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Identität und Burnout in der Postmoderne

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783640862856
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Psychologie - Sozialpsychologie, Note: 1,0, Universität Bremen, Sprache: Deutsch, Abstract: Es gibt bisher keine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit dem aktuellen Identitätsdiskurs in Bezug auf das Burnout-Phänomen beschäftigt. Die Erfahrung einer existenziellen (Lebens-)Krise, die zudem noch chronifizieren kann, hat immer Einfluss auf das Identitätsgefühl der betreffenden Person bzw. des Subjekts. Das Phänomen Burnout soll daher in dieser Diplomarbeit vor dem Hintergrund des aktuellen Identitätsdiskurses analysiert werden. Gegenstand der wissenschaftstheoretischen Perspektive des postmodernen Identitätsdiskurses ist die Frage, wie Individuen in der heutigen Zeit und unter gegebenen soziokulturellen Prozessen ihre Identität ausbilden. Das 'arbeitende' Subjekt soll daher nicht nur als ein berufstätiges verstanden werden, sondern als ein Identitätsarbeit leistendes Subjekt. Trotz seiner jahrzehntelangen Tradition bescheinigt Kellner (1992) dem Thema der Identitätsbildung eine hohe Aktualität, da seiner Meinung nach Identität überhaupt erst zu einer Aufgabe des Subjekts in der spezifischen historischen Situation der Postmoderne wird. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe der Identitätsbildung liegt nach Keupp et al. (2006) auf der Subjektseite in der Individualisierung als intersubjektivem Selbstanspruch. Strasser (2000) geht sogar soweit zu behaupten, dass 'Ausbeutung und Entfremdung zunehmend weniger als fremd gesetzter Zwang einem Menschen begegnet, sondern mehr und mehr zu einer Selbsttechnologie wird, zu einer Selbstdressur, die allerdings in den Ideologien des Neoliberalismus in einem Freiheits- oder Autonomiediskurs daher kommt' (zitiert nach Keupp, 2010, S.19).

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Leseprobe

2 Burnout


 

Zunächst wird die Begriffswelt von Burnout dargestellt. Im Anschluss erfolgt ein Überblick über die historische Entwicklung des Phänomens und dessen Erforschung. Daraufhin werden die Messung von Burnout sowie Erklärungsund Therapieansätze erläutert. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Darstellung von Grundannahmen im Zusammenhang mit Burnout.

 

2.1 Begriffsklärung


 

Der Burnout-Begriff wird erst seit den 1970er Jahren als Krankheitsbegriff verwendet. Vorher beschränkte sich seine Bedeutung auf den Bereich der Technik, was an der folgenden lexikalischen Definition aus dem Brockhaus (1999) erkennbar wird:

 

Burnout [engl. „Ausbrennen“], das,

 

Kerntechnik: das Durchbrennen der Brennstoffumhüllung von Brennelementen eines Reaktors infolge zu geringer Kühlung oder zu hoher Wärmeerzeugung durch den Brennstoff.

 

Dagegen lautet eine Definition des Burnout-Syndrom [engl.]:

 

Krankheitsbild, das Personen aufgrund spezifischer Beanspruchungen entwickeln können und das mit dem Gefühl verbunden ist, sich verausgabt zu haben, ausgelaugt und erschöpft zu sein (Sich-ausgebrannt-Fühlen). Es kommt zu einer Minderung des Wohlbefindens, der sozialen Funktionsfähigkeit sowie der Arbeits- und Leistungsfähigkeit“ (Brockhaus, 1999).

 

Im Folgenden wird aufgrund der einfacheren Schreibweise überwiegend von Burnout die Rede sein und damit der Terminus im Sinne des Krankheitsbildes gemeint sein.

 

2.1.2 Definition


 

„Die bestehende Vielfalt an Definitionen und Modellen trägt maßgeblich zur Unschärfe des Burnout-Begriffs bei“ (Stöckli, 1999, zitiert nach Schneglberger, 2010, S. 29).

