Sie sind hier
E-Book

Philosophiegeschichte

AutorPirmin Stekeler-Weithofer
VerlagWalter de Gruyter GmbH & Co.KG
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl287 Seiten
ISBN9783110193992
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,95 EUR

Wie eine Geschichte der Philosophie zu schreiben ist, ist nicht nur selbst ein systematisches Problem der Philosophie, eine entsprechend verfasste Philosophiegeschichte hat Konsequenzen für die Beurteilung des je gegenwärtigen systematischen Philosophierens, gerade auch im Blick auf noch relevante Themen im Unterschied zu Anachronismen, bloßen Umformulierungen inhaltlich bekannter Lehrstücke oder bloß historischer Bildung. 

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3. Kapitel: Das Problem der Bestimmung von Inhalten (S. 61-62)

1. Vom Ausdruck zum Inhalt

Die Zugänge zur Philosophie über die Philosophen, ihre Meinungen, Werke und theoretischen Leistungen sind, wie wir sehen, gerade aus rezeptionsgeschichtlichen Gründen ambivalent: Einerseits hätten wir gern den direkten Zugang zu ihrem subjektiven Erleben und ihren personalen Mitteilungsabsichten. Andererseits wissen wir,dass wir als Leser ihnen Inhalte auf der Basis dessen zuschreiben, was sie uns an Texten real hinterlassen oder welche Texte wir ihnen zuschreiben. Damit bemerken wir die kategoriale Differenz und zugleich sinnkonstitutive Beziehung zwischen Text und Inhalt, zwischen sprachlich-symbolischer Repräsentation und repräsentiertem Gedanken. Jede Geschichte der Entwicklung von Ideen oder von Begriffen, also auch jede diachrone Analyse und Explikation der Inhalte von Texten oder der Bedeutung von Sätzen und Wörtern, ist damit aus methodischen Gründen als eine Art Regietheater aufzufassen. Wir führen jeweils ein altes Drehbuch neu auf. Wir übersetzen die Texte in unsere Sprache und unsere Zeit. Robert Brandom spricht, leicht selbstironisch, in diesem Kontext von bebop history35.Das drückt aus, dass wir in Interpretationen von Texten nicht anders als in Interpretationen von Musik-oder Theaterstücken die Stücke selbst immer auch variieren. Allerdings gilt es dann zu beurteilen, wie weit die Variationen inhaltsinvariant sind und damit als rein äußerliche Variationen des Gleichen helfen, den wesentlichen Inhalt in verschiedenen äußeren Formen als solchen wiederzuerkennen, oder ob der Inhalt und das Wesentliche gerade verloren geht. Dabei ist sowohl die Faktentreue zu beachten als auch die Perspektive der jeweiligen Zeit von der Entwicklungsgeschichte im Rückblick zu unterscheiden. Hegel erklärt dazu:

Man muß nur historisch zu Werke gehen, nur dies ihr [der Geschichte] zuschreiben, was uns unmittelbar angegeben wird. (…) Es liegt nur gar zu nahe, die alten Philosophen in unsere Form der Reflexion umzuprägen. (…) Wir müssen daher nur die eigensten Worte gebrauchen; das Entwickeln sind fernere Gedankenbestimmungen, die noch nicht zum Bewußtsein jenes Philosophen gehören (Vorlesungen I, S. 62f.) Es ist zwar möglichst klar zu trennen, was man den damaligen Autoren zuschreiben kann und was ein „Heraussetzen des innerlich Enthaltenen“ ist, dessen also, was sich ex post aus einem Satz oder Text richtig heraussetzen lässt, unabhängig davon, ob es schon (damals oder entsprechend explizit herausgesetzt ist oder nicht (Vorlesungen I, S. 63). Es sollte aber klar bleiben, dass wir Inhalte nur verstehen, wenn wir in der Lage sind, äußere Variationen der Präsentation des gleichen Inhalts als solche zu erkennen. Daher führt unsere Grundfrage, wie Sätze ihre Bedeutung erhalten und Texte ihre Inhalte repräsentieren, zur Frage, was es heißt, verschiedene Sätze oder besser schon verschiedene Äußerungen von Sätzen und verschiedene Interpretationen von Texten als inhaltsgleich zu bewerten, und das auch noch auf angemessene, richtige, Weise.

W.V.OQuine hat mit Recht betont, dass die Rede über Bedeutungen, Intensionen oder Propositionen gewisse Äquivalenz-oder Gleichgültigkeitsbeziehungen, nämlich der Inhaltsgleichheit oder Synonymie, zwischen verschiedenen Ausdrucksweisen voraussetzt. Dabei übersieht er allerdings, dass wir, und wie wir,aufgrund eines impliziten Ideationsprozesses über Bedeutungen als mehr oder minder klar bestimmte Gegenstände formell reden können.

