Sie sind hier
E-Book

Medien und Öffentlichkeit

Zwischen Symbiose und Ablehnung

VerlagNZZ Libro
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl148 Seiten
ISBN9783038239352
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,00 EUR
Einerseits ist politisches Handeln ohne Medien nicht möglich, andererseits versorgen Medien ihre Nutzer mit verlässlichen, wichtigen und exklusiven Informationen aus dem Politbetrieb. Medien sichern darüber hinaus Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Ohne freie Meinungsbildung und ohne Plattformen für die kritische Öffentlichkeit kann sich eine Gemeinschaft weder zurechtfinden noch entwickeln. Dieses Zusammenspiel von Medien und Politik ruft der Verband Schweizer Medien in Erinnerung und beschreibt in einem Weissbuch die Rolle der Medien in der Demokratie aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei kommen Medienwissenschaftler, Politiker, Verbandsvertreter und Chefredaktoren aus Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen zu Wort. Sie stellen die Qualität ihres Mediums dar, zeigen auf, welche gesellschaftliche Leistung es erbringt und wie weit Presseförderung für gute Rahmenbedingungen unerlässlich ist. Fazit: Medien sind systemrelevant. Mit Beiträgen von: Susan Boos, Dominique von Burg, Josias Clavadetscher, Ueli Custer, Daniel Dunkel, Walter Herzog, Roger Köppel, Philipp Landmark, Hanspeter Lebrument, Miriam Meckel, Urs F. Meyer, Patrik Müller, Norbert Neininger, Christoph Nussbaumer, Gerhard Pfister, Heribert Prantl, Bernhard Rentsch, Urs Saxer, David Sieber, Markus Somm, Markus Spillmann, Res Strehle.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

VERENA VONARBURG

MÖGLICH MACHEN,
NICHT KONTROLLIEREN

Der Staat soll mithelfen, dass die Schweizer Medien weiterhin guten Journalismus garantieren können. Direkte Presseförderung mit Auflagen an die Berichterstattung lehnt der Verband SCHWEIZER MEDIEN aber ab. Subventionen sind kontraproduktiv: Sie stärken die Medien nicht, sie disziplinieren sie.

 

 

 

Medien und Politik leben eine komplizierte Beziehung. Man braucht sich, aber man liebt sich nicht – eine Zweckehe. Medien kommt eine grosse staatspolitische Relevanz zu, die Gewaltenteilung zwischen Politik und Medien konstituiert erst die aufgeklärte Gesellschaft, gerade in der direkten und föderalistisch organisierten Demokratie. Nur informierte Bürgerinnen und Bürger können kompetent abstimmen und wählen. Dafür sorgen Journalisten als Interviewer, Kommentatoren, Porträtisten und Rechercheure.

Medien und Politik: nicht nur eine Zweckehe, auch eine arrangierte. Die Partner müssen sich miteinander auseinandersetzen und abfinden; Scheidung ausgeschlossen. Schon deswegen ärgern sich Politiker über die Medien und umgekehrt. Das ist unvermeidlich, aber es ist auch gut so. Vorausgesetzt natürlich, beide Seiten halten sich an die Gesetze und lassen Fairness walten. Medien haben unbequem und hartnäckig zu sein. Die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Medienhäuser bilden die Voraussetzung für verantwortungsvollen Journalismus. Die Medien sind die Kontrolleure von Staat und Politik, nicht umgekehrt.

DIE POLITIK WILL NICHT FÖRDERN, SIE WILