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Digital Naive. Der Digitale Wandel in Unternehmen aus der Sicht des soziologischen Neo-Institutionalismus

AutorAndreas Friedrich
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783668148918
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Unternehmen kommen nicht mehr umher sich selbst zum Digitalen Wandel und den Herausforderungen, die dieser mit sich bringt, zu positionieren. Stakeholder aus allen Bereichern erwarten eine klare Positionierung, obgleich die Erwartungen an konkrete Maßnahmen diffus bleiben. Wie kommt es, dass ein solcher Druck entsteht, welche Mechanismen haben dazu geführt und wie reagieren Unternehmen in ihrer Kommunikation auf den Digitalen Wandel? Diese Fragen und entsprechende Hintergründe werden anhand des soziologischen Neo-Institutionalismus erforscht und knapp zusammengefasst. Aus dem Inhalt: - Theorieansätze des Neo-Institutionalismus, - Das Konzept des digitalen Wandels, - Prozesse und Akteure der Institutionalisierung, - Empirische Untersuchung und qualitative Inhaltsanalyse.

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Leseprobe

2. Theoretische Grundlage: Der soziologische Neo-Institutionalismus


 

2.1. Verortung des soziologischen Neo-Institutionalismus


 

Der Neo-Institutionalismus gilt heute als einer der wichtigsten sozialwissenschaftlichen Ansätze und erfreut sich in der Wissenschaft steigender Beliebtheit (vgl. Senge, 2011, S. 11). Der soziologische Neo-Institutionalismus ist dabei allerdings nur eine der zahlreichen Ansätze, die die Bedeutung von Institutionen für das Handeln von Akteuren betonen[3]. Das Kapitel verortet den soziologischen Neo-Institutionalismus in Abgrenzung zu den ökonomischen Theorien der Organisationstheorie als sozialkonstruktivistische Theorie.

 

Auch außerhalb der Organisationstheorie findet sich das Konzept der Institution wieder. So beschreibt Foucault (vgl. 1978, S.119f.) im Rahmen seiner Diskursanalyse unter dem Begriff des Dispositivs eine institutionelle Grundannahme, auf der Handlungen wahrgenommen und bewertet werden.

 

Durkheim (vgl. 1984, S. 100ff.) definiert eine Institution in der Soziologie mit dem Begriff des sozialen Tatbestandes, der die Art des Handelns in institutionalisierten Bereichen zu einem bestimmten Grad festlegt, also auf den Einzelnen einen äußeren Zwang ausübt.

 

Einen weiter gefassten Begriff von Institutionen verfolgt Weber (vgl. 1984, S. 54f.), der Institutionen als eine Ordnung begreift, an der sich das soziale Handeln der Akteure orientiert. Ihre Legitimität erhält die Ordnung dadurch, dass sie von einem Großteil der Akteure akzeptiert wird. Weber geht es jedoch mehr als Durkheim um den Sinn, den die Institution erfüllt, denn davon abhängig sei die Geltungsmacht für Akteure.

 

Die Vorsilbe „Neo“ wird als Rückgriff des Neo-Institutionalismus auf die bereits zuvor formulierten Konzepte verstanden. Der Neo-Institutionalismus argumentiert jedoch, dass Strukturen und Aktivitäten von Organisationen nicht ohne die enge Verknüpfung mit gesellschaftlichen Strukturen erklärt werden können (vgl. Senge, 2011, S. 12).

 

Der Neo-Institutionalismus begreift Institutionen als Erwartungsstrukturen der Umwelt, in die Akteure eingebettet sind und die damit maßgeblich das Handeln von Akteuren beeinflusst (vgl. Walgenbach und Meyer, 2008, S.11). Auf der theoretischen Grundlage der Werke von Meyer und Rowan (1977) und DiMaggio und Powell (1983), die sich mit dem makroinstitutionalistischen Ansatz das Zusammenspiel von Organisation und Gesellschaft untersuchten, sowie der Arbeit von Zucker (1977), die die Wirkung von Institutionen auf der Ebene der Organisation betrachtete, folgte eine Reihe von praktischen Studien. Dabei ist der Theorieansatz des Neo-Institutionalismus mehr „effektive Forschungstechnologie“ (Hasse & Krücken, 1999, S. 51) als ein weitgreifendes Theoriekonstrukt.

