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Erfolgsfaktoren in der Popmusik. Die Band Fools Garden

Am Beispiel der Band Fools Garden

AutorOlaf Menne
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl117 Seiten
ISBN9783638047357
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Sonstiges, Note: 1,0, Universität Paderborn (Institut für Medienwissenschaften), 106 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 1995 wurde der Song 'Lemon Tree' von der Rockband Fools Garden als Vorabsingle ihres Albums 'Dish Of The Day' veröffentlicht. Lemon Tree entwickelte sich zu einem weltweiten Hit: Insgesamt wurde der Titel in 45 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern veröffentlicht. Das kurze Zeit später erschienene Album 'Dish Of The Day' schaffte ebenfalls den Sprung an die Spitze zahlreicher internationaler Charts. Fools Garden konnten diesen Erfolg bisher nicht wiederholen. Nachfolgende Singles platzierten sich nicht mehr in den Top-Ten der Hitparaden und auch die Verkaufszahlen der weiteren Alben konnten nie mehr an das einmal erreichte Niveau heranreichen. Fools Garden werden daher häufig als eine 'One Hit Wonder'-Band bezeichnet. Damit sind Bands oder Musiker gemeint, die nur mit einem einzigen Lied hochplatziert in den Verkaufs-Hitparaden auftauch(t)en. Oft zählen musikalische Ausflüge von Prominenten zu den musikalischen 'Eintagsfliegen'. Auch Songs, die zu einem bestimmten Anlass produziert wurden, wie z.B. Sommerhits, Titelsongs eines Films oder eines Werbespots stellen typische Ausprägungen der 'One Hit Wonders' dar. Fools Garden können nicht in diese Kategorien eingeordnet werden, was eine Untersuchung ihres 'Falls' besonders reizvoll macht. Am Beispiel der Band und ihres Hits Lemon Tree sollen in dieser Arbeit Aspekte aufgezeigt werden, die für den Erfolg in der Popmusik entscheidend sind. Diese Arbeit soll daher dazu beitragen, den Blick für erfolgsversprechende Faktoren in der Popmusik zu schärfen. Wenn es um eine wissenschaftliche Untersuchung der Erfolgsfaktoren in der Popmusik geht, soll dies nicht bedeuten, dass es so etwas wie ein Patentrezept für Hits gibt. Ein solch 'heiliger Gral' wird nicht zu finden sein, auch wenn die Menge an Publikationen zu dieser Thematik einen solchen Anschein erwecken mag. Die Ausführungen sollen eher als Leitfaden dienen, um das scheinbar unüberschaubare Geflecht, in dem sich die Popmusik bewegt, zu strukturieren. Viele unterschiedliche Erfolgsfaktoren sollen aufgezeigt und miteinander verknüpft werden. Dabei spielen Fachbereiche wie die Soziologie, Musik, Betriebswirtschaft und Psychologie eine wichtige Rolle, die in dieser Arbeit jedoch nicht in aller Tiefe berücksichtigt werden können. Vielmehr geht es darum, Verbindungen der einzelnen Diskurse aufzuzeigen, dabei jedoch nicht das zu untersuchende Fallbeispiel Fools Garden aus den Augen zu verlieren.

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Leseprobe

2 Die Hörer und ihre Bedürfnisse


 

Die Anzahl verkaufter Tonträger hat sich in der Musikbranche als das Kriterium zur Messung des Erfolgs einer Band bzw. eines Interpreten durchgesetzt. Zahlreiche Hitparaden und Aus­zeichnungen basieren auf Verkaufszahlen der Tonträger; Ton­träger­verkäufe stellen zudem das größte Einnahmepotential für Bands und Platten­firmen dar.

 

Kennt eine Band wie Fools Garden die Struktur und die Vorlieben ihrer potentiellen Ton­trägerkunden, kann sie ihre Songs eher auf diese abstimmen und so im Endeffekt einen größeren Erfolg erzielen. Eine Betrachtung der Konsumenten hilft der Band, Vermarktungs- und Informationsstrategien deutlicher auf den Kunden aus­zurichten.

 

Ziel des zweiten Kapitels ist es daher zu vergegenwärtigen, welche grundsätzlichen Publikumsgruppen eine Popband erreichen kann und welche Publikumsbedürfnisse dabei zum Tragen kommen. Dazu werde ich vornehmlich sozio­logische Unter­suchungen be­trachten, die sich mit den Rezi­pienten von Popmusik befassen. Die unter­schied­lichen Ansätze fußen im Wesent­lichen auf den Denkansätzen der kri­tischen Theorie und der Cultural Studies. Es wird deutlich werden, dass beide Rich­tungen besonders den Grad der Aktivität des Hörers unter­schiedlich einstufen.

