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E-Book

Männlich glauben

Eine Herausforderung für den spirituellen Weg

AutorManfred Gerland
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783451802126
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,49 EUR
Männer glauben anders. Männer suchen Herausforderungen, die nicht nur den Geist betreffen. Eine Spiritualität, die Männer fasziniert, ist mehr als Andacht und Gebet. Manfred Gerland zeigt an vielen Beispielen Schritte einer alltagstauglichen Spiritualität. Körper und Kraft, Erfahrung von Ohmacht und Macht, die Rolle eines spirituellen Begleiters und das Finden der eigenen Aufgabe sind Themen auf diesem männlichen Weg zu Gott.

Manfred Gerland, Dr. theol., geb. 1954, Spiritual, Geistlicher Leiter der Ev. Bildungsstätte Kloster Germerode und Pfarrer für Meditation und geistliches Leben der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, seit 20 Jahren aktiv in der Männerarbeit. Er lebt mit seiner Familie in Herleshausen.

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Leseprobe

1. Körperlichkeit wahrnehmen und gestalten


»Christophorus war geboren vom Volk der Chananaeer und war von gewaltiger Größe und furchtbarem Angesicht, und maß zwölf Ellen in die Höhe.«

Viele Männer wissen mehr über ihr Auto als über ihren Körper. »Man kennt das Vergaserproblem, aber die eigene Blutgruppe? Fehlanzeige«, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse, Wissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln. Auf dem ersten Männergesundheitskongress des Bundesministeriums und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Januar 2013 in Berlin wurde festgestellt, dass die Gesundheit von Männern allgemein stark gefährdet ist. Die Zahlen sprechen gegen das vermeintlich starke Geschlecht: Männer sterben früher, haben mehr Unfälle, nehmen sich häufiger das Leben, rauchen und trinken mehr als Frauen. Die Forscher suchten nach Ansätzen, um diese langjährige Entwicklung zu durchbrechen.

Ein Grund dafür, weshalb dies mit Schwierigkeiten verbunden ist, liegt sicher darin, dass sich viele tradierte Selbstbilder von Männern negativ auf ihre Gesundheit auswirken. »Männer erwarten von ihrem Körper, dass er wie eine Maschine funktioniert. Erst bei Störungen wird eine ›Werkstatt‹ aufgesucht«, meint BZgA-Direktorin Elisabeth Pott. Warnzeichen und Risiken hingegen würden lange bagatellisiert und ignoriert. »Es wird so viel Sport geguckt wie noch nie, aber drei Viertel der Männer sind körperlich völlig inaktiv. Während Frauen sich informieren und dies tendenziell auch umsetzen, nehmen Männer allgemeine Gesundheitsinfos zwar auf, tun aber nichts«, sagt Prof. Dr. Froböse. Um Männer auf Trab zu bringen, käme es auch auf passgenaue Gesundheitsangebote und die richtige Verpackung an. »Yoga oder Tai-Chi-Kurs – das gruselt die meisten Männer. Wenn ich das aber Kraft- oder Beweglichkeitstraining nenne, machen schon mehr mit«, meint er dazu weiter. Der kompetitive Leistungsaspekt sei es, der Männer vom Sofa locke.

Die gesundheitliche Gefährdung von Männern und ihr passives Verhalten in der Gesundheitsvorsorge sei nicht nur individuell von ihnen zu verantworten, sondern läge auch entscheidend in krankmachenden Bedingungen und Zuständen in der Arbeitswelt begründet, so Froböse. »Dies müsste die Gesundheitspolitik noch stärker in den Blick nehmen, statt alle Verantwortung den Männern zuzuschreiben, nach dem Motto: Helft euch selbst!«, hieß es auf dem Gesundheitskongress. Männer seien jedenfalls keine »Gesundheitsidioten«.

