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E-Book

Handbuch Familie

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl693 Seiten
ISBN9783531906751
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis79,99 EUR
Das Handbuch Familie repräsentiert den theoretischen und empirischen Stand der Familienforschung. Aus interdisziplinärer Sicht wird ein systematischer Überblick über theoretische Ansätze und systematische Felder der Familienforschung gegeben. Integriert sind aktuelle Erkenntnisse aus Soziologie und Psychologie, Jugend- und Familienrecht, Sozialpädagogik, Philosophie und Geschichte sowie aus der sozialen Ungleichheitsforschung. Die Erziehungs- und Bildungswissenschaft bildet dabei die zentrale Bezugsdisziplin, mit der das Feld Familie theoretisch und empirisch differenziert nach spezifischen Themenbereichen vorgestellt wird.

Dr. Jutta Ecarius ist Professorin für Erziehungswissenschaft am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Universität Gießen.

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Leseprobe
D Familie: differentielle Felder Kulturelle (S. 389-390)
Kulturelle Transferbeziehungen

Ludwig Stecher / Jürgen Zinnecker

1. Einleitung

Die Familie ist ein Ort, wo Kultur gelebt und weitergegeben wird. Es ist nicht der einzige gesellschaftliche Ort, an dem dies geschieht, und die Urteile über den Wert der Familie im Prozess der Tradierung von Kultur sind schwankend und kontrovers. Der Mikrokosmos Familie stützt sich auf eine genealogische Abfolge von Generationen. Zwischen diesen Generationen wird die Weitergabe von Kultur ausgehandelt und praktiziert. Eltern leben die kulturellen Muster einer Gesellschaft vor, die nachgeborenen Kinder leben sie nach und modifizieren sie dabei. An keinem gesellschaftlichen Ort wird dieser Prozess der Weitergabe von Kultur so augen- und sinnfällig. Die Eltern-Kind-Interaktion besitzt gewissermaßen eine archetypische Qualität.

2. Das Konzept der intergenerativen Transferbeziehungen

Die Beziehungen zwischen den Eltern und ihren Kindern lassen sich in vielerlei Hinsicht als ein Transferprozess zwischen der jüngeren und der älteren Familiengeneration thematisieren. Anfang der 1990er Jahre wurde dafür das Konzept der Eltern-Kind-Beziehungen als intergenerative Transferbeziehungen entwickelt (vgl. Zinnecker 1994). Der Begriff des Transfers ist darin breit gefasst. Er reicht vom Austausch materieller Güter und (Dienst-)Leistungen bis zu immateriellen Dingen wie dem Austausch von persönlichen Befindlichkeiten, Wissen oder Informationen.

Der Begriff des Transfers, entnommen der Sozialpolitik bzw. Sozialökonomie, verweist über den konkreten Austausch in der Familie hinaus darauf, dass die binnenfamilialen Beziehungen auch im weiteren Kontext gesellschaftlich organisierter Generationenbeziehungen zu sehen sind. Hier knüpft das Konzept an makrosoziologische Modelle intergenerativer Beziehungen an, wie sie zum Beispiel von Margaret Mead (1970) mit Bezug auf den gesellschaftlich organisierten Wissenstransfer zwischen der älteren und der jüngeren Generation formuliert wurden. Mit dem Begriff der Beziehung soll andererseits betont werden, dass der Transfer innerhalb eines spezifischen – privaten – (Eltern-Kind-)Kommunikationsverhältnisses realisiert wird, „das gemeinsam geteilte Nahwelten und Alltäglichkeiten" und eine gemeinsame Vergangenheit sowie Zukunft umfasst (Zinnecker 1994, S. 25).

Grundlage der Beziehungen sind dabei die relativ dauerhaften Handlungs- und Orientierungsmuster der Kinder und ihrer Eltern – das, was Pierre Bourdieu zusammenfassend den Habitus nennt (vgl. Bourdieu 1993, S. 33f.). Die Nomenklatur kennt ihre eigene kleine semantische Wissenschaftsgeschichte. Der Prozess der Weitergabe von Kultur zwischen den Generationen wird in der empirischen Literatur häufig mit dem Term „kulturelle Transmission" belegt, einer Eindeutschung aus dem englischen Sprachraum. „Transmission" bezeichnete im Englischen ursprünglich die Übertragung genetischer Merkmale von den Eltern auf die Kinder. In der kulturanthropologischen Schule wurde daraus, beginnend mit den 1930er Jahren, eine kulturelle Institution – „The Transmission of Culture" (Spindler 1974/1997) als ein zentrales Thema von Erziehung und Sozialisation.

Brake und Büchner unterscheiden gegenwärtig zwischen Transfer und Transmission. Während sich der Begriff Transfer auf „die Inhalte und Gegenstände des intergenerativen Austauschs" beziehe, drehe sich der Begriff der Transmission „in erster Linie um die Prozessualität der wechselseitigen Austausch- und Aushandlungsprozesse" (2003, S. 635, Anmerkung 3). Um das Ergebnis bzw. das angestrebte Ziel kultureller Transmission zu kennzeichnen, hat sich seit den 1960er Jahren der Begriff „Enkulturation" eingebürgt, allerdings nicht generell durchgesetzt. So spricht beispielsweise W. Loch (1968) von der „Enkulturation als Grundbegriff der Pädagogik" (vgl. Mollenhauer 1989).
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
Einleitung der Herausgeberin8
A Familienstrukturen13
Zur Geschichte der Familie14
Zur aktuellen Lage der Familie33
Familien – intereuropäische Perspektive54
Familie und Sozialstruktur75
Geschlechteraspekte im Kontext von Familie91
Familie und Migration109
B Familienformen132
Familienerziehung133
Eltern-Kind- und Geschwisterbeziehung153
Familie: Mütter und Väter175
Großeltern in Familien195
Verwandtschaft216
Kindheit und Familie235
Jugend und Familie256
Alter und Familie266
C Familie und Bildungsinstitutionen279
Familie und Elementarerziehung280
Familie und Grundschule295
Familie und Schule316
Familie und Weiterbildung337
Familienbildung361
D Familie: differentielle Felder382
Kulturelle Transferbeziehungen383
Familiengedächtnisse und Familienstrategien400
Rituale418
Literatur435
Medien450
Gesundheit474
Religion494
E Familie und sozialpädagogische Arbeitsfelder512
Familienrecht513
Kinder- und Jugendhilfe534
Hilfen zur Erziehung560
Sozialpädagogische Familienhilfe585
Zwischen Elternrecht und Kindeswohl606
Gewalt in der Familie629
Familie, Familientherapie und Beratung645
Erziehungsratgeber661
Stichwortverzeichnis680
Die Autorinnen und Autoren689

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