 

Bei der Literaturrecherche fällt die Vielfalt an nebeneinanderstehenden und heterogenen Definitionsvorschlägen auf. Trotz unbestrittener Existenz, lässt sich das Burnout-Syndrom nicht exakt definieren. Prävalenzraten schwanken stark, da es keine genauen Cut-Off-Werte für die Diagnose von Burnout gibt.

 

Für Burisch (2006), ein renommierter deutscher Burnout-Forscher, ist der Burnout-Begriff eine „randunscharfe Menge, die zu definieren der Aufgabe gleichkomme, die Grenzen einer großen Wolke beschreiben zu wollen“ (zitiert nach Hedderich, 2009, S. 12). Im Folgenden werden beispielhaft einige Definitionen wiedergegeben. Die Burnout-Forscherin Christina Maslach (1982) versteht darunter „ein Syndrom emotionaler Erschöpfung, Depersonalisation und persönlicher Leistungseinbußen, das bei Individuen auftreten kann, die in irgendeiner Art mit Menschen arbeiten. Es ist eine Reaktion auf die chronische emotionale Belastung, sich andauernd mit Menschen zu beschäftigen, besonders, wenn diese in Not sind oder Probleme haben“ (zitiert nach Burisch, 2006, S. 17). Während bei dieser Definition helfende Berufe im Vordergrund stehen, konzentrieren sich Edelwich und Brodsky (1980) auf die generellen Arbeitsbedingungen. Burnout sei demnach „ein fortschreitender Abbau von Idealismus, Energie, Zielstrebigkeit und Anteilnahme als Resultat der Arbeitsbedingungen“ (zitiert nach Burisch, 2006, S. 19). Auch für Stock (2010) ist Burnout ein „Zeitphänomen, das durch Veränderungen in der Arbeitswelt, Globalisierung, Auflösung von Familienstrukturen und durch demografische Entwicklungen verstärkt wird“ (S. 7).

 

Rösing (2003) führt als wissenschaftliche Definition folgende an, die durch ein gängiges Messinstrument (s. Kap. 2.3) von Burnout operationalisiert ist:

 

Burnout ist ein Zustand emotionaler Erschöpfung am Beruf. Er geht einher mit negativen Einstellungen zum Beruf, zu den Inhalten oder den Mitteln des Berufs (Zynismus) oder zu den Partnern oder Klienten im Beruf (Depersonalisation). Hinzu kommt ein erheblich reduziertes Selbstwertgefühl in Bezug auf die eigene berufliche Leistungsfähigkeit. Burnout ist ein sich langsam entwickelndes Belastungssyndrom, das nicht selten wegen der kreisförmigen, gegenseitigen Verstärkung der einzelnen Komponenten (emotionale Erschöpfung führt zu geringerem Selbstwertgefühl, welches zu mehr emotionaler Erschöpfung führt usw.) zur Chronifizierung neigt. (S. 20)

 

Eine recht umfassende Definition, die versucht, vorangegangene Definitionen zu integrieren, stammt von Schaufeli und Enzmann (1998):

 

Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand ,normaler’ Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung (distress), einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber lange unbemerkt bleiben. Sie resultiert aus einer Fehlpassung von Intentionen und Berufsrealität. Burnout erhält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zusammenhängen, oft selbst aufrecht. (S. 36)

 

Interessant ist die hier anklingende individualisierende Ursachenzuschreibung. Dysfunktionale Einstellungen und ungünstige Bewältigungsstrategien stellen erste Erklärungsversuche dar, die sich jedoch nur auf die Dispositionen des Individuums beschränken.

 

Eine Definition, die sich vom Bezug auf die Arbeitswelt löst, liefern Maslach und Leiter (1997): „[Burnout] stellt einen Verschleiß von Werten, Würde, Geist und Willen dar - einen Verschleiß der menschlichen Seele. Es ist eine Krankheit, die sich schrittweise und gleichmäßig über einen längeren Zeitraum hin ausbreitet und die Menschen in einen Teufelskreis bringt, aus dem es nur schwer ein Entrinnen gibt“ (zitiert nach Rösing, 2003, S. 74).

