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Die Zucker-Lüge

Wie das Lebensmittel-Kartell uns einredet, dass Essen krank macht

AutorDetlef Brendel, Sven-David Müller
VerlagLudwig
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641179670
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Keine Angst vor den Angstmachern
Unablässig werden alarmierende Studien über vermeintliche Gefahren von Lebensmitteln verbreitet: Mal macht Weizen dumm, mal ist Zucker tödlich. Doch wer entscheidet darüber, was gutes und was schlechtes Essen ist? Ein Kartell von Meinungsmachern behauptet, in genau dieser Frage die Wahrheit zu wissen. Ein Kartell, das uns erst verunsichert und sofort scheinbare Lösungen zur Hand hat. Gegen diese Profiteure der Angst setzen Detlef Brendel und Sven-David Müller den gesunden Menschenverstand und faktenreiche Hintergrundrecherchen. Die Strategien und Interessen der Angstmacher werden entlarvt und zugleich die Sicherheit der Verbraucher im Umgang mit Essen zurückgewonnen.

Detlef Brendel ist studierter Kommunikationsforscher. Er arbeitet heute als Wirtschaftspublizist und leitet eine Presseagentur. Mit seinem Buch Wirtschaft im Würgegriff hat er sich intensiv mit der Frage der Steuerung öffentlicher Meinungen und den Grenzen staatlicher Aufsicht beschäftigt.

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Leseprobe

Einleitung

Eigentlich ist alles ganz einfach. Der moderne Mensch hat eine breite Auswahl an Lebensmitteln, die alle seine körperlichen Bedürfnisse und Wünsche abdecken. Er kann sich abwechslungsreich und auch genussvoll ernähren und muss nur darauf achten, dass durch genügend Bewegung an der frischen Luft und möglichst wenig Stress und Umweltgifte ein Gleichgewicht entsteht, das seinem Körper und Geist guttut. Die nach wie vor steigende Lebenserwartung ist ein Indiz, dass dies dem Großteil der Bevölkerung auch gelingt. Die Ursachen dafür sind der medizinische Fortschritt mit immer besseren Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie. Auch die Vorsorge durch Prophylaxeprogramme spielt eine entscheidende Rolle in der Gesundheitsförderung, die schließlich die Lebenserwartung erhöht.

Doch Achtung! Das Böse lauert immer und überall. Unsere Nahrung ist voll von Gefahren, unkontrollierten Risiken, Krebserregern, Chemie, Zusatzstoffen, Konservierungsmitteln und heimlichen Killern. Zumindest propagieren das die Titelseiten von Illustrierten, Büchern und halbwissenschaftlichen Abhandlungen – oder die Lebensweisheiten von selbst ernannten Gesundheitsgurus.

Was kaum einer weiß: Hinter den meisten dieser Theorien, den einseitigen Auslegungen einzelner Studien oder der schlichten Verknüpfung voneinander abgeschriebener Binsenweisheiten steckt eine ganze Verunsicherungsindustrie, die wachsende Millionenumsätze mit Publikationen, Ratgebern, Lebensanleitungen, Seminaren, kostenpflichtigen Internetangeboten, Diäten und eigenen »gesunden« Lebensmitteln sowie Nahrungsergänzungsmitteln erzielt. Diese Industrie bedient sich nur zu gerne der Ängste verunsicherter Verbraucher, die nicht mehr wissen, was sie wirklich essen können und was nicht.

Jeder kennt das. Heute ist Fisch gut, morgen ist er schadstoffbelastet und schlecht und sollte vom Speiseplan verbannt werden. Ballaststoffe müssen sein – dann wieder »verschlacken« sie uns. Brot ist gefährlich, und die Weizenwampe droht. Und wenn schon Brot, dann nur zusammen mit Milch. Milch ist eigentlich für viele unverträglich, das Kalzium darin aber lebensnotwendig. Käse enthält viel Kalzium, hat jedoch zugleich gefährliche Bakterien. Bakterien braucht unsere Verdauung, aber besser sind die Bakterien aus Joghurt. Der allerdings hat angeblich zu viel Zucker und macht dick. So lässt sich die Kette beliebig und unendlich weiterspinnen.

