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E-Book

Hautnah - Wie Pferde verletzte Seelen heilen

AutorUte Wilhelms
Verlagspiritbooks
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783944587929
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ute Wilhelms ist eine Pionierin in der therapeutischen Arbeit mit Pferden und Menschen. Sie arbeitet seit vielen Jahren in der pferdegestützten ambulanten psychiatrischen Pflege - mit Pferden, die sie selbst ausgebildet hat. In ihrem Buch schildert sie die feinen und zugleich kraftvollen Prozesse, die in der Begegnung zwischen Mensch und Pferd geschehen, mit präzisen, einfühlsamen Worten und großem Sachwissen. Sie lädt den Leser ein, die Erfahrungen selbst emotional mitzuerleben und zu verstehen. Die Worte, die Ute für die Erfahrungen von zum Teil schwer traumatisierten Menschen findet, sind persönlich, und sie berühren. Ebenso wie die Worte mit denen sie ihre eigenen Herausforderungen beschreibt. Utes Buch, ihre Arbeit und ihr Lebensweg sind eine Inspiration und eine Einladung an viele, unerschrocken dem Weg der Heilung zu folgen, wohin er uns auch führen mag.

Ute Wilhelms arbeitet seit vielen Jahren in der pferdegestützten ambulanten psychiatrischen Pflege mit Pferden, die sie selbst ausgebildet hat und die sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Sie leitet einen eigenen psychiatrischen Pflegedienst, den Kentaurus Fachpflegedienst. Kentaurus hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit psychischen Problemen pferdegestützt ambulant zu betreuen. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Niedersachsen. Besuchen Sie die Webseite: www.kentaurus.de

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Leseprobe

Wie alles begann

Wer bin ich?

 

Bevor ich meine heutige berufliche und private Erfüllung, als Reittherapeutin zu arbeiten und somit mein Hobby zum Beruf zu machen, verwirklichen konnte, begann mein Reiterleben wie das von vielen jungen Mädchen.

Zunächst darf ich mich Ihnen jedoch vorstellen: Mein Name ist Ute Wilhelms. Ich bin siebenundvierzig Jahre alt. Seit zehn Jahren arbeite ich als Reittherapeutin und leite einen ambulanten psychiatrischen Pflegedienst. Aufgewachsen bin ich in Rheinland-Pfalz, zog aber mit sechzehn Jahren nach Niedersachsen. Ich bin Mutter zweier wundervoller Kinder und bin nach einer Scheidung wieder glücklich verheiratet.

Ich habe einen eigenen psychiatrischen Pflegedienst gegründet und bin seit kurzem eine von zwei Geschäftsführerinnen.

Unser neuer Pflegedienst nennt sich Kentaurus - er versinnbildlicht die Verbindung zwischen Mensch und Pferd.

Doch nun zurück zu meinem Werdegang. Schon als Kind war ich von Pferden, diesen wunderbaren Geschöpfen, fasziniert und ergriffen, dabei war es nicht unbedingt der Wunsch, auf ihnen zu reiten und mich auf ihrem starken Rücken tragen zu lassen. Ihre Anmut und ihr stolzes, dennoch sanftes Äußeres ließen mich vor Ehrfurcht fast erstarren. Ich wollte diese Tiere nur anschauen, vielleicht sogar ihre samtigen Nasen berühren, ihren wunderbaren Duft einatmen und ihn bis in meine Lungen einsaugen. Mein Leben würde dadurch bereichert. Ich glaube, ich ahnte damals schon, dass Pferde genau dies tun würden.

Ich kaufte mir Pferdebücher und sammelte Postkarten. Sehr oft stand ich an den Weiden in unserem Ort und sah mir die Pferde an. Ihre Reiter wirkten auf mich als Kind meist arrogant und überheblich. Sie saßen im wahrsten Sinne des Wortes „hoch zu Ross” und würdigten mich keines Blickes. Die Pferde trugen bunte Bandagen um die Beine und ich dachte damals, dass es sich hierbei um die teuersten Rösser der Welt handelte. Eine Welt, die für mich niemals erreichbar sein würde.

Jeden Tag lag ich meinen Eltern in den Ohren, mir ein Pony zu kaufen, nur ein kleines, vielleicht ein Shetlandpony. Ich wollte mit ihm kuscheln, ihm von meinen Sorgen und Träumen erzählen. Schon als Kind ahnte ich, dass diese sensiblen Tiere etwas Besonderes waren. Intuitiv wusste ich, dass sie mich trösten und beschützen würden.

Die Antwort meiner Eltern auf meine „Flausen” war immer dieselbe: „Wenn du erwachsen bist, kannst du dir ein Pferd kaufen.”

Ich durfte jedoch zum Reiten gehen. Ich hatte eine Freundin in der Klasse, deren Eltern einen Hof gepachtet hatten. Zweimal in der Woche durfte ich dort eine halbe Stunde reiten. Gleich nach der Schule fuhr ich mit Claudia und ihren Eltern zu dem Hof. Dort stand für mich die Zeit still. Stunden saß ich einfach nur im Stall und beobachtete die Pferde. Die dreißig Minuten Reiten waren nicht das Wichtigste für mich. Ich liebte diese Zeit mit den Fohlen und den anderen Pferden.

Später ritt ich dann in einem etwas größeren Reitstall einen Ort weiter. Nun bekam ich zum ersten Mal Unterricht. Die Schulpferde wussten allerdings schon genau, was sie machen sollten. Beim Kommando „Abteilung im Arbeitstempo Terabb” trabten die Tiere bereits an. Ich war damals ganz stolz auf mich und dachte, wie jedes andere junge Mädchen, dass ich richtig reiten konnte.

Nachdem ich 1988 meine Ausbildung zur Krankenschwester beendet hatte, tat ich dann endlich das, was ich immer tun wollte. Ich kaufte mein erstes eigenes Pferd - Merlin, ein Araber-Welch-Mix. Er sah ziemlich heruntergekommen aus. Ich wollte ihn retten! Er stand mit circa zwanzig anderen Pferden in einer Reihe. Zu dieser Zeit war noch diese sogenannte Ständerhaltung erlaubt. Dabei handelte es sich um circa eineinhalb Meter schmale, durch Wände oder Ketten getrennte, aneinandergereihte Gassen, in denen die Pferde an einer Kette angebunden waren. Nach hinten waren sie offen, sodass man an die Tiere herantreten konnte. Auf diese Art war es möglich, eine große Anzahl von Pferden auf geringem Raum zu halten. Später wurde die Ständerhaltung aufgrund von Tierquälerei gesetzlich verboten.

Merlin war kastanienbraun, hatte eine rabenschwarze Mähne und einen üppigen Schweif. Sein ganzer Körper war mit schwarzen rundlichen Flecken übersät, an denen das matte Fell wie abgefressen aussah. Fälschlicherweise hielt ich das für Bisswunden. Jedoch hätte mir klar sein müssen, dass ein Pferd, das in einem Ständer angebunden ist, wohl kaum in die Lage kommt, sich Bisswunden einzufangen. Dafür stand der Nachbar nicht dicht genug dran. Doch ich war dreiundzwanzig Jahre alt, wollte unbedingt ein Pferd und überdies die Welt retten. Also kaufte ich das arme Tier.

Nach ungefähr sechs Wochen, begann Merlin zu husten. Der Husten wurde so schlimm, dass meine Stallvermieterin nachts kein Auge mehr zumachen konnte. Der hinzugezogene Tierarzt machte nur ein Zeichen, das ich mein Leben lang niemals vergessen sollte. Er zeigte mit dem Zeigefinger auf seinen Hals und machte eine Bewegung, die einen Schnitt imitierte. Das war es also - Merlins Todesurteil! So sah meine Tierrettung aus, mein Traum von einem eigenen Pferd! Von einer Sekunde zur nächsten, alles abgeschnitten! Als wenn man den Film seines Lebenstraums ganz simpel abschneidet.

Ich spürte, wie sich meine Kehle zusammenzog. Tränen stiegen mir in die Augen. Ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit breitete sich in mir aus. Todesurteil, einfach so? In zwei Minuten entschieden!

Die nächsten Momente liefen wie ein Film an mir vorbei. Fragen über den Händler, Antworten wie: „Da kann man doch kein Pferd kaufen, nur mit Waffenschein und Blutprobe.” Und die Angst, Angst um mein geliebtes Pferd.

„Er ist dämpfig, das heißt, er hat ein Lungenemphysem. Sehr wahrscheinlich wurde ihm Cortison verabreicht. Das können Sie nicht mehr nachweisen. Er ist todkrank, könnte unter Ihnen zusammenbrechen. Wenn Sie Pech haben, sind Sie auch tot, weil Sie drunter liegen.”