 

Mit starkem Bezug auf das Werk von Berger und Luckmann, The Social Construction of Reality (1966), hat sich der soziologische Neo-Institutionalismus als sozialkonstruktivistischer Forschungsansatz schon früher angekündigt, wurde jedoch erst mit den Arbeiten von Meyer und Scott (1983) sowie Scott und Meyer (1994) als eigenständige Forschungsrichtung angesehen. An Bedeutung gewann die soziologische Betrachtungsweis durch Durkheim (1999), der die „Soziologie als die Wissenschaft von den Institutionen“ bezeichnete und Institutionen als „Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzte […] Verhaltensweisen“ charakterisierte (Durkheim, 1999, S.100, zitiert nach Senge, 2011, S. 82). Es folgten zahlreiche Forschungsarbeiten und Studien, zu denen im deutschen Raum vor allem Hasse und Krücken (1999) sowie Walgenbach (2000) einen wesentlichen Beitrag leisteten.

 

Berger und Luckmann (vgl. 2004, S. 55ff.) gehen insbesondere der Frage nach dem Prozess der Institutionalisierung nach und kommen zu dem Schluss, dass die Institution Ergebnis eines sozialkonstruktivistischen Prozesses ist, an dessen Anfang die Habitualisierung von Handlungen steht. Gewohnheiten lösen sich von den Akteuren, die sie etabliert haben und werden nach einer Weile als extern wahrgenommen. Sind Institutionen einmal gefestigt, werden sie nicht weiter hinterfragt. So bestimmen Institutionen als übergreifende Erwartungsstrukturen, welches Verhalten als angemessen gilt (vgl. Hasse & Krücken, 1999, S. 7).

 

Damit bildet der soziologische Neo-Institutionalismus einen klaren Gegensatz zu den dominanten ökonomischen Theorien der 1960er und 1970er Jahre, wie etwa dem Ressourcenabhängigkeitsgesetz (vgl. Pfeffer, Salancik, 2009) oder der Theorie der Transaktionskosten, basierend auf Coase (1937). In diesen Theorien war die Rationalität im Sinne der Ökonomie die alleinige Messlatte für die Bewertung von Handlungen von Organisationen und Akteuren. Neben der Betrachtung der marktstrukturellen Akteure im Sinne Porters Marktkräften (vgl. Porter 1998), rückte der soziologische Neo-Institutionalismus die institutionelle Umwelt und die Legitimität des unternehmerischen Handelns in Bezug auf diese in den Vordergrund (vgl. Süß, 2009, S. 50). Das rationale Management, das eine Organisation so formt, dass es mit einem optimalen Mitteleinsatz im Wettbewerb besteht, wich somit in den Erklärungsversuchen von vorgefundenen Organisationsstrukturen ein Stück weit den sozialen Zusammenhängen und Strukturen (siehe Kapitel 2.2.3), welche als nicht zu vernachlässigbare Größe auf die Handlungen von Akteuren wirkte und neben anderen Marktteilnehmern wesentlicher Teil der organisationalen Umwelt war (vgl. ebd., S. 50f.). Somit wurde die auf die ökonomische Umwelt beschränkte Sichtweise der Organisationstheorie um die Sichtweisen der neuen Institutionentheorie erweitert.

