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E-Book

Generation Remix

Zwischen Popkultur und Kunst

VerlagiRights Media
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783944362014
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Die 'Generation Remix' kommt zu Wort: Musiker, Filmemacher, Netzkünstler, Videoaktivisten, Blogger, Facebook-Nutzer - sie alle remixen, was das Zeug hält. Der Remix ist ein Alltagsphänomen und verändert unsere Kultur. Er ist aber auch verboten - im deutschen Urheberrecht ist kein Platz für diese Art der Kreativität. Sie nimmt die Versatzstücke unserer Alltags- und Medienkultur und produziert daraus Neues. Im Buch 'Generation Remix' erklären Remixerinnen und Remixer, was einen genialen Remix auszeichnet, erzählen von ihren Kämpfen mit einem veralteten Urheberrecht und präsentieren ihren persönlichen Lieblingsremix. Ergänzt werden diese Gespräche durch Beiträge der Remixkünstlerin Cornelia Sollfrank, des Musikers Georg Fischer, des Creative-Commons-Gründers Lawrence Lessig, des Urheberrechtsexperten Till Kreutzer und anderen. Ohne Remix ist Kultur nicht möglich. Die Kampagne 'Recht auf Remix' setzt sich dafür ein, eine Ausnahmeregelung im Urheberrecht einzuführen, die Remixe unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Remix soll nicht mehr illegal sein, sondern als Kunstform anerkannt werden. Pro verkauftem E-Book spendet der Verlag iRights.Media einen Euro an die Initiative 'Recht auf Remix'.

Valie Djordjevic ist Redakteurin beim Urheberrechtsportal iRights.info und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Remix. Leonhard Dobusch forscht als Juniorprofessor an der Freien Universität Berlin zu digitalen Gemeinschaften und Urheberrecht. Im Rahmen des Digitale Gesellschaft e. V. ist er verantwortlich für die Initiative 'Recht auf Remix'.

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Leseprobe

Remix-Culture und Urheberrecht


Till Kreutzer

Im Social Web werden täglich Millionen nutzergenerierte Inhalte (englisch user generated content) veröffentlicht, die in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Art und Weise urheberrechtlich geschützte Werke anderer verwenden. Durch diese „Kreativität der Massen“ verschwimmen die Grenzen zwischen Nutzern und Urhebern zunehmend. Vor allem in den Sozial- und Kommunikationswissenschaften wird daher in solchen Zusammenhängen immer häufiger nicht mehr zwischen Nutzern oder Konsumenten und Produzenten unterschieden. Der neue Typus des kreativen Nutzers wird vielmehr als Prosumer oder Produser bezeichnet8.

Dabei sind Prosumer nicht nur „Laien-Urheber“, sondern durchaus auch professionelle Künstler. Nicht die Profession des Schöpfers macht die Besonderheit der kulturellen Entwicklung aus, sondern der Umstand, dass digitale Produktionsmittel gepaart mit den Distributions- und Publikationsmöglichkeiten des Internets eine neue Ära des Kulturschaffens eingeleitet haben. In der „Remix-Culture“ ist jeder Schöpfer gleichzeitig ein Nutzer. Vorbestehende – urheberrechtlich geschützte – Werke werden hier neu arrangiert, kombiniert, verändert und mit eigenen Schöpfungen zusammengeführt. Durch Mashing, Remixing, Sampling und andere Kulturtechniken entstehen im Zusammenspiel von existierenden und neu geschaffenen Inhalten neue, originäre Werke. Diese haben in der Regel einen eigenen Ausdruck und sprechen das ästhetische Gefühl des Betrachters auf eine andere Art und Weise an, als jeder einzelne Bestandteil für sich es täte.

