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E-Book

Kontaktabbruch in Familien

Wenn ein gemeinsames Leben nicht mehr möglich scheint

AutorClaudia Haarmann
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641240875
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Wenn Kinder einfach gehen
Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe des Buches »Kontaktabbruch. Kinder und Eltern, die verstummen«.

Konflikte sind in Familien keine Ausnahme, doch der totale Bruch kommt für die meisten überraschend. Mehrheitlich sind es erwachsene Kinder, die sich von den Eltern oder auch von der gesamten Familie lösen. Claudia Haarmann beschreibt die Hintergründe und Dynamiken, die zu den schweren Zerwürfnissen in Familien führen und zeigt Möglichkeiten zur Annäherung auf.

Claudia Haarmann, geboren 1951, arbeitete lange als freie Journalistin und ist heute Heilpraktikerin für Psychotherapie. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind die Bindungs- und Beziehungsdynamiken in Familien und deren Auswirkungen im Erwachsenenalter. Sie setzt vorwiegend körperorientierte Psychotherapieverfahren und Gesprächstherapie ein. Ihre Bücher »Mütter sind eben Mütter« und »Kontaktabbruch in Familien« sind erfolgreiche Longseller.

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Leseprobe

Einleitung

Dieses Buch richtet sich vor allem an Töchter, aber auch an Söhne, die mit dem Gedanken spielen, den Kontakt zu ihren Eltern abzubrechen, oder die in einer On-Off-Beziehung mit ihren Eltern leben, vor allem aber an diejenigen, die den Kontakt bereits eingestellt haben. Die Töchter stehen hier im Fokus, weil das Mutter-Tochter-Verhältnis der Schwerpunkt meiner Arbeit ist und vieles davon in dieses Buch mit einfließt.

Dieses Buch ist auch für alle Mütter und für alle Väter geschrieben, die den Rückzug ihrer Kinder nicht verstehen, die die Frage nach dem »Warum« bewegt und die sich womöglich in einer Sackgasse von Selbstvorwürfen oder Schuldzuschreibungen befinden.

Und dieses Buch ist genau genommen auch für die Großeltern der betroffenen Familien geschrieben, denn solch ein ernsthaftes Zerwürfnis hat in der Regel eine weitreichende Geschichte.

Die schweren Konflikte in Familien sind keine Ausnahmen. Schon die Erwähnung des Themas Kontaktabbruch löst schnell ein Kopfnicken aus, sehr viele Menschen kennen heute in ihrem Umfeld eine Tochter, einen Sohn, die ihre Familien verlassen haben oder darüber nachdenken, diesen Schritt zu tun. Mehrheitlich sind es die erwachsenen Kinder, die sich von den Eltern oder auch von der gesamten Familie lösen. Dass Eltern nichts mehr von ihren Kindern wissen wollen, kommt eher selten vor. Es gibt leider keine verlässlichen Daten über das Ausmaß der Kontaktabbrüche, aber die Zahl der Selbsthilfegruppen, der Internetforen und der Menschen, die Beratungen und Therapeuten aufsuchen, ist enorm. Und dieses Buch ist entstanden, weil ich seit dem Erscheinen von Mütter sind auch Menschen im Jahr 2008 kontinuierlich sehr viele Briefe von verzweifelten Müttern und Töchtern bekomme, die unter dem Familienunfrieden leiden und nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Während einer SWR-Sendung zum Thema »Mutter und Tochter« riefen Hunderte Hörer/innen an, um mir von ihrer Familientragödie zu erzählen, in der Hoffnung, Antworten zu finden.

Unser Beziehungsleben beginnt mit der Mutter, sie ist die Urbeziehung, mit ihr machen wir die grundlegenden ersten Bindungserfahrungen. Besonders deutlich wird das in Kapitel 10, in dem das Zusammenleben von Mutter und Kind während der Schwangerschaft thematisiert wird. Und das ist der Grund, warum die Mutter auch in diesem Buch eine wesentliche Rolle spielt. Die Lebensberichte, auf die ich mich hier beziehe, beschreiben Mutter-Tochter-Beziehungen. Es gibt aber keinen Zweifel, dass die Bindungsthematik genauso die Väter betrifft. Auch die Väter gestalten die Beziehung zu ihren Kindern, und sie sind im gleichen Maße verantwortlich für die Atmosphäre, die in einer Familie herrscht. In diesem Buch geht es um die Bindungs- und Kommunikationsdynamiken, die zu den schweren Zerwürfnissen führen.