Männer gelten heute als die Sorgenkinder der Medizin. In Deutschland sterben sie fünfeinhalb Jahre früher als Frauen und kümmern sich häufig nicht oder zu spät um ihre Gesundheit, so resümiert der erste deutsche Männergesundheitsbericht aus dem Jahr 2010. Studien zufolge sei nur ein Jahr davon biologisch erklärbar, viereinhalb Jahre jedoch kulturell und sozial bedingt und damit veränderbar. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Arbeitswelt für Männer ein höheres Gesundheitsrisiko darstellt als für Frauen. Männer arbeiten häufiger in Berufen, in denen es zu Unfällen und Verletzungen kommen kann. Zudem sind es auch kulturelle Aspekte, die sie krank werden lassen: Selbstausbeutung und Mehrarbeit sind bei Männern sehr verbreitet, ebenso die Tendenz, sich am Arbeitsplatz alles abzuverlangen und sich unter Druck zu setzen. Das alles schadet der Gesundheit. So bekommen Männer zwischen vierzig und fünfzig fünfmal häufiger einen Herzinfarkt als Frauen. Jeder fünfte Mann zwischen dreißig und achtzig Jahren klagt über Potenzprobleme.

Warum fällt es Männern so schwer, ihre Körperlichkeit als Ganzes und ihre Einschränkung durch Krankheit bewusst wahrzunehmen? Viele Männer wurden von Kindheit an dazu angeleitet, körperliche Schmerzen zu unterdrücken. Zu den antrainierten Fähigkeiten gehört von Anfang an Härte und Durchsetzungsvermögen. Im Konkurrenzkampf nur keine Schwäche zeigen, heißt ihre Devise. Viele versuchen, diesem gesellschaftlich tradierten Idealbild des Mannes zu entsprechen, Krankheit und körperliche Beeinträchtigungen passen da nicht hinein und werden daher verdrängt.

Häufig fühlen sich Männer auch von ihrem Körper nicht wirklich angezogen. Sie schauen höchstens am Morgen beim Rasieren in den Spiegel, die anderen Regionen sind nicht im Blick. Es fehlt ihnen an körperlicher Selbstwahrnehmung und -reflektion. Dadurch entsteht ein reduziertes eigenes Körperbild, das nicht nur gesundheitsgefährdende Auswirkungen hat, sondern auch spirituelle Erfahrungen erschwert.

Jeder spirituelle Weg beginnt mit der Wahrnehmung und Beachtung der eigenen Körperlichkeit. Beim Begriff »Spiritualität« könnte das Missverständnis naheliegen, es handele sich hier um innere Erfahrungen, die sich ohne den Körper vollziehen oder gar die Lösung vom Körper beziehungsweise dessen Überwindung erfordern. Das Gegenteil ist der Fall: Jede spirituelle Erfahrung, die nicht im Körper ankommt, verflüchtigt sich in einer diffusen Innerlichkeit und »verdunstet«. Jede spirituelle Praxis, die keine Auswirkungen auf den Körper hat und nicht in leiblichen Vollzügen zum Ausdruck kommt, bleibt gestaltlos und wirkungslos. So gibt es keine Spiritualität ohne Körperlichkeit – schon gar nicht im Christentum, für das die Menschwerdung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus im Mittelpunkt des Glaubens steht. Spiritualität hat die Körperlichkeit immer zur Voraussetzung, es gibt sie nicht ohne den Körper oder am Körper vorbei.

Wenn der Körper für spirituelle Erfahrung und Praxis so bedeutsam ist, dann macht es einen Unterschied, ob man sich in einem weiblichen oder männlichen Körper auf diesen Weg macht. Dass Männer einen anderen Körper als Frauen haben, ist eine Binsenweisheit. Für den spirituellen Weg ist diese Grundtatsache aber nicht zu unterschätzen. Männer haben darüber hinaus andere Chromosomen, Gene, ein anderes Gehirn und andere Gefühlswelten. Wen könnte es also wundern, dass sie deshalb auch einen anderen Zugang zur Spiritualität haben?