Formal gesehen haben Ausdrucksweisen denselben Inhalt, wenn man sie für einander in gewissen Kontexten substituieren kann, ohne dass sich der wesentliche Inhalt ändert. D.h. die Rede von der Inhaltsgleichheit von Ausdrucksteilen wird auf die Inhaltsgleichheit ganzer Sprechhandlungen zurückgespielt, wobei der je relevante kommunikative Kontext zu beachten bleibt. Wenn wir uns dabei weder mit dem Problem belasten, wie dieser Kontext zu bestimmen ist, noch mit dem Problem, ob Synonymien von einem materialen Wissen unabhängig und in diesem Sinn rein analytisch sind oder nicht, dann können wir Synonymien grob als besondere, weil in zwei Richtungen gültige, empraktische Inferenzformen oder Schlusskriterien charakterisieren. Derartige Formen oder Kriterien lassen sich in der Form zulässiger Schlussregeln explizit machen. So sind zum Beispiel die Sätze „es regnet“ und „it rains“ synonym oder bedeutungsgleich, gerade weil wir aus der Aussage „es regnet“ die Aussage „it rains“ folgern dürfen und umgekehrt. Und es sind zum Beispiel die Wörter „le soleil“ und „die Sonne“ bzw.„briller“ und „scheinen“ (beide im Sinne des lateinischen Wortes „lucere“) wenigstens in dem Sinn paarweise synonym, als „die Sonne scheint“ mit „le soleil brille“ zu übersetzen ist und umgekehrt

Inhaltsverzeichnis
Einleitung9
1. Kapitel: Biodoxographien27
2. Kapitel: Historiographie und Geschich44
3. Kapitel: Das Problem der Bestimmung v69
4. Kapitel: Entmythologisierung des Geis99
5. Kapitel: Hegels Interpretation frühgr128
6. Kapitel: Rekonstruktion der Anfänge e159
8. Kapitel: Philosophie als Kritik szien225
9. Kapitel: Entwicklung des Geistes237
Anmerkungen249
Literaturverzeichnis254

Weitere E-Books zum Thema: Einführung - Religion - Philosophie

Anleitung zum Philosophieren

E-Book Anleitung zum Philosophieren
Selber denken leicht gemacht Format: PDF

Mit diesem Buch werden Sie Ihren Intelligenzquotienten steigern. Sie lernen die wichtigsten Philosophen aus Ost und West privat kennen, werden mit philosophischen Gedanken über Themen wie…

Nietzsche

E-Book Nietzsche
Eine philosophische Einführung (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Günter Figal nähert sich dem Philosophen Nietzsche von außen, von seiner Biographie und von den Positionen her, die die Nachwelt ihm zugewiesen hat, um den Leser sodann behutsam, anregend und…

Benedictus de Spinoza

E-Book Benedictus de Spinoza
Eine Einführung (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Spinozas Philosophie ist vor allem (rationale) Metaphysik. Auch seine Ethik, die Psychologie der Affekte, die Lehre von Recht und Staat und seine Religionsphilosophie beruhen auf metaphysischen…

Benedictus de Spinoza

E-Book Benedictus de Spinoza
Eine Einführung (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Spinozas Philosophie ist vor allem (rationale) Metaphysik. Auch seine Ethik, die Psychologie der Affekte, die Lehre von Recht und Staat und seine Religionsphilosophie beruhen auf metaphysischen…

Immanuel Kant

E-Book Immanuel Kant
Vernunft und Leben (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Die ebenso originelle wie fundierte Studie ermöglicht einen neuen Zugang zu Kant, indem sie 'Vernunft und Leben' in einen systematischen Zusammenhang stellt. Aus dem Inhalt: Die Programmatik des…

Das Unendliche

E-Book Das Unendliche
Mathematiker ringen um einen Begriff Format: PDF

Philosophen und Theologen haben über das Unendliche nachgedacht. Doch die wahre Wissenschaft vom Unendlichen ist die Mathematik.Rudolf Taschner gelingt es, diesen zentralen Begriff auch dem…

Das Unendliche

E-Book Das Unendliche
Mathematiker ringen um einen Begriff Format: PDF

Philosophen und Theologen haben über das Unendliche nachgedacht. Doch die wahre Wissenschaft vom Unendlichen ist die Mathematik.Rudolf Taschner gelingt es, diesen zentralen Begriff auch dem…

Paris - Wien

E-Book Paris - Wien
Enzyklopädien im Vergleich Format: PDF

Eines der zentralen Anliegen des 'Wiener Kreises' ist heute aktueller denn je. Es bestand darin sichtbar zu machen, wie ganz unterschiedliche, weit auseinanderliegende Bereiche wissenschaftlicher…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

arznei-telegramm

arznei-telegramm

Das arznei-telegramm® informiert bereits im 53. Jahrgang Ärzte, Apotheker und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln. Das arznei-telegramm®  ist neutral und ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum. Organ des Landesverbandes Haus & Grund Brandenburg. Speziell für die neuen Bundesländer, mit regionalem Schwerpunkt Brandenburg. Systematische Grundlagenvermittlung, viele ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...