Diese Form des Interagierens, des „kreativen Mitmachens“, prägt schon jetzt eine ganze Generation. Das Urheberrecht hat auf das Phänomen allerdings noch nicht reagiert. Es gelten die alten, prädigitalen Grundprinzipien und die lauten seit eh und je, dass für Nutzungen fremder Werke grundsätzlich Genehmigungen (sogenannte Lizenzen) eingeholt werden müssen und dass die Bearbeitung fremder Werke nur mit Zustimmung deren Rechteinhaber veröffentlicht werden dürfen. Die meisten Mashups, Remixes, Collagen und so weiter stellen solche Bearbeitungen dar. Ohne Zustimmung der ursprünglichen Rechteinhaber dürfen solche „Kombinationswerke“ nur veröffentlicht werden, wenn eine der eng definierten und in der Regel restriktiv angewendeten Ausnahmeregelungen („Schrankenbestimmungen“) des Urheberrechts gilt. Die bestehenden Schrankenbestimmungen im deutschen Urheberrecht (wie zum Bespiel das Zitatrecht oder das Recht zur freien Benutzung) sind jedoch nicht auf derartige Formen des Kulturschaffens ausgerichtet. Das heißt jedenfalls, dass es nur sehr schwer festzustellen ist, ob sie überhaupt Anwendung finden – man benötigt im Zweifel ein juristisches Gutachten.

Erschwerend hinzu kommt, dass der Rechtsrahmen für Schrankenbestimmungen innerhalb der Europäischen Union durch einen festen Regelkatalog im Jahr 2001 fixiert wurde9. Die Folge dieser Entscheidung der EU ist, dass die Mitgliedsstaaten keine neuen Schrankenbestimmungen einführen dürfen, die in dem Regelungskatalog der Richtlinie nicht enthalten sind. Neue Nutzungsfreiheiten einzuführen bedarf also einer Entscheidung der Europäischen Union selbst. Und das ist – wenn man sich überhaupt dafür entscheidet – ein langwieriger Prozess.

User generated content – ein urheberrechtliches Vabanquespiel


Für die Möglichkeit, nutzergenerierte Inhalte rechtssicher schaffen und – gemäß ihrer Bestimmung – auch veröffentlichen zu dürfen, sind urheberrechtliche Nutzungsfreiheiten von elementarer Bedeutung. Die erforderlichen Rechte einzuholen, um zum Beispiel ein Musiksample in einem eigenen Stück oder ein Musikstück zur Untermalung eines eigenen Videos zu verwenden, ist eine komplexe und aufwendige Aufgabe, die weder von Privatnutzern noch von freischaffenden Künstlern erbracht werden kann und daher nicht erbracht werden wird. Das heißt im Klartext: Sind keine Nutzungsfreiheiten (Schrankenbestimmungen) für derartige Handlungen einschlägig, verstoßen die Akteure der Remix-Culture massenhaft gegen das Urheberrecht.

Eine unmittelbar auf solche Fälle zugeschnittene Schrankenbestimmung, die dem Nutzer die Erstellung von user generated content aufgrund einer gesetzlichen Ausnahme gestattet, enthält das deutsche Urheberrecht nicht. Auch sieht es keine der US-amerikanischen Fair-Use-Regelung ähnliche, generelle Schrankenbestimmung vor, die kreative oder künstlerische Auseinandersetzungen mit fremden Werken unter bestimmten Voraussetzungen gestatten würde. Im Gegenteil. In Europa sind die möglichen Schrankenregelungen klar festgelegt. Im deutschen Recht sind sie im sechsten Teil des Urheberrechtsgesetzes geregelt. Hier findet sich eine Vielzahl punktueller Einschränkungen des Urheberrechts, die auf mehr oder weniger klar definierte Anwendungsfälle bezogen sind. Die urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen sind dabei als Ausnahmen von der Regel formuliert, dass dem Urheber jede Nutzung seines Werkes vorbehalten ist und er in jedem Einzelfall über Nutzung und Vergütung entscheiden kann.