In Kapitel 7 werden Erkenntnisse aus der Neurophysiologie vorgestellt, die unsere Kommunikation, unser Miteinander auf völlig neue Weise beleuchten. Vermutlich wird es die eine oder den anderen erstaunen, wie sehr dabei die Biologie unseres Körpers, unser Gefühls- und Zusammenleben beeinflusst.

Gesellschaftlich sind Beziehungsabbrüche alles andere als ein Randphänomen, sie sind Normalität. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es mehr als jemals zuvor toleriert wird, subjektiv belastende Beziehungen zu beenden. Paare ertragen ungute Beziehungen nicht mehr lange, sie trennen sich. Eltern lassen sich scheiden. Das Statistische Bundesamt verzeichnete allein im Jahr 2017 über 123.500 Minderjährige, die von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind. Väter verlassen ihre Kinder aus welchen (familiären) Gründen auch immer. Verwandtschaft hat bei Weitem nicht mehr die Bedeutung wie noch vor 30, 40 Jahren. Freiwillig gewählte Gemeinschaften und Wahlverwandtschaften gewinnen an Wichtigkeit.

Auch zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern hat sich Grundlegendes geändert. Töchter und Söhne halten ein schwieriges Familienklima nicht mehr unbedingt aus. Sie mahnen mit ihrem Verhalten an, dass etwas in der Familienatmosphäre so bedrückend ist, dass sie es nicht mehr hinnehmen wollen beziehungsweise hinnehmen können. Ihnen fällt es leichter als den Eltern und Großeltern, Gefühle zuzulassen. Sie halten mit dem, was sie bewegt, nicht mehr zurück. Und sie tun das häufig provokativ, manchmal überheblich und fordernd oder im schlimmsten Fall auch schweigend – aber sie tun es. Das christliche Gebot »Du sollst Vater und Mutter ehren« ist nur noch entfernt in Erinnerung. Die erwachsenen Kinder aus der jüngeren Generation haben Aufkleber, auf denen steht: »Seelenverwandtschaft ist dicker als Blut«. Anders als die Generationen vor ihnen sind sie mit den Grundlagen der Psychologie vertraut. Sie sind reflektiert, was ihr Leben betrifft, holen sich Hilfe im Außen, etwas, was früher kaum jemand tat. Und deshalb sind sie es, die die Familie aufrütteln, die Änderung provozieren, die handeln und nicht länger in der Vergangenheit gefangen sein wollen.

Während der Recherche zu diesem Buch habe ich oft gedacht: Das Thema ist so komplex wie das Leben selbst. Es hat so viele Facetten, dass kein einzelnes Buch ausreicht, um der Problematik gerecht zu werden. Nur einige Beispiele, die mir begegnet sind: Da ist die 65-Jährige, die über ihre Mutter schimpft: »Nie wieder gehe ich dahin, nie wieder lasse ich mir sagen, wie unmöglich und missraten ich bin.« Ihre Mutter ist 90 Jahre alt, liegt seit drei Jahren nahezu bewegungslos im Bett. Nur sprechen kann sie noch. Da ist der Sohn, der nichts als Abstand braucht, weil seine Mutter ihn zu ihrem engsten Vertrauten, ihrem Ein und Alles gemacht hat. Und der 45-Jährige, der mit seinem Vater in all den Jahren – gefühlt – nicht mehr als vier wichtige Sätze gesprochen hat und der die Eltern mehr oder weniger bewusst aus seinem Leben ausgrenzt. Oder die 15-Jährige, die die Gewalt zu Hause, die Streitereien, das Begrabschen ihres Stiefvaters nicht mehr aushält und lieber bei Freunden oder notfalls sogar auf der Straße lebt. Ganz zu schweigen von den Adoptivkindern, für die der Kontaktabbruch am Beginn ihres Lebens stand.

Und weil es so komplex ist, muss das Thema eingegrenzt werden. Die Familie, so stellte Johann Wolfgang von Goethe vor etwa 200 Jahren fest, solle den Kindern starke Wurzeln geben und Flügel zum Fliegen. Doch diejenigen, die das familiäre Band infrage stellen, beklagen, dass sie weder intakte Wurzeln gefunden noch die Ermutigung zum Fliegen bekommen haben. Meine These lautet: In diesen Familien konnte etwas Wesentliches nicht vermittelt werden – Sicherheit, Halt, Geborgenheit, aber auch Konstanz und Wertschätzung. Aus diesem Samen sind aus meiner Sicht die Zerwürfnisse gewachsen, und daraus ergibt sich die Frage, was die Vermittlung des Wesentlichen verhindert hat.

Ich gehe in diesem Buch nicht spezifisch auf die Vater-Tochter- oder die Vater-Sohn-Beziehung ein. Auch die Geschwisterthematik behandle ich nicht ausdrücklich, obwohl natürlich die Geschwister bei den Kontaktabbrüchen involviert sind. Bruder und Schwester können nicht neutral sein, denn sie sind Teil des Familiensystems. Oft fühlen sich die Geschwister in eine Parteilichkeit gezwungen und solidarisieren sich mit der Schwester/dem Bruder, die/der die Familie verlassen hat, oder aber mit den trauernden Eltern. Schwierig ist es natürlich, wenn sie in die Rolle der reitenden Boten zwischen den beiden Parteien geraten. Dabei ist es wichtig zu wissen: Die Verbindung der Eltern zu den einzelnen Kindern kann sehr verschieden sein. Die Lebenssituation der Eltern ist unter Umständen beim ersten Kind eine ganz andere als beim zweiten oder dritten gewesen. Es gibt vieles, was die Beziehung zu einem Kind beeinflussen kann. Was auch immer es war: Die unterschiedlichen Zeitfenster, in denen Geschwister geboren werden, haben erheblichen Einfluss auf die Beziehung zwischen Mutter/Vater und dem jeweiligen Kind.

Ein besonderer Fall ist der Missbrauch. Das Thema wird hier nicht dezidiert behandelt, denn bei massiven Übergriffen in der Familie ist es in der Regel für die Opfer angeraten, sich aus den missbräuchlichen Beziehungen zu lösen. Bei körperlichem, seelischem und sexuellem Missbrauch müssen sich die erwachsenen Kinder vor weiteren Verletzungen schützen. Der Abbruch der Beziehungen ist notwendig, um Grenzen zu setzen, um nicht stetig einer neuen Traumatisierung ausgesetzt zu sein. Vor allem auch, um die eigene Integrität wiederherzustellen. In diesen Fällen brauchen die Betroffenen therapeutische Hilfe und Begleitung, um sich aus den schädigenden Verhältnissen lösen zu können und um Stabilität in ihr jetziges Leben zu bringen.

Dieses Buch ist geschrieben für Mütter, Väter, Töchter, Söhne, die in der Tiefe den Wunsch haben, wieder in Kontakt zu kommen, aber den Weg nicht kennen. Ich glaube, dass es bei der Mehrzahl der betroffenen Familien Spielraum für eine Veränderung gibt. Um diesen zu nutzen, brauchen sie jedoch ein Bewusstsein darüber, was in dem Familiensystem geschehen ist. Nur das, was verstanden wird, ist zu verändern. Ich habe es oft erlebt: Mit dem Erkennen der Wirkkräfte und Hintergründe können schwierige Verhaltensautomatismen verlassen werden und die immer gleichen Gedanken und Vorwürfe ziehen sich zurück. Man nimmt dann etwas Merkwürdiges wahr: Wir Menschen sind geneigt, gerade diejenigen, die wir am meisten lieben, niederzumachen. Wir verhalten uns häufig gegenüber unseren Kindern und auch Partnern auf so unfreundliche Weise, wie wir es niemals mit Fremden oder guten Bekannten tun würden. Diese scheinbare Paradoxie möchte ich hier entwirren.

Vier Kapitel in diesem Buch sind den sachlichen Hintergründen der Konfliktsituation gewidmet. (In Kapitel 2, 6 und 7 gehe ich auf Theorien und...

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