2. Berufliche Schulen
Zu Beginn dieser Arbeit muss man den Gegenstand Schule zuerst betrachten. Will man untersuchen, welche Arten von Gewalt an Schulen, speziell an beruflichen Schulen vorkommen und möchte man später die Interventions- und Präventionsmaßnahmen behandeln, muss man die Institution Berufsschule im Zusammenhang der beruflichen Schulen sehen und die Schülerstruktur analysieren. Um den Gründen für Gewalt auf den Grund zu gehen, ist es zudem wichtig, die Grundstrukturen der Schule zu hinterfragen, bzw. die Schülerschaft zu kennen. Welche Schüler finden sich am Lernort Berufsschule, welches Alter haben diese und aus welchem sozialen Umfeld kommen sie? Wie ist eine Berufsschule aufgebaut? Welche Arten der Bildung macht diese möglich? Dies sind Fragen, die ich im Vorfeld dieser Arbeit beantworten sollte. Denn bereits hier können mögliche Gründe von Gewalt verankert sein. Klärt man zu Beginn den Gegenstand Schule und Schüler, weiß man, welchen Faktoren man als Lehrer gegenüber steht, und wo bzw. wie man bereits Vorboten und Indikatoren für Gewalt und Aggression unterbinden kann.
Es gibt viele unterschiedliche berufliche Schulen, die zu verschiedenen Abschlüssen führen. In folgendem Kapitel will ich zuerst darlegen, welche verschiedenen Formen es gibt, und zu welchen Abschlüssen oder Berechtigungen für weiterführende Schulen sie führen (Kapitel 2.1).
Ich werde bereits hier meinen Schwerpunkt auf die Berufsschule legen, denn dies ist für meine spätere Lehrerlaufbahn von Relevanz, da ich zunächst in meinem zweijährigen Referendariat an einer Berufsschule tätig bin, und anschließend als Lehrer auch an einer Berufsschule unterrichten möchte. Außerdem durfte ich in meiner 21/2 -jährigen Ausbildung zum Bankkaufmann in der Kreissparkasse Kelheim meine eigenen Erfahrungen über die Institution Berufsschule sammeln und möchte diese Erfahrungen auch in die Diplomarbeit einfließen lassen.
Im Anschluss daran gebe ich einen Einblick, von wie vielen Schülerinnen und Schülern die Schulen besucht werden und wie sich die Schülerschaft an einer beispielhaft gewählten Berufsschule zusammensetzt (Kapitel 2.2).
Die Berufsschule muss man im Zusammenhang von Gewaltprävention und Schule auf eine andere Weise erschließen, als die übrigen Schulen. Dies ist verständlich alleine durch die unterschiedlichen Vorbildungen an der Schule und den großen Altersunterschieden in den Klassen. Einen großen Unterschied zu anderen Schulen bilden außerdem die vielen verschiedenen Berufserziehungsaufgaben, denn, neben Mitglied in einer Familie, ist der Jugendliche für den Berufsschullehrer:
„Künftiger Träger eines handwerklichen, industriellen oder kaufmännischen Berufes, womit er gleichzeitig auch soziales Glied einer entsprechenden Berufs- und Arbeitsgemeinschaft wird.“ [1]
2.1 Institutionen
Innerhalb der beruflichen Schulen in Bayern können acht Schulformen unterschieden werden, die jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen: die klassische Berufsschule, das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundschuljahr, die Berufsfachschule, die Fachschule, die Berufsaufbauschule, die Fachoberschule und das berufliche Gymnasium.
Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr müssen Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland, aufgrund der Teilzeitschulpflicht, eine Schule besuchen, unabhängig ob sie eine Ausbildung absolvieren oder nicht. Absolventen der Hauptschule, die keine Ausbildung beginnen, können im Berufsgrundschuljahr Grundqualifikationen eines Berufsfeldes erwerben, auf die in einer Ausbildung in diesem Bereich aufgebaut werden kann. Wurde die Hauptschule ohne Abschluss absolviert, kann die Berufsreife mit Hilfe eines Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) nachgeholt werden. Die Erfüllung der Schulpflicht wird mit beiden Formen sichergestellt. [2]
Das wesentliche Kennzeichen der dualen Ausbildung ist die Aufteilung der Ausbildung auf die beiden Träger Betrieb und Berufsschule, die miteinander kooperieren. Der betriebliche Teil der Ausbildung findet im Betrieb statt, wobei im Betrieb selbst inner- und überbetriebliche Schulungen abgehalten werden.