 

Negus gibt einen Überblick über die Geschichte der wissenschaftlichen Annäherungen im Hinblick auf die Betrachtung des Publikums populärer Musik. Er beginnt bei Ador­no, einem Vertreter der kritischen Theorie, der von vielen Autoren als Wegbereiter der wissenschaftlichen Heran­gehens­weise an po­puläre Musik betrachtet wird.[25]

 

2.1 Die passive Masse


 

Adorno zeichnet ein sehr negatives Bild vom Popmusikhörer. Er spricht ihm einen tief greifenden Zugang zur Sache ab: „Musik ist ihm [dem Hörer – Anm. d. Autors] nicht Sinnzu­sammen­hang, son­dern Reizquelle.“[26] Nicht Sinn, sondern Ablenkung bzw. Zer­streuung sind für Adorno das zentrale Bedürfnis der Hörer nach Popmusik. Das mühe­lose, zur Ent­span­nung bestimmte Hören wirke als Norm auf die populäre Musik zurück. Die Hörer lehn­ten dabei alles ab, was nicht bekannt klinge und nicht das Potential habe kindliche Er­innerungen wecken zu können. Hörer verfolgten die Musik nicht ge­nau und achteten nicht auf ihre Details, sondern begnügten sich mit den einfachsten, klarsten Frag­menten der Melodie.[27]

 

Popmusik sei eine standardisierte Freizeit-Ware, die eine Flucht vor der Arbeit verspreche. Die Freizeit diene aber lediglich dazu, die Produktivitätskapazitäten des Arbeiters wieder aufzu­laden.[28] Die Freizeit und damit auch die Popmusik sei nach den Strukturen und Eigen­schaften der übermächtigen Arbeitswelt geformt. „Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanischen Arbeitsprozeß ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein. Zugleich aber hat die Me­chanisierung solche Macht über den ›Freizeitler‹‹ und dessen Glück, sie bestimmt so gründ­lich die Fabrikation der Amüsierwaren, daß er nichts anderes mehr erfahren kann als die Nachbilder des Arbeitsvorgangs selbst. Der vorgebliche Inhalt ist bloß verblaßter Vordergrund; was sich einprägt, ist die auto­ma­tisierte Abfolge genormter Verrichtungen.“[29]

 

Der Produktionsprozess spiegelt sich nach Adorno in der Unterhaltungsmusik durch die „Wiederholung des Immergleichen“ wieder. Der Hörer fühle sich glücklich, wenn er nach den ersten Takten eines Songs seine Fortsetzung raten könne und diese so eintreffe.[30] Adorno sieht Unterhaltungsmusik als eine gesellschaftlich akzeptierte Droge an. Wie Alkohol und Rauchen diene sie einem Süchtigen dazu, sich mit der Situation des so­zialen Drucks oder der Einsamkeit abzufinden und für kurze Zeit in eine Scheinwelt zu flüchten, in der er glaubt, er selbst sein zu können.[31]

 

Der Aspekt der Identifikation mit der Musik bzw. den Musikern ist Adorno deshalb wichtig. Er folgert aus der Tatsache der leichten Nachsingbarkeit von Schlagern, dass der Hörer sich „mit den ursprünglichen Trägern der Melodie, gehobenen Persön­lich­keiten, oder mit dem kriegerischen Kollektiv, das die Lieder anstimmt“[32], identifiziert. Darüber vergesse der Hörer seine „Vereinzelung“ und empfange die Illusion „entweder vom Kollektiv umfangen oder eine gehobene Persönlichkeit zu sein“.[33]

 

Negus entdeckt in Adornos Ausführungen zwei Gruppen von Hörern:

 

Die „alone in the bedroom“-Gruppe besteht aus schüchternen, gehemmten Menschen, die sich durch die Illusion von Intimität, die ihnen Musik vermittelt, eigene Sphären der Sicherheit schaffen, die ihnen im Kontakt zu anderen Menschen fehlen.[34] Musik dient ihnen als Trost für ihre soziale Abgeschiedenheit. Adorno spricht vom Hörer „der Zeit totschlägt und Einsamkeit paralysiert durch ein Hören, das ihm die Illusion des bei was auch immer Dabeiseins vermittelt.“[35]