Das Prinzip funktioniert hervorragend. Jede Theorie, jeder vermeintliche Beleg für ungesunde Lebensmittel muss nur in die Welt gesetzt werden, und schon finden sich Befürworter und Gegner. Die Medien greifen den Trend auf der Jagd nach neuen Geschichten begierig auf und spielen das Thema in die eine oder andere Richtung. Der Verbraucher will sich informieren und Gesundheitsgefahren schnell erkennen und ausschließen. Er greift bei diesen Storys und Ratgebern bereitwillig zu. Also verkaufen sich diese Geschichten und Expertenmeinungen sehr gut und werden folglich in immer neuen Varianten auf den Markt geworfen. Das ist nicht anders als bei Deutschland sucht den Superstar. Der Erfolg wird mit Sondersendungen ausgewalzt, Klone wie Rising Star und andere schöpfen weiteren Rahm ab.

In dem Buch mit dem reißerischen Titel Zucker – Der heimliche Killer heißt es: »Zu viel Zucker macht nicht nur dick, sondern auch krank.«1 Dagegen erklärt Professor Dr. Michael Vogt in Moderne Ernährungsmärchen: »Viele Studien zeigen sogar, dass Menschen mit eingeschränktem Zuckerkonsum eher zu Übergewicht neigen.«2 Was soll man nun glauben? In der Süddeutschen Zeitung wiederum hieß es am 17. September 2014: »Zuletzt haben große Studien gezeigt, dass jene Menschen am längsten leben, die leichtes bis mittleres Übergewicht aufweisen.« Führt also »zu viel Zucker« laut Buch eins zu Übergewicht und damit laut SZ zu einem längeren Leben? Oder führt Zucker laut Buch zwei zu weniger Übergewicht und damit zu einer kürzeren Lebenserwartung?

Die Gefahr liegt in der Glaubwürdigkeit. Je glaub-würdiger eine These erscheint, desto gefährlicher kann sie sein. Denn eine womöglich falsche Schlussfolgerung bekommt durch vermeintlich glaubwürdige Befürworter plötzlich eine Aura der Unfehlbarkeit. International etablierte Wissenschaftsmagazine wie Science oder Nature sind als Sprachrohre sehr beliebt. Sie suggerieren Unfehlbarkeit und klingen nach höchster wissenschaftlicher Reputation. Das stimmt sogar – wenn man sie mit wissenschaftlichem Hintergrundwissen liest. Die geschäftstüchtige Verunsicherungsindustrie greift sich jedoch aus diesen Publikationen vornehmlich die kontroversen Diskussionen und Meinungen heraus und verkürzt sie nicht selten zu schmissigen Schlagzeilen. Sie verbreitet gewagte Thesen, die vorgestellt werden, ohne gleichzeitig zu erklären, dass es zwei oder mehr Meinungen gibt oder dass die These generell noch diskutiert wird.

Bei einer solchen anfänglichen Glaubwürdigkeit sehen selbst ernannte Experten hierzulande besonders gerne und oft ihre Chance, sich selbst ins Spiel zu bringen. Sie greifen das Thema auf, geben dazu eine weitere Meinung ab und formulieren »Expertentipps«. Dies geschieht vor dem Hintergrund, die eigene Praxis mit neuen Patienten zu füllen oder Kunden für diverse Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen. Eigene Bücher sollen sich auch verkaufen. Kostenpflichtige Beratungsleistungen sollen abgerufen und hoffnungslos überteuerte Schlankmacher verkauft werden. Medien sollen dann das Thema transportieren oder den Experten gleich als regelmäßigen Kolumnisten verpflichten.

Die Glaubwürdigkeitsrallye gewinnt dadurch weiter an Fahrt. Organisationen, Vereine, Verbraucherschützer und andere auf Aktionismus angewiesene Organisationen (wer zahlende Mitglieder hat, muss diesen auch zeigen, dass man bei jedem kritischen Thema sofort aktiv ist) steigen auf die vermeintlich klare Beweiskette ein und werden damit selbst zum »Beweis« der Glaubwürdigkeit dieser Information. Die Information – das noch mal zur Erinnerung – kann hochseriös und richtig, aber auch wackelig und konstruiert sein.