An der Berufsschule wird der schulische Teil der dualen Ausbildung absolviert. Ihr Ziel ist die „fachtheoretische und allgemein bildende Begleitung einer betrieblichen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Neben Fächern, die einen konkreten beruflichen Bezug haben (z.B. Buchführung), werden auch berufsübergreifende Fächer (z.B. Deutsch) unterrichtet. In jüngerer Zeit sind es vor allem Fächer zur politischen Bildung, die verstärkt in den Lehrplan aufgenommen wurden.“ [3] Um die Kulturhoheit der Länder zu wahren, werden die Lehrpläne der Berufsschulen von den Ländern erlassen. [4]
Daneben gibt es die Möglichkeit der Ausbildung in einer Berufsfachschule oder Fachschule. An diesen Schulen werden Ausbildungen angeboten, die mit Beteiligung eines Ausbildungsbetriebes absolviert werden, andererseits Ausbildungen, für die es keine duale Ausbildung gibt (z.B. Physiotherapeut/in), dabei wird die gesamte Lehrzeit an der Fachschule verbracht.
Die Berufsaufbauschule hat den Erwerb eines mittleren Bildungsabschlusses mit Übergangsmöglichkeiten zur Fachoberschule oder dem beruflichen Gymnasium zum Ziel.
Die Fachoberschule baut auf dem Realschulabschluss auf. In ein- oder zweijährigem Vollzeitunterricht bereitet sie auf den Besuch der Fachhochschule vor. In einigen Ländern, wie auch in Bayern, kann mittels FOS 13 oder Berufsoberschule, die allgemeine Hochschulreife erworben werden.
Das berufliche Gymnasium ist eine gymnasiale Oberstufe mit berufsbezogenen Schwerpunkten. Aufbauend auf dem mittleren Schulabschluss führen technische Gymnasien und Wirtschaftsgymnasien zur allgemeinen Hochschulreife.
Je nach Bundesland gibt es zusätzlich weitere spezielle berufliche Schulen, weswegen ich mich in meiner Arbeit weitestgehend auf das Bundesland Bayern beschränke.
2.2 Schülerprofil
Die verschiedenen Bereiche der beruflichen Schulen in Bayern und die dementsprechende Anzahl der Schülerinnen und Schüler sind Tabelle 1 zu entnehmen.
Tabelle 1: Schüler an beruflichen Schulen in Bayern – Schüler insgesamt und Prognose [5]
Wie man mittels der Tabelle erkennen kann, ist die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den Berufsschulen um ein Vielfaches höher als an anderen beruflichen Schulen, wie etwa den Berufsfachschulen oder den Wirtschaftsschulen.
Ein weiterer Aspekt, der aus der Tabelle deutlich wird, ist, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an den beruflichen Oberschulen (BOS) im Zeitverlauf stetig wächst. Dies ist dadurch zu erklären, dass viele Jugendliche nach dem Schulabschluss zuerst eine Lehre absolvieren und im Anschluss daran die fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife nachholen, um im späteren Berufsleben durch einen höheren Abschluss bessere Chancen zu haben.
Die mittels Modellrechnungen ermittelten Prognosen für die zukünftige Anzahl der Schülerinnen und Schüler aus dem Kalenderjahr 2005 verdeutlichen, dass auch in Zukunft die absolute Mehrheit der Schülerschaft an beruflichen Schulen von den Berufsschulen gestellt wird. Aus diesem Grunde ist es meiner Ansicht nach von Vorteil, bei der Thematik Gewalt an beruflichen Schulen, gezielt auf Berufsschulen einzugehen, denn die Berufsschule bildet hinsichtlich Schüleranzahl die zentrale Säule der beruflichen Schulen. Ein Indikator von Gewalt sind somit die hohen Schülerzahlen an den Berufsschulen. Der Rückgang der Gesamtschülerzahl an den Berufsschulen im Zeitverlauf lässt sich durch den Mangel an Ausbildungsplätzen und durch geburtenschwache Jahrgänge erklären.
Um zu zeigen, wie unterschiedlich die Schülerschaft an Berufsschulen ist, führe ich beispielhaft die Berufsschule B3 in Nürnberg auf, an der ich zwischen Januar und Februar 2006 meine schulpraktischen Studien im Rahmen meines Studiums absolviert habe. Die Bildungsschwerpunkte der Berufsschule B3 Nürnberg liegen auf Gastronomieberufen, Nahrungsmittelhandwerksberufen, Augenoptikern und Lagerwirtschaftsberufen. Im Schuljahr 2005/06 haben 3110 Schüler die Schule besucht, wovon 45 % weiblich und 63 % volljährig waren, und wurden dabei von 78 Lehrkräften unterrichtet.
Die Vorbildung der Schülerinnen und Schüler setzte sich folgendermaßen zusammen:
Hauptschulabschluss 50 %
Realschulabschluss 34 %
Fachhochschulreife 4 %
Hochschulreife 3 %
Förderzentrum 1 %
ohne Schulabschluss 8 %
Die Breite der unterschiedlichen Vorbildung verdeutlicht, dass man die Berufsschule hinsichtlich Schülerschaft gegenüber anderen Schulen differenziert beurteilen muss. Das Beispiel der Berufsschule B3 in Nürnberg zeigt, dass alleine durch die unterschiedlichen Vorbildungen Potenzial besteht, dass sich Gruppen in der Schule bilden können. Gruppen können dazu...