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Kommunale Gesundheitsförderung. Gestaltungsmöglichkeiten zur Erhöhung der Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund

AutorBirgit Renner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl59 Seiten
ISBN9783656921325
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziologie - Medizin und Gesundheit, Note: 1,7, Hamburger Fern-Hochschule, Veranstaltung: Gesundheitsmanagement, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Gesundheit gehört zu den Grundrechten eines jeden Menschen. Dies haben die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine 1948 gegründete internationale Einrichtung der Vereinten Nationen, im Mai 1998 in dem Konzept 'Gesundheit für alle' erneut bekräftigt. Alle damaligen 51 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO strebten mit der verabschiedeten Agenda innerhalb der Länder, aber auch länderübergreifend, eine gesundheitliche Chancengleichheit und solidarisches Handeln an. Um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten, sollte der Beschluss sowohl durch nationale als auch regionale Konzepte und Strategien verwirklicht werden (vgl. WHO 1998: 8). Allerdings publizierte das Deutsche Ärzteblatt bereits im Jahre 1991, dass die Umsetzung einer kommunalen Gesundheitsförderung sehr komplex ist. Denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die zum einen eine fachübergreifende Zusammenarbeit und zum anderen eine erhebliche Bürgerbeteiligung erfordert (vgl. Weber 1991: 27).

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Leseprobe

3 Bevölkerung mit Migrationshintergrund


 

Unter Migration versteht man eine langfristige Verlegung des Lebensmittelpunktes von Individuen, Familien, Gruppen oder auch ganzen Bevölkerungen; werden dabei Staatsgrenzen überschritten, spricht man von einer internationalen Migration (vgl. Bundesministerium des Innern 2014: 12). Der Beweggrund, warum Menschen ihre Heimat verlassen, beruht auf politischen, wirtschaftlichen, religiösen, kulturellen, sozialen, demographischen, ökologischen und ethnischen Motiven (vgl. Oltmer 2013: 1). Carl Zuckmayer hat das Phänomen der Migration in seinem Drama „Des Teufels General“ sehr treffend beschrieben, als der General den Offizier auffordert „Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht … und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsass, ein dicker Schiffer aus Holland … – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt. … Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen“. (Zuckmayer 1976: 232).

 

So betrachtet wird Deutschland weiterhin ein lebendiges, lebenskräftiges „Gewässer“ bleiben, denn es erhält als Zuwanderungsland weiter die wichtige Mischung. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Schmidt, betont im Migrationsbericht 2012, dass diese Entwicklung, unter anderem auch wegen des bevorstehenden demographischen Wandels, dringend notwendig sei. Dass sich eine Verjüngung der Gesamtbevölkerung durch den Zuzug realisieren lässt, belegen die Zahlen aus dem Jahr 2012. 62,3 % der Zugezogenen gehören zu der Altersgruppe der 18- bis unter 40-Jährigen. In der Gesamtbevölkerung leben derzeit nur 26,1 % in dieser Altersgruppe und nahezu so viel  im Alter von über 65 Jahren, nämlich 20,6 % Menschen (vgl. Bundesministerium des Innern 2014: 27).

 

3.1  Begriffserläuterung


 

Nachdem alle deutschen Vorfahren irgendwann einmal in dieses Land eingewandert sind (vgl. Stix 2009: 58), ist die Abgrenzung, welche Personen unter die etwas sperrige Bezeichnung Bevölkerung mit Migrationshintergrund fallen, nicht leicht. So ist zu klären, ob auch die Nachkommen zu dieser Gruppe zählen und an wie viele Generationen dieser Status gegebenenfalls weitervererbt wird (vgl. Bommes 2011: 86). Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes hat 2005 den Begriff konkretisiert, um Daten über die Bedeutung von Migration für Staat und Gesellschaft in Deutschland zu erhalten. Demnach zählen zu den Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur aktuell Zugezogene, sondern alle, die nach 1949 ihren Lebensmittelpunkt in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt haben; ebenfalls alle in Deutschland geborenen Ausländer und in Deutschland als Deutsche geborene mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 5). Das Statistische Bundesamt hat, wie es schon in vielen klassischen Einwanderungsländern (USA, Kanada etc.) üblich ist, das Geburtsland und die Staatsangehörigkeit in einer Gliederung zusammengeführt und teilt so die deutsche Bevölkerung nach dem Migrationsstatus in Klassifikationen ein:

 

 

Abb. 2: Klassifikation der Bevölkerung nach Migrationsstatus (in Anlehnung an Statistisches Bundesamt 2013: 357)

 

Die ersten zwei Quadranten stellen die derzeit üblicherweise nachgewiesenen Gruppen der Ausländer dar. In dem 3. Quadranten fallen außer Spätaussiedler, Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit mit deutscher Staatsangehörigkeit u.a. auch Kinder, die während eines Auslandsaufenthalts von Deutschen ohne Migrationshintergrund geboren wurden. Diese Kinder zählen zwar im internationalen Sachverhalt als Zuwanderer, gelten allerdings nach deutschem Recht als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Bei dem markierten 4. Quadranten ist eine genauere Betrachtung nötig, denn außer den Deutschen ohne Migrationshintergrund gehören hierzu auch Personen mit Migrationshintergrund dazu. Das bedeutet, dass diese Menschen in Deutschland geboren sind, als Deutsche oder Eingebürgerte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber mindestens einen zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil haben (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 357).

