ zu rekonstruieren. Dewey ergänzt dieses Verständnis mit der Ansicht, dass Lernvorgänge als Handlungsvollzüge zu sehen sind (vgl. Reich 2006, S. 73 f.).

 

Aus diesen Ansätzen ergibt sich für das konstruktivistische Lernverständnis die Grundannahme, dass wir durch unsere individuelle Wahrnehmung der Realität diese nicht objektiv oder wahrheitsgemäß abbilden können. Jedes Subjekt entwirft lediglich ein eigenes Modell der Wirklichkeit, welches aufgrund interner Kriterien, wie z. B. bisherige Erfahrungen und Wahrnehmungen (vgl. Lindemann 2005, S. 13) und stets in einem sozialen Kontext, konstruiert wird (vgl. Rebmann & Tenfelde 2008, S. 35). Folglich ist der Wissenserwerb durch bloße Reproduktion wie im Behaviorismus nicht möglich (vgl. Konrad & Traub 1999, S. 65). Lernen ist ein aktiver, selbstgesteuerter, wahrnehmungsbedingter und somit individueller Prozess des Wissenserwerbs, welcher nicht von außen gesteuert oder instruiert werden, sondern lediglich durch Lernsituationen angeregt werden kann (vgl. Siebert 2003, S. 20). Demzufolge vermittelt der Lehrende nicht mehr länger das Wissen an die Lernenden, sondern ermöglicht Prozesse des selbstständigen Wissenserwerbs (vgl. Arnold 1993, S. 53). Die Didaktik des beruflichen Lehrens und Lernens wendet sich daher von Konzepten der Wissensvermittlung ab und geht hin zu Ansätzen zur Beförderung des Wissenserwerbs unter Berücksichtung von Gestaltungsprinzipien für Lernsituationen (vgl. Rebmann & Tenfelde 2008, S. 36).

 

Müller (2001, S. 18 ff.) hat hierzu folgende Empfehlungen zur Unterrichtsgestaltung aus konstruktivistischer Sicht zusammengestellt: Die Lehrkraft tritt im Unterricht eher als Anreger und Unterstützer von Lernprozessen auf, womit der Unterricht lernerorientiert wird....

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