 

In einem völlig anderen Kontext beschreibt Pines (1996) in Couple Burnout, wie sich idealistische Vorstellungen von Liebe im Beziehungsalltag auflösen und somit die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität zum Burnout innerhalb der Beziehung führt. Die verwirrende Vielfalt an bestehenden Burnout- Definitionen werten Kleiber und Enzmann (1990) als Indiz für den defizitären Theoriestatus des Burnout-Konzepts. Während die Existenz des Phänomens weitgehend unbestritten ist, stellt „die genaue Definition des Konstruktes Burnout ... ein zentrales Grundproblem“ dar (Körner, S, 2003, S. 17). Auch Rook (1998) stellt fest, dass die „eindeutige Begriffsfestlegung ... für den zentralen Begriff Burnout im Burnoutforschungsfeld nicht gelungen“ ist (S. 99).

 

Je nach theoretischem Kontext ändert der Begriff seine Bedeutung und darüber hinaus ist eine Ungenauigkeit „hinsichtlich der Bedeutungszuschreibungen innerhalb verschiedener Theoriezusammenhänge zu beklagen“ (a.a.O.).

 

Was dies konkret für die Abgrenzung zu auftretenden Nachbarkonzepten wie Stress oder Depression bedeutet, wird nach einer ausführlichen Darstellung der Begriffsgeschichte von Burnout und der damit assoziierten Symptomvielfalt erläutert.

 

2.1.3 Begriffsgeschichte


 

Die wissenschaftliche Entstehungsgeschichte des Burnout-Begriffs im Sinne eines Krankheitsbildes liegt im Jahre 1974 und geht auf den US-amerikanischen Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger zurück[1]. Dieser arbeitete ehrenamtlich in der alternativen psychiatrischen Gesundheitsversorgung und beschrieb 1974 seine eigenen leidvollen Erfahrungen mit Burnout im Journal of Social Issues in einem Artikel namens Staff Burnout. Dieser Artikel gilt für viele Autoren als Anstoß für die Erforschung des Burnout-Syndroms (Burisch, 2006; Schneglberger, 2010). Freudenberger verstand Burnout damals noch als eine Symptomatik von Menschen in helfenden Berufen, wobei er später genau diese Einschränkung aufhob.

 

Burisch (2006) bezeichnet den Aufsatz von 1974 ebenfalls als den Auftakt der Burnout-Forschung, wobei er darin aufgrund des eigenbiographischen Charakters des Artikels eher den Anstoß für eine wissenschaftliche Erforschung von Burnout, als den Beginn selbst sieht. Den Beginn der empirischen Phase, in der sich der Schwerpunkt der Erforschung von qualitativen Studien auf quantitative Erhebungsverfahren verlagerte, verbindet Burisch mit den Namen Christina Maslach und Ayala Pines. Maslach entwickelte 1981 mit Susan E. Jackson den ersten Fragebogen zur Messung von Burnout (s. Kap. 2.3), das Maslach Burnout Inventory (MBI), das bis heute das Standardverfahren zur Messung von Burnout darstellt (Burisch, 2006).

 

Auch Rösing (2003) unterteilt in ihrer umfassenden Analyse der internationalen Burnout-Forschung in zwei Phasen. Die klinische Phase (Mitte der 70er Jahre bis Anfang der 80er Jahre), deren Pionier Freudenberger darstellt, zeichnet sich laut Rösing durch deskriptive Studien und illustrative Fallberichte aus. Die zweite und empirische Phase (ab den 80er Jahren) sieht sie ebenfalls durch das von Maslach und Jackson (1981) entwickelte Messinstrument begründet. (Zu dessen Erläuterung s. Kap. 2.3).

 

Erst in den 90er Jahren entwickelte sich die Burnout-Forschung über die Grenzen der USA hinaus. Einige der heute führenden Forscher im europäischen Raum, die sich mit der geschichtlichen Entwicklung und Weiterentwicklung des Burnout-Begriffes beschäftigen, sind Wilmar Schaufeli von der Universität Utrecht und Matthias...

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