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Entwicklung eines Handlungsleitfadens zur Umsetzung der Berufsausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern

AutorJan Stolzewski
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl139 Seiten
ISBN9783668008922
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Gesundheit - Public Health, Fachhochschule Münster (Institut für berufliche Lehrerbildung), Sprache: Deutsch, Abstract: Mit Inkrafttreten des neuen Berufsgesetzes für den Rettungsdienst im Jahre 2014 muss ein neues Curriculum für die nunmehr dreijährige Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern entwickelt werden. Eine besondere Herausforderung stellt die erstmalig in diesem Berufsfeld geforderte Handlungsorientierung der Ausbildung dar. Diese Arbeit befasst sich mit den verschiedenen Schritten der Curriculumentwicklung auf Ebene der Bildungspolitik, der Bildungsträger sowie auf der Schulebene. Dabei werden verschiedenste Ansätze, vorrangig aus dem Bereich der dualen Berufsausbildung und anderer Gesundheitsfachberufe, herangezogen. Davon ausgehend wird ein Handlungsleitfaden für die Umsetzung der theoretischen, handlungsorientierten Ausbildung von Notfallsanitätern entwickelt. Dieser Leitfaden kann sowohl im Rahmen curricularer Arbeit, als auch bei der Ausbildung von Lehrkräften in diesem Berufsfeld Verwendung finden.

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Leseprobe

2 Von der Fachsystematik zur Lernfelddidaktik


 

In diesem Abschnitt wird zunächst die veränderte berufspädagogische Zielsetzung umrissen, die in Abkehr von der traditionellen Fächerorientierung eine Organisation des Wissens entlang beruflicher Handlungen verfolgt. Im Ergebnis wird der Berufsschulunterricht in den dualen Ausbildungsberufen nach dem Lernfeldkonzept geplant und durchgeführt. Die wichtigsten Begriffe und Bestandteile des Lernfeldkonzeptes werden im Folgenden erläutert. Anschließend wird ausgehend von den Erfahrungen mit dem Lernfeldkonzept im Rahmen der KMK- Berufe ausgewählte Kritik an diesem Ansatz zusammengefasst. Zum Abschluss wird die Relevanz des Lernfeldkonzeptes für die Ausbildung von Notfallsanitätern erläutert.

 

2.1 Handlungsorientierter Unterricht


 

Bis zur Einführung des Lernfeldkonzeptes gliederte sich berufliche Bildung in Berufsschulen ähnlich wie an den allgemeinbildenden Schulen in Unterrichtsfächern. Diese Fächer unterschieden sich nach allgemeinbildenden- und berufsbildenden Fächern. Für den Bereich der berufsbildenden Fächer ergab sich innerhalb einer beruflichen Fachrichtung eine Aufteilung der meist komplexen beruflichen Wirklichkeit zugunsten einer deutlichen Trennung dieser Einzelfächer, die meist von unterschiedlichen Fachlehrern unterrichtet wurden. Der Unterricht war auf einen Lernzuwachs berufsbezogenen Fachwissens entlang der inneren Logik des jeweiligen Faches ausgerichtet. Folgt die Organisation von Wissen der Struktur eines Faches, findet der Begriff „Fachsystematik“ Verwendung. Selten wurden die Inhalte einzelner Fächer aufeinander abgestimmt. Entsprechend konnte der Unterricht an der Berufsschule sehr flexibel in Stundenplänen, die die zur Verfügung stehenden Schulstunden auf Fächer verteilten, organisiert werden. Wurden diese Fächer ihrer eigenen inneren Logik entsprechend von unterschiedlichen Lehrkräften vermittelt, so ergab sich für die Lernenden ein zusammenhangloses, theoretisches Konstrukt ohne unmittelbaren Praxisbezug. (Tenberg, 2006, S. 65) Besonders in den technischen- aber auch in den Gesundheitsfachberufen, wo „Facharbeit“ häufig in komplexen Handlungsabläufen stattfindet, ist eine Vermittlung beruflicher Inhalte unter Einbeziehung beruflicher Handlungen, nicht in der Logik der jeweiligen Fachdisziplinen, unumgänglich. Darüber hinaus muss berufliches Handlungswissen mitunter in Stresssituationen, und ohne vorherige Planungsmöglichkeiten abgerufen werden (Enke, 2013, S. 125). Um dieser Zergliederung beruflichen Wissens entgegenzuwirken, wird Unterricht in der beruflichen Bildung mittlerweile besonders im Bereich der traditionellen, dualen Berufsausbildung nach dem Lernfeldkonzept gestaltet. An die Stelle einer Organisation beruflichen Unterrichtes in Unterrichtsfächern ist eine Unterrichtsorganisation in Lernfeldern getreten, die sich aus beruflichen Handlungsfeldern konstituieren. Berufsbezogenes Wissen, das zuvor aufgeteilt in Fächer und in seiner fachsystematischen Gliederung vermittelt wurde, wird nun entlang beruflicher Handlungen organisiert. Dieser Wandel in der Organisation beruflichen Fachwissens von der Fachsystematik hin zu einer Handlungssystematik folgt einer veränderten berufspädagogischen Zielsetzung:

 

 Die Idee, berufliche Ausbildung an den zentralen Handlungen eines Zielberufes auszubilden, lässt sich entlang der Entstehungsgeschichte gezielter beruflicher Ausbildungen bis zur zünftischen Nachwuchsqualifizierung im Mittelalter zurückverfolgen. Spätestens seit den 1980er Jahren ist handlungsorientierter Unterricht Bestandteil der didaktischen Diskussion und vereint unterschiedliche Ansätze der Reformpädagogik und der kognitiven Handlungstheorien (z.B. Piaget, Aebli). Grundlegendes Prinzip ist hier unter anderem, dass Lernen sich in der Untrennbarkeit von „Kopf- und Handarbeit“, also durch „Begreifen“ des Lerngegenstandes vollzieht. Ergänzend tritt die psychologische Lerntheorie des Konstruktivismus hinzu, die Lernen als situativen Prozess des Konstruierens, Dekonstruierens und Rekonstruierens von Wirklichkeit beschreibt. (Eidam, 2005, S. 11) Czycholl und Ebner identifizieren für die Verwendung des Begriffes der Handlungsorientierung im Bereich der Didaktik beruflicher Bildung zwei nicht endgültig voneinander abgrenzbare Argumentationsstränge:

 

Zum einen wird der Begriff dort verwendet, wo es um die Begründung von Lernzielen[22] bzw. Strukturierungsgesichtspunkten für Lernziel- Ensembles geht (curriculare Dimension). Zum andern gehört die Bezeichnung zum festen Inventar von Aussagen zum Kennzeichnen unterrichtsmethodischer Arrangements (methodische Dimension). (2006, S. 44)

 

Handlungsorientierung in ihrer curricularen Dimension beschreibt in erster Linie einen Wandel in der Zieldimension beruflicher Bildung. Eine globalisierte Welt stellt immer höhere Anforderungen an die Produktions-, Dienstleistungs- und Beschäftigungssysteme. Arbeitssteuerung und Arbeitsorganisation sind nicht länger von lokalen, vielmehr von globalen Zusammenhängen abhängig, es vollzieht sich eine „Entgrenzung traditioneller Arbeitsprofile“. Um mit dieser Entwicklung schrittzuhalten, benötigen Arbeitnehmer Fähigkeiten und Fertigkeiten, die über das bloße Erlernen berufsbezogener Abläufe hinausgehen und gleichzeitig einen Gesamtüberblick über die Rahmenbedingungen des Produktions- oder Geschäftsprozesses ermöglichen. Der durch globale Vernetzung immer schneller fortschreitende Wandel der Arbeitswelt erfordert darüber hinaus die Fähigkeit, künftige Handlungsanforderungen und sich daraus ergebende Notwendigkeiten zur individuellen Weiterqualifizierung zu erkennen. Zielvorstellung beruflicher Bildung ist nicht länger ein fachbezogenes Erfahrungswissen, sondern ein umfassendes Arbeitsprozesswissen[23]. Diese veränderte Zielvorstellung findet sich als berufliche Handlungskompetenz in den Rahmenverordnungen der Kultusministerkonferenz[24] für die berufliche Bildung wieder.[25] Entsprechend ist die traditionelle Gliederung berufsbezogenen Unterrichtes in Fächern einer an beruflichen Handlungen orientierten Lernfeldsystematik gewichen. (Czycholl & Ebner, 2006, S. 45) Die methodische Dimension von Handlungsorientierung umfasst die Vermittlung berufsbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten entlang, aus der beruflichen Realität entnommener, vollständiger Handlungen. Vollständige Handlungen bilden eine berufliche Handlung ab und umfassen– verkürzt auf einen Punkt gebracht- ihre Planung, Durchführung und Evaluation. Auszubildende erhalten so einen umfassenden Überblick über die berufliche Tätigkeit und lernen vernetztes Denken. Diese Handlungszyklen stellen darüber hinaus ein Planungs- und Strukturierungselement berufsbezogenen Unterrichtes dar. (Muster-Wäbs, Ruppel, & Schneider, 2005, S. 58) Die veränderten curricularen Vorgaben beruflicher Bildung werden so sinnvoll um Methoden, die die berufliche Handlungskompetenz fördern, ergänzt.

 

2.2 Begriffe und Bestandteile des Lernfeldkonzeptes


 

Für den Bereich der beruflichen Ausbildung in der Berufsschule gibt die Kultusministerkonferenz auf bundesdeutscher Ebene die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes vor. Dazu werden für die Ausbildungsberufe KMK- Rahmenlehrpläne durch Rahmenlehrplanausschüsse erstellt. Die Anforderungen an diese Rahmenlehrpläne sind durch die KMK in Handreichungen festgeschrieben. (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011) Zwar untersteht der Ausbildungsberuf des Notfallsanitäters nicht dem deutschen Berufsbildungsgesetz (BBiG), die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ist für diese Berufsgruppe dennoch anzustreben. (s. Kapitel 2.4) Die Anwendung des Lernfeldkonzeptes im Rahmen curricularer Arbeit erfordert zunächst eine Auseinandersetzung mit seinen Charakteristika und Begrifflichkeiten. Im Folgenden werden diese Begrifflichkeiten entlang des Entwicklungsprozesses von der beruflichen Handlung zur Lernsituation näher erläutert[26].

 

Handlungssituationen

 

Die Ausübung eines Berufes vollzieht sich in berufsspezifischen Handlungssituationen, die eine berufliche, individuelle und/ oder gesellschaftliche Relevanz haben. Dabei stellen schon Handlungssituationen eine komplexe Abfolge von Einzelhandlungen dar. Für die Berufsgruppe der Notfallsanitäter stellt beispielsweise die Versorgung eines Patienten mit einem Asthmaanfall eine solche Handlungssituation dar. Aufgrund der hohen Anzahl berufsspezifischer Handlungssituationen müssen diese auf ihre berufliche Relevanz und die daraus resultierende Exemplarität für die berufliche Ausbildung überprüft werden. (Enke, 2013, S. 132; Muster-Wäbs u. a., 2005, S. 10)

 

Handlungsfelder

 

Die ausgewählten und entsprechend strukturierten Handlungssituationen lassen sich zu beruflichen Handlungsfeldern bündeln. Berufliche Handlungsfelder entsprechen nicht im vollen Umfang den betrieblichen Handlungsfeldern, da neben den gegenwärtig bestehenden betrieblichen Anforderungen an die Berufsausübung auch künftige Aufgaben- und Problemstellungen, mit denen die Berufsinhaber konfrontiert werden, Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wird berufliches Handeln aus einer beruflichen, einer individuellen und aus gesellschaftlicher Perspektive...

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