Wortfetzen rasten durch mein Gehirn: „Tot, Cortison, Gangster, keine Hoffnung.”

Damals gab es kein Zurück. Ich musste der traurigen Wahrheit ins Auge sehen. Merlin musste sterben. Ich tat ihm keinen Gefallen, ließe ich ihn weiter am Leben. Der Tierarzt erklärte mir, dass seine Lunge schon doppelt so groß wie bei einem gesunden Pferd sei. Er zeigte mir Merlins schmerzverzerrtes Gesicht, das ich zu Beginn unseres ersten Treffens als Traurigkeit gedeutet hatte. Da war ich noch der Meinung gewesen, ich könne ihm helfen. Jetzt musste ich ihn nach nur vier Monaten erlösen. Mein erstes eigenes Pferd - und ich hatte es auf tragische Weise verloren. Mein sehnsüchtig erfüllter Traum war in Null-Komma-Nichts wie eine Seifenblase zerplatzt.

 

 

Mein Weg zur Reittherapeutin

 

Nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester erwachte in mir der Wunsch, Reittherapeutin zu werden. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt mit traumatisierten Kindern arbeiten. In meiner Vorstellung wusste ich genau und fühlte deutlich in meinem tiefsten Innern, dass Pferde den Menschen helfen konnten, ihr schlimmes Schicksal zu verarbeiten.

Beim Kuratorium für therapeutisches Reiten informierte ich mich über die Möglichkeiten einer Fortbildung. Die Voraussetzungen dafür waren sehr hoch. Als frisch examinierte Krankenschwester ohne Weiterbildung in Psychiatrie hatte ich leider keine Chance.

Mein Weg führte mich zunächst neun Monate auf die Unfallstation des Krankenhauses, in dem ich gelernt hatte. Danach arbeitete ich ungefähr zehn Jahre in einer Praxis für Dialysepatienten. Auf Dauer wurde mir diese Arbeit jedoch zu monoton, folglich suchte ich nach einer neuen Herausforderung.

1998 begann ich, auf einer Drogenentzugsstation im Nachtdienst zu arbeiten. Diese Tätigkeit gefiel mir so gut, dass ich erneut den Wunsch entwickelte, reittherapeutisch tätig zu werden. Zwar hätte ich in dieser Klinik meine Zusatzausbildung zur sozial-psychiatrischen Betreuungskraft machen können und der Weg für eine Ausbildung am Kuratorium hätte mir somit offen gestanden, jedoch kam ich nach drei Jahren durch den ständigen Wechselschichtdienst an meine körperlichen und psychischen Grenzen. Überdies nahm das Gewaltpotential auf der Station von Jahr zu Jahr zu. Der Dienst wurde immer gefährlicher, daher entschied ich mich gegen die Arbeit in der Psychiatrie und wechselte wieder in eine Dialysepraxis.

In den vergangenen Jahren hat sich einiges im Bereich der Reittherapie getan. Es gibt nun mehrere Schulen, die Reittherapeuten ausbilden. Nachdem ich mich eingehend informiert hatte, begann ich 2002 meine Weiterbildung zur Reittherapeutin am Plennschützer Institut.

Nebenbei arbeitete ich auf einem nahen Therapiehof, um erste praktische Erfahrungen zu sammeln. Nach erfolgreichem Abschluss meiner zweijährigen Ausbildung nahm ich eine Stelle in einem psychiatrischen Wohnheim an. Diese Einrichtung befand sich noch im Aufbau, also konnte ich dort viele kreative Ideen einbringen. Mein Chef und meine Kollegen waren hoch erfreut, dass ich Reittherapeutin war. Man stellte mir in Aussicht, hier meinen Traum, gemeinsam mit psychisch kranken Menschen und Pferden zu arbeiten, zu verwirklichen.

„Wir wollten schon immer Therapie mit Pferden anbieten, hatten bisher nur niemanden, der die Weiterbildung hatte”, erklärte mir mein Chef bei einem Gespräch.

Zuerst begann ich mit der Leitung einer sechsköpfigen Projektgruppe, die über das Landesamt finanziert wurde. Diese Klienten lebten sowohl in dem Wohnheim, in dem ich arbeitete, als auch in einem weiteren in der Nähe, das ebenfalls unserer Firma gehörte. Die Teilnehmer waren von dieser Art Therapie...

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