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Lutherisch ist, wenn man trotzdem lacht

Festschrift zum 25. Dienstjubiläum von Kirchenrat Michael Schätzel

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl252 Seiten
ISBN9783752853391
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie passen lutherische Theologie und Humor zusammen? Die Beiträge dieses Bandes, der als Festschrift zum 25. Dienstjubiläum von Kirchenrat Michael Schätzel erscheint, gehen dieser Frage in biografischer, humorvoller, predigtpraktischer und theologisch-reflektierender Weise nach. Dabei wird erkennbar: Humor hat mit Spannungen zu tun. Und es scheint gerade eine Eigenart lutherischer Theologie zu sein, Spannungen nicht einfach aufzulösen, sondern Spannungsvolles nebeneinander stehen zu lassen. Entsprechend lässt sich das bekannte Diktum "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" konfessionell modifizieren: "Lutherisch ist, wenn man trotzdem lacht". Der lutherische Sünder reibt sich verwundert die Augen über die Botschaft, dass er - ja wirklich er mit all dem, was ihm anhängt! - erlöst ist, und kann sich darüber ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen!

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Leseprobe

Hans-Jörg Voigt


Humor im Kirchenbüro oder was ein Kirchenbüro mit einem Bahnhof gemeinsam hat


1. Das Kirchenbüro als liminaler Ort – eine Einleitung

Martin Luther sagt: „Gott will, daß wir fröhlich seien, und haßt die Traurigkeit. Wenn er nämlich gewollt hätte, daß wir traurig seien, hätte er uns nicht die Sonne, den Mond und die anderen Schätze der Erde geschenkt. Dies alles gibt er uns zur Freude. Sonst hätte er Finsternis geschaffen und nicht zugelassen, daß die Sonne immer wieder aufgeht oder daß der Sommer (immer) wiederkommt.“2

Humor und Freude sind wie Schmiermittel. Wenn ein Getriebe ohne Öl läuft, dann läuft es heiß, nutzt sich ab und bleibt sehr rasch stehen. Wenn das Getriebe des Kirchenbüros, in dem der Geschäftsführende Kirchenrat Michael Schätzel nunmehr seit 25 Jahren seinen Dienst tut, ohne das Schmiermittel Humor und Freude liefe, dann liefe es heiß, würde viel Frustration produzieren und bliebe am Ende stehen. Mit anderen Worten: Ohne Humor und Freude hätte er es keine 25 Jahre ausgehalten.

Wer eine verfahrene Angelegenheit mit Humor nimmt, verändert die Perspektive. Er begibt sich quasi in eine Außenperspektive und lacht über sich selbst. Deshalb sind Christenmenschen mit Luther gesprochen fröhliche Leute, weil durch Jesus Christus das allermeiste von dem, was uns den Alltag füllt, vorletztlich ist.

Nun ist ein Kirchenbüro nicht der Ort, an dem man eine Heimstadt des Humors vermuten würde. Das Wort „Büro“ lässt eher an Aktenstaub und bleiche, weil vom Sonnenlicht unerreichte, Büroangestellte denken. Im Kirchenbüro der selbstständigen Lutheraner ist das anders. Hier hörte man nach mündlicher Überlieferung – erst hier wird sie schriftlich – einen Vorgänger im Bischofsamt3 auf die Melodie „All Morgen ist ganz frisch und neu“ laut singen: „Al Barry ist ganz frisch und neu“. Alvin L. Barry war Präses der Lutherischen Kirche-Missouri Synode von 1992–2001. Mündliche Überlieferung in Verbindung mit einem Ort kann sehr hartnäckig sein. Kinderlachen ist auf den Fluren zu hören und seit einigen Jahren Enkellachen. Grady, der Büro-Hund, jault gelegentlich nach seinem Frauchen, so dass man sich in Alaska von einem Wolfsrudel umgeben wähnt. Der Hund ist in diesem Moment wahrscheinlich der einzige, der nicht fröhlich ist.

Im Grunde genommen ist solch ein Kirchenbüro wie ein Bahnhof: Menschen kommen und gehen, treffen sich, trinken Kaffee, lachen und manche weinen auch. Die Mitarbeiterinnen, deren Büro an den Sitzungsraum angrenzt, können an der Qualität und vor allem an der Lautstärke des Gesangs die Gruppe identifizieren, die da tagt. Ein „Amt für Gemeindedienst“ ist eben keine „Gesangbuchkommission“. Es findet der Austausch von Waren statt, vor allem von Papier. Bahnhöfe haben es mir seit meinen Kindertagen angetan. Wenn ich als Kind im Bett lag und nachts das markante Signal einer Dampflock zu hören war, bekam ich zu Hause regelmäßig Fernweh und in der Fremde regelmäßig Heimweh. In meinen Predigten tauchen deshalb Bahnhöfe immer wieder einmal auf, denn es fasziniert mich, wenn zum Beispiel ein Gesicht aufleuchtet beim Wiedersehen eines Menschen oder wenn im kalten Neonlicht eines Sonntagabends Tränen des Abschieds über den Bahnsteig fließen. Maler haben sich für Bahnhöfe interessiert, Claude Monet4 (1840–1926) zum Beispiel. Erst sehr viel später habe ich den passenden Begriff dafür gelernt: Es handelt sich um einen „liminalen Ort“5, also um einen jener merkwürdigen Grenzorte, an denen wir einander begegnen. Das Wort ist abgeleitet vom lateinischen limen (Schwelle, Umriss, Rand). Kirchen sind solch liminale Orte in besonderer Weise, weil Himmel und Erde sich dort begegnen, das göttliche naht sich den Menschen in der Predigt des Wortes Gottes und in den Sakramenten und Menschen stimmen in Dank- und Loblied ein.