Die Legende des Christophorus, die hier als Leitfaden für den spirituellen Weg dienen soll, beginnt ganz auffällig mit der Beschreibung der Körperlichkeit und Vitalität ihres Protagonisten.

Christophorus ist eine Gestalt, in der sich Glaubensund Lebenserfahrungen von Menschen vieler Jahrhunderte verdichtet haben. Der Legende nach lebte er irgendwo in Kleinasien. Da hieß er noch nicht Christophorus, sondern Reprobus, das heißt übersetzt: der Verworfene. Er gehörte zu einem sagenhaften Geschlecht hundsköpfiger Riesenmenschen, von denen man im Altertum zu berichten wusste. Der schakalköpfige Totengott Anubis steht einem hier vor Augen, der den knabenhaften Sonnengott Horus über den Nil trägt. Parallelen finden sich auch in der römischen, indischen und germanischen Mythologie.

Reprobus wurde der Legende nach durch die Taufgnade dem dumpf-tierischen Bereich entrissen und erhielt die menschliche Sprache. Als die Geschichte vom Osten in das Abendland überging, blieb Christophorus zwar ein Riese, hatte nun aber einen menschlichen Kopf. Seine tierische ungebärdige Vitalität konnte er jedoch aus dem Heidentum in das wahre Menschsein des Christentums herüberretten. Sehr oft hat das abendländische Christentum die Naturhaftigkeit der heidnischen Religionen abgewehrt, in der Christophorus-Legende ist sie allerdings integriert worden.

»Christophorus war geboren vom Volke der Chananaeer und war von gewaltiger Größe und furchtbarem Angesicht, und maß zwölf Ellen in die Höhe«, weiß die Legenda aureades Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert zu berichten. Man hört aus dieser kurzen Beschreibung die Faszination vitaler Potenz heraus, die von dieser Figur ausgeht und die auch in der mittelalterlichen Verehrung dieses Heiligen zum Ausdruck kommt.

Die Betrachtung des Bildes des heiligen Christophorus am Morgen galt als Schutz zur Bewahrung der Lebenskraft bis zum Abend (vgl. Melchers, Das große Buch der Heiligen, S. 456) und sollte vor plötzlichem schnellem Tod schützen, der für den mittelalterlichen Menschen eine Katastrophe bedeutete, weil er sich nicht mit den Sterbesakramenten versehen auf den Übergang in die andere Welt angemessen vorbereiten konnte. Als Blickfang dienten Christophorusfresken an Außenwänden von Kirchen, Schlössern und Rathäusern oder mächtige Christophorusstatuen im Eingangsbereich von Kirchen. Seit dem zwölften Jahrhundert entwickelte sich aus dem Namen sowie aus den Bildern, die Christophorus mit einem Christusmedaillon vor der Brust zeigen, die bekannte Legende von Christophorus, dem Christusträger, der das kleine Kind über den Fluss bringt. Die Vitalität und Naturhaftigkeit dieses Riesen symbolisiert schließlich auch der sich zum blühenden Palmbaum verwandelnde Stab des Riesen. Christophorus ist seiner Natur nach groß, ungebärdig, stark, potent und voller Vitalität. Man erkennt in ihm Züge des archetypischen »wilden Mannes«, wie sie auch bei Johannes dem Täufer, dem »grünen Mann« in der Mythologie und Kunstgeschichte, in der Märchenfigur des Eisenhans und anderen zu finden sind.

Männer definieren sich heute stärker als Frauen über ihre Körpergröße und -kraft. Der Volksmund nennt sie immer noch das »starke Geschlecht«, und so spielt körperliche Kraft im Selbstverständnis vieler Männer eine große Rolle. Bereits Jungs messen gern ihre Kräfte, zunächst noch spielerisch in kleinen Raufereien, später in Mutproben und handfesten Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen. Mit der Entdeckung des eigenen Körpers und zunehmender hormoneller Veränderungen brauchen sie Möglichkeiten,...

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