Publikationen mit Krankmacherüberschriften verkaufen sich natürlich gut. Das fängt damit an, dass Journalisten gerne über Bücher mit »Horrortiteln« berichten, was den Verkauf weiter anheizt. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch im Journalismus gilt die Devise: Bad news are good news – also schlechte Botschaften sind gute Nachrichten. Demgegenüber sind Nachrichten, die tatsächlich gut sind, nicht so wichtig. Es interessiert einfach keinen Journalisten und kaum einen Leser, dass Margarine keine oder wenig gefährliche Transfettsäuren enthält oder Küchenkräuter nicht stark durch Pflanzenschutzmittel belastet sind. Wenn aber ein Päckchen Kresse in San Marino eine hohe Belastung aufweist, ist das sofort im Internet zu lesen, wenig später berichtet das Fernsehen darüber, und am nächsten Tag steht es in der Tageszeitung. Folge: Der Kresseverkauf bricht weltweit ein.

Wenn Schlaglichter aus der seriösen Wissenschaftspresse – vermeintliche Experten und NGOs (Mitarbeiter von Nicht-regierungsorganisationen werden oft automatisch als gute Menschen betrachtet) – allein nicht zur Verbreitung eines neuen Trends reichen, muss zusätzlich das stärkste Geschütz aufgefahren werden: Prominenz!

Prominente, die glaubwürdig sind, bringen uns jedes Produkt näher und zerstreuen die letzten Zweifel. Wenn der Promi Bedenken oder gar Angst hat, dann teilen wir seine Meinung gerne, egal was wirklich dahintersteht. So geschehen unter anderem bei Jürgen Klinsmann, der nach der Lektüre von Zucker – Der heimliche Killer ganz besorgt war und der Medienwelt dies auch bei allen möglichen Gelegenheiten mitgeteilt hat. Das war ein schöner Aufhänger für das Thema, angekurbelt von dem sympathischen »Botschafter« Klinsmann, der ja als Sportler und Trainer bei Ernährungsthemen sicher extrem kompetent sein muss. Aber ist er das wirklich? Vertrauen wir als aufgeklärte Mitteleuropäer Leuten mit wenig fachlicher Expertise mehr als seriösen Studien? Vertrauen wir ihnen mehr als unserem gesunden Menschenverstand? Man sollte im Hinterkopf behalten, dass Jürgen Klinsmann keine besondere Qualifikation im Bereich Ernährung hat. Gerade ausgewiesene Nicht-Experten sind allerdings häufig an der Verbreitung von Ernährungsbotschaften beteiligt. Besonders in Talkshows kommen die wortgewaltigen Nicht-Experten gut an. Wie kann es sein, dass Fernsehköche wissen, wie Übergewicht entsteht, oder Fitnesscoaches sich stundenlang in TV-Programmen zu ernährungsphysiologischen Problemstellungen äußern? Wieso laden die Fernsehmächtigen solche »Experten« ein, und warum glauben die Zuschauer deren Aussagen?

Dies lässt sich leicht erklären: Ernährungsthemen drehen sich immer wieder im Kreis. Auf der einen Seite gibt es Interessengruppen, die vermeintlich unabhängig erscheinen, und auf der anderen Seite stehen die Interessenvertreter, denen niemand glaubt, weil sie nicht NGO oder Jürgen Klinsmann sind, die nur ihre eigenen Interessen im Auge haben, ihre Öffentlichkeitswirksamkeit, ihr Geschäft. Diese beziehen sich praktischerweise immer gegenseitig aufeinander, wenn es dem Geschäft dient.

Aber was und wem sollen wir noch glauben? Und was können wir einfach unbeschwert genießen, weil es uns guttut? Was können wir essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?

In diesem Buch geht es um genau diese Spannungsfelder. Wir wollen Ihnen Hintergründe aufzeigen, die...

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