In Bezug auf neue Nutzungsformen, die bei Abfassung des Gesetzes noch nicht berücksichtigt wurden, erweist sich diese Regelungssystematik als wenig flexibel. Die Gerichte tun sich nach wie vor schwer, Schrankenbestimmungen auf neue Sachverhalte auszudehnen, sie extensiv oder analog anzuwenden. Dies erschwert es, die Rechtslage in Bezug auf neue Nutzungsformen einzuschätzen.

Wollte man eine präzise und umfassende Analyse vornehmen, müssten jetzt langwierige (und im Zweifel ermüdende) Ausführungen zu den jeweils in Betracht kommenden Schrankenregelungen und ihren Voraussetzungen folgen. Um dies zu vermeiden, soll hier nur festgestellt werden (und dieser Feststellung liegt eine solche langwierige und ermüdende Analyse zugrunde), dass sich der kreative Umgang mit fremden Werken im Rahmen von Mashups, Collagen oder Remixes nach deutschem Recht regelmäßig weder auf das Zitatrecht (Paragraf 51 Urheberrechtsgesetz) noch auf die Regelungen zur freien Benutzung (Paragraf 24 Urheberrechtsgesetz) oder andere urheberrechtliche Regelungen stützen kann.10

Zwar bieten diese beiden Schranken (Zitatrecht und freie Benutzung) gewisse Möglichkeiten, sich mit fremdem Schaffen auseinanderzusetzen und dabei Werke oder Werkteile zu nutzen, doch eröffnen sie nur wenig Raum für Kulturpraktiken, die schon per Definition darauf basieren, dass fremde Werke genutzt werden, um etwas Neues entstehen zu lassen. So dient das Zitatrecht beispielsweise nur dazu, das eigene Werkschaffen durch die Verwendung von Zitaten zu unterstützen, etwa indem der eigene Standpunkt durch den Verweis auf gleichlautende Aussagen anderer Autoren gestärkt wird. Stark vereinfacht ausgedrückt sind Zitate nach dem Urheberrecht immer nur die Nebensache, während das eigene Schaffen im Vordergrund steht. Auf ein Werk etwa, das nur aus Zitaten besteht, ist das urheberrechtliche Zitatrecht nicht anwendbar.

Selbst wenn Zitatrecht oder freie Benutzung in Sonderfällen einmal einschlägig wären, wäre dies für den Prosumer oder freischaffenden Künstler kaum ersichtlich. Die Prüfung dieser urheberrechtlichen Nutzungsfreiheiten ist derart kompliziert, dass es für den urheberrechtlichen Laien schwierig (wenn nicht gar unmöglich) ist zu beurteilen, ob sie jeweils greifen. Die Grenzen zwischen Urheberrechtsverletzung und erlaubter Verwendung sind gerade in diesen Fällen fließend, die Grauzone zwischen legal und illegal äußerst schwierig auszuloten. Einschätzen zu können, was erlaubt ist und was nicht, erfordert stets eine Einzelfallprüfung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände. Die hierbei anzulegenden Kriterien sind dehnbar. Gesicherte Einschätzungen werden – nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass es nur wenig Rechtsprechung zu solchen Fragen gibt – in den meisten Fällen nicht einmal Urheberrechtsexperten möglich sein.

Für (Laien-)Urheber, die ihre Mashup-Videos oder Remixe bei Facebook, Youtube oder Tumblr veröffentlichen, bieten die Regelungen der Paragrafen mithin keine gesicherte Rechtsgrundlage. Dass Rechtsverletzungen häufig nicht verfolgt werden (was sich an der dauerhaften Existenz von Mashup-Videos, Remixes und anderen nutzergenerierten Inhalten auf den einschlägigen Plattformen zeigt), ändert nichts an diesem Besorgnis erregenden Befund. Zum einen haben die Verwerter in der Vergangenheit schon häufiger ihre Muskeln spielen lassen, ohne dass im Einzelnen vorhersehbar...

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