 

3.2  Geschichtliche Entwicklung


 

Wenngleich Migration die weltweite Menschheitsgeschichte seit Jahrtausenden bestimmt, beleuchtet diese Arbeit nur kurz die Einwanderungsströmungen der jüngeren deutschen Geschichte ab dem 2. Weltkrieg (vgl. Stix 2009: 58). Obwohl zeitgleich steigende Zahlen der Abwanderung von Ausländern und Deutschen in ein anderes Land zu verzeichnen sind und diese den demographischen Wandel in Deutschland zusätzlich negativ beeinflussen, wird dieser Bereich nicht berücksichtigt (vgl. Bundesministerium des Innern 2014: 20).  

 

Die Einwanderung nach Deutschland ist von sehr divergenten Gruppierungen und verschiedenen Phasen geprägt. Zum Ende des 2. Weltkriegs und danach kamen rund 10 Millionen Kriegsgefangene, Flüchtlinge und Vertriebene an ihren ursprünglichen Wohnort zurück oder ließen sich andernorts nieder (vgl. Engels, Rass 2013: 172). Ein Großteil dieser Menschen wurde durch fünf Umsiedlungsprogramme und Familienzusammenführungsmaßnahmen bis 1950 auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Hinzu kamen bis zum Mauerbau 1961 zwischen Ost- und Westdeutschland ungefähr 3,1 Millionen sogenannte Republikflüchtige aus der DDR (vgl. Oltmer 2013: 51). Zusätzlich wurden ab 1955 mit anderen Ländern, wie beispielsweise Italien, Spanien, Griechenland oder der Türkei Anwerbevereinbarungen getroffen, um die fehlenden Arbeitskräfte für die boomende bundesrepublikanische Wirtschaft zu akquirieren. Diese ausländischen Arbeitsmigranten wurden als Gastarbeiter bezeichnet, weil ihr zeitlich begrenzter Aufenthalt ursprünglich als „Aufenthalt im Rotationsprinzip“ geplant und sie nach Ablauf der Aufenthaltsfrist wieder in ihr Heimatland zurückgehen sollten (vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 14; Razum et al. 2008: 12). Allerdings hatten weder die Unternehmen, welche die Arbeitskräfte angelernt hatten, noch die Betroffenen selbst, deren Lebensmittelpunkt nun Deutschland war, großes Inter-esse an der Rückführung. Im Jahre 1973 wurde der Anwerbestopp aufgrund von steigenden Erwerbslosenzahlen beschlossen und stellte die Gastarbeiter vor die Alternative, in ihr Heimatland zurückzukehren oder ihre Familien in die Bundesrepublik nachzuholen. Die Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte entschloss sich zum Familiennachzug (vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 14). Auch in der DDR gab es auf der Grundlage von Regierungsabkommen mit verschiedenen sozialistischen Staaten, wie Kuba oder Vietnam, Ausländerbeschäftigung, allerdings in einem viel geringeren Umfang (vgl. Oltmer 2013: 54). Außerdem wurde in Ostdeutschland die Rotation strenger durchgesetzt, die Aufenthaltsgenehmigung strikt an ein Unternehmen gebunden und auch kein Familiennachzug gewährt. Somit war eine Integration in die Gesellschaft praktisch nicht möglich (vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 20). Darüber hinaus besteht seit 1948/49 für politisch verfolgte Personen die Möglichkeit, in Deutschland Asyl zu beantragen. Das im Grundgesetz verankerte Recht wurde 1993 so stark eingeschränkt, dass Asylsuchende aus „verfolgungsfreien“ Ländern oder solche, die über „sichere Drittstaaten“ einreisen, keine Chance auf Asyl haben (vgl. Oltmer 2013: 56). Seither sind die jährlichen Asylanträge stark gesunken, da Deutschland lückenlos von sicheren Drittstaaten umgeben ist, aber auch, weil die Behandlung von Minderheiten in sogenannten verfolgungsfreien Ländern oft nicht die Schwelle erreicht, um als politisch verfolgt eingestuft zu werden (vgl. Waringo 2013: 3). Seit 1953 stellten 3,5 Millionen Menschen Asylanträge, welche derzeit gemäß dem Art. 16a Grundgesetz (GG), des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sowie § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) entschieden werden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2014: 8). Zwischenzeitlich nahm Deutschland eine große Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien auf. Nur weniger als 10.000 Personen erhielten das Bleiberecht, der überwiegende Teil der Flüchtlinge ist durch den Einsatz von Rückkehrförderprogrammen zurückgegangen oder weitergewandert (vgl. Bundesministerium des Innern 2011: 17). Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 stieg die Zahl der Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen und Rumänien, die nach Deutschland kamen sprunghaft an (vgl. Oltmer 2013: 57). Zuwanderer aus diesen Ländern sind im Sinne von Art. 116 Abs. 1 des GG deutsche Volkszugehörige und haben bis heute eine privilegierte Stellung unter den Migranten. Allerdings bringen auch sie prekäre Erfahrungen mit, die beispielsweise bei der Integration russlanddeutscher Spätaussiedler und ihrer Familienangehörigen spürbar sind. Sie litten vor allem während des Zweiten Weltkrieges, aber auch noch danach unter Diskriminierungen, extrem eingeschränkter Bewegungsfreiheit und es war ihnen untersagt, die deutsche Sprache zu sprechen oder kulturelle Gepflogenheiten auszuleben (vgl....

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