Das Kirchenbüro steht dahinter zurück, weil hier keine sonntäglichen Gottesdienste gefeiert werden. Aber jeden Morgen, den wir gemeinsam hier beginnen, wird Gottes Wort gelesen und das Gebet der Kirche erklingt in Form der Mette.

Kirchenbüro als Bahnhof, ein liminaler Ort, ein Ort an dem gelacht und sehr viel seltener auch geweint wird.

2. Der Geehrte

Martin Luther: „Das beste Geschenk und Wesen ist ein heiteres und fröhliches Herz. Im Gesetz des Mose werden nämlich die Traurigen nicht zum Altar und Opfer zugelassen (3. Mose 10,6; 21,10).“6

Aus der Anfangszeit seines Dienstes im Kirchenbüro erzählt Michael Schätzel von einer Gemeindebegegnung, auf der er unter anderem auch von seiner Arbeit berichtete. Dabei habe anschließend einer zu ihm gesagt – und ich stelle mir so den Typ handfester Ruheständler vor: „Na, Herr Pastor, Ihren Job7 möchte ich haben!“ Klar, aus dem Blickwinkel eines Menschen, für den Arbeit harte körperliche Arbeit ist, bei der man abends sieht, was man gemacht hat, für den erscheint solch ein Tausch verlockend. Im Kirchenbüro aber müssen wir genau darauf achten, die erledigte Arbeit für uns selbst sichtbar zu machen. Den täglichen Gang zum Briefkasten zum Beispiel, kurz vor der Leerungszeit 16.00 Uhr, den lässt sich keiner von uns abnehmen. Stolz tragen wir unsere Jagdbeute in Form von Briefen an den Kasten. Manchmal begegnen wir uns sogar und machen uns gegenseitig Komplimente für die Anzahl der erle(dig)gten Angelegenheiten.

Mit einem weiteren Bild aus der Jagd hat mir Michael Schätzel in meiner Anfangszeit im Kirchenbüro sehr geholfen. Manche Aufgaben sind wie ein Tiger, vor dem du Respekt, wenn nicht sogar Angst hast, brachte er mir bei. Die Devise muss lauten: „Am besten gar nicht ignorieren!“ Schau dem Tiger in die Augen. Identifiziere ihn als Tiger. Öffne auf deinem Rechner eine Datei und gib ihm, dem Tiger oder eben der Datei, einen Namen. Wenn du ihn dann erlegt hast, ist dein Jagdeifer so groß, dass du am gleichen Tag noch weitere Tiger erlegen kannst.

Aus Behörden oder anderen kirchlichen Dienststellen, mit denen wir zusammenarbeiten, kann der Geschäftsführende Kirchenrat gelegentlich den jovialen Hinweis hören: „Das kann ja dann Ihre Rechtsabteilung erledigen!“ oder „Geben Sie das doch einfach in Ihre Presse-Stelle!“ Mancher stellt sich wohl einen langen Gang vor mit zahlreichen Türen, in die man nur hineinrufen müsse, und die Dinge würden erledigt. Michael Schätzel braucht keine Türen zu öffnen und zu rufen, ja nicht einmal Hüte muss er wechseln. Er öffnet an seinem Rechner ein neues Dokument und ist „Rechtsabteilung“. Er öffnet ein weiteres Dokument und er ist „Pressestelle“. Zugegeben für die Allgemeine Kirchenkasse und die Materialwirtschaft haben wir wunderbare Mitarbeiterinnen im Haus.

Schnell habe ich gelernt, dass es sinnvoll ist, am Montag die Ergebnisse von „Hannover 96“ zu kennen, dem ortsansässigen Fußballklub, dessen Spiele Michael Schätzel in Freude und Leid, in Ab- und Aufstieg des Klubs treu besucht. Es wäre zu viel gesagt, würde ich behaupten, dass die Stimmung im Büro vom Verlauf der Samstagsfußballbegegnung abhinge, aber vorbereitet möchte ich schon sein, das ist eine Frage der Empathie.

Michael Schätzel versteht seine Arbeit immer wieder gern als die eines „Dienstleisters“ und das ist sehr zutreffend. Dieser Gedanke ist dem diakonischen Anliegen der Kirche sehr nahe, denn Diakonie ist der Dienst am Nächsten, in diesem Fall an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche, den hauptamtlichen wie den ehrenamtlichen und den Gemeindegliedern. Dass zu solchen „Dienstleistungen“ immer wieder auch Gottesdienste und seelsorgerliche Gespräche gehören, soll nicht unerwähnt bleiben.

3. Der kleine Omnibus – vom Panoptikum der una sancta

Martin Luther: „Ein Christ muß ein fröhlicher Mensch sein. Wenn er es nicht ist, dann ist er vom Teufel versucht.“8

Die schöne, nicht zu große Stadtvilla in der Schopenhauerstraße 7 befindet sich in „Hannovers schönstem Stadtteil Kleefeld“9, wie Michael Schätzel den Ort seines Arbeitens und Wohnens selbst gern nennt. Tatsächlich finden sich in Kleefeld zahlreiche Jugendstilhäuser, deren Schönheit es merkwürdigerweise noch nicht in alle Stadtführer geschafft hat. Das muss mit dem niedersächsischen Understatement zu tun haben, welches diese Stadt immer wieder so sympathisch macht.

Betritt man das Kirchenbüro, so findet man sich in einem mit dunklem Holz zwei Meter hoch getäfelten Flur wieder. Damit die dunkle Holzfarbe für Gäste nicht zu ehrfurchtgebietend daherkommt, steht oben auf dem Gesims der Holztäfelung, also in zwei Meter Höhe, ein kleiner Omnibus. Es handelt sich dabei um ein Gastgeschenk oder Reiseandenken aus den...

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