 

2.2. Theorieansatz und Grundbegriffe


 

2.2.1. Makroinstitutionalistischer Ansatz


 

Die Theorie des soziologischen Neo-Institutionalismus lässt sich auf verschiedene Ebenen einer Organisation anwenden. Während der mikroinstitutionalistische Ansatz der Frage nachgeht, wie sich Institutionen auf der Ebene einer Organisation bilden und auf die Akteure innerhalb einer Organisation wirken, beschäftigt sich der makroinstitutionalistische Ansatz mit dem Zusammenspiel von Organisationen und ihrer Umwelt auf gesellschaftlicher Ebene (vgl. Walgenbach, 2002, S. 342). Tendenziell schreibt der Makroinstitutionalismus Organisationen eine passive Rolle zu, die ihr Handeln den Vorstellungen ihrer Umwelt anpassen müssen, um Legitimität und Ressourcen zu erhalten (vgl. Süß, 2009, S. 52).

 

Für die vorliegende Arbeit sollen die institutionellen Erwartungsstrukturen auf mikroinstitutioneller Ebene keine Rolle spielen, da Unternehmen als Akteure in Bezug auf den digitalen Wandel im Fokus des Erkenntnisinteresses stehen.

 

2.2.2. Umwelt und organisationales Feld


 

In der Betrachtung der Zusammenhänge von Organisation und Umwelt geht der makroinstitutionelle Ansatz von einer Umwelt als Institution oder auch institutionellen Umwelt aus. Die institutionelle Umwelt ist von der technischen Umwelt, in denen Produkte sowie Dienstleistungen am Markt getauscht werden und die Entlohnung der Unternehmen über den rationalen Mitteleinsatz erfolgt, zu trennen (vgl. Walgenbach, 2002, S. 326). Jedoch sind Unternehmen sowohl von der technischen als auch der institutionellen Umwelt abhängig.

 

Organisationen sind folglich in einen institutionellen Kontext eingebettet, der Erwartungen an die Struktur und Verhalten von Organisationen stellt. Demnach sind diese Strukturen und Verhalten in Entstehung und Etablierung auch auf gesellschaftlich-institutionalisierte Erwartungen zurückzuführen (vgl. Sandhu, 2012, S. 84f.; Süß, 2009, S. 61).

 

Unter dem Begriff des organisationalen Feldes werden jene Organisationen subsummiert, die sich in ihrer institutionalisierten Umwelt gegenseitig beobachten und Einfluss aufeinander nehmen. Hier lassen sich Parallelen zum Stakeholder-Ansatz ziehen. Unter dem Begriff Stakeholder werden unter ökonomischen Aspekten die Organisationen gefasst, die einen Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens haben. Auch wenn die Schnittmenge der Akteure sehr groß sein dürfte, bezieht sich der Begriff des organisationalen Feldes hingegen auf Akteure, die für den Prozess der Legitimierung Ausschlag gebend sind (siehe Kapitel 2.2.4). Darunter fallen Zulieferer, Kunden und Endkonsumenten, regulierende Einrichtungen, Behörden oder Organisationen, die ein ähnliches Produkt oder ähnliche Dienstleistung am Markt anbieten (vgl. DiMaggio & Powell, 1983, S. 143).

 

Das organisationale Feld wird dabei in die drei Dimensionen der Regelungsdichte, Kontrolle und Strukturiertheit unterteilt. Dabei wird unter Regelungsdichte die Eindeutigkeit von Regelungen bzw. institutionelle Erwartungen der Umwelt im organisationalen Feld gefasst, die unterschiedlich deutlich sein können. Unter Kontrolle wird vor allem jene von staatlicher Seite verstanden, die mal stärker und mal schwächer ausfällt und somit die Grenzen für die Handlungsfreiheit der Akteure steckt. Die Strukturiertheit des organisationalen Feldes wird daran gemessen wie sehr sich Organisationen darüber im Klaren sind, dass sie sich und ihr Handeln in Bezug auf andere Akteure legitimieren müssen und wie intensiv dieser Austausch stattfindet. Die Strukturiertheit bestimmt den Grad der Ähnlichkeit, die...

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