 

Menschen, die Popmusik im Gegensatz dazu in Gesellschaft mit anderen beim Tanz konsumieren, bezeichnet Negus als „lost in the crowd“.[36] Adorno kritisiert, dass beim Tanz zur Popmusik Individuen ihre Eigenständigkeit verlieren und zu Teilen einer Masse werden. Ihre zwanghaften, ruckartigen Bewegungen erinnern ihn an herum­schwir­rende Insekten, an den in einem Kessel mit siedendem Öl schmorenden St. Vitus oder an die letzten Reflexe von gerade getöteten Tieren.[37]

 

Popmusikhörer werden von Adorno als passive hilflose Masse, der es an kritischem Urteilsvermögen fehlt und die der Kulturindustrie vollkommen ausgeliefert sind, darge­stellt. Sie sind demnach in ihrer Welt des Alltags und der Arbeit gefangen. Popmusik fungiert dabei als ein Fenster, das Blicke aus der Welt des Alltags in eine Welt des Glücks gewährt.

 

2.2 Pop als Glücksmoment


 

Das Bedürfnis nach Popmusik wird von Adorno durch Zerstreuung, dem Ablegen von Ich-Grenzen, Flucht aus dem Alltag und dem Streben nach Glück beschrieben. Hiermit greift Adorno eine schon von Freud in seinem Buch „Das Unbehagen in der Kultur“ diagnostizierte, scheinbar typische Eigenschaft des Menschen auf.[38]

 

2.2.1 Die Leiden des Menschen


 

Freud zeigt, dass der Mensch ständig von Gefahren umgeben ist: „Von drei Seiten droht das Leiden, vom eigenen Körper her, der, zu Verfall und Auflösung bestimmt, sogar Schmerz und Angst als Warnsignal nicht entbehren kann, von der Außenwelt, die mit übermächtigen, unerbittlichen, zerstörenden Kräften gegen uns wüten kann und endlich aus den Bezie­hungen zu anderen Menschen.“[39] Er beobachtet weiter, dass das Leiden, das aus den Be­ziehungen zu anderen Menschen entsteht, schmerzlicher als jedes andere Leiden emp­funden wird.[40]

 

Durch Ablenkungen, Ersatzbefriedigungen oder Rauschstoffe ließen sich diese Leiden lindern. Die Popmusik gehört nach Adorno zu diesen Linderungsmitteln. Die „Flucht­funkti­on“, die er der populären Musik zuschreibt, lässt sich auf dem Hintergrund Freuds somit kulturpsychologisch begründen.[41]

 

2.2.2 Streben nach Glück


 

Popsongs kommen demnach im Streben der Menschen nach Glück zum Einsatz. In der Ent­wicklung der menschlichen Kultur, die Freud als Summe der Leistungen und Einrich­tungen definiert, die Menschen vor der Natur schützen und die Beziehungen untereinander regeln, habe der Mensch seine individuelle Freiheit dem Wohl der Ge­meinschaft unterordnen müssen.[42] Menschliche Triebe wie der Aggressions- und der Sexual­trieb wurden dabei unter­drückt. Die menschliche Psyche kämpfe gegen diesen kulturell ge­forderten Trieb­verzicht an und flüchte sich in Bereiche, die Ersatz­be­frie­digungen verheißen und Glück ver­sprechen. Freud stellt fest, dass das Verhalten der Menschen stets darauf gerichtet ist, solches Glück zu erlangen. Die „Abwesenheit von Schmerz und Unlust“[43] und das „Erleben starker Lust­gefühle“[44] sei gemäß dem Lust­prinzip ein ständig verfolgtes Ziel von Men­schen.

 

Glück könne aber nicht als dauerhafter Zustand, sondern nur als Kontrast genossen werden.[45] Kontraste haben in der Popmusik selbst wichtige Funktionen, wie ich in Kapitel 4 noch herausstellen werde. In diesem Sinn kann Popmusik als vergänglicher Glücksbringer verstanden werden, als kurzer Kontrast im tristen Alltag.

 

2.2.3 Zurück zum ozeanischen Gefühl


 

Die Richtung, die der Mensch bei seiner Suche nach Glück einschlägt, ist für Freud eine rückwärts gerichtete.

 

Im ersten Kapitel des Werks „Das Unbehagen in der Kultur“ beschäftigt sich Freud mit dem „Gefühl des Ozeanischen“.[46] Darin sieht er die Quelle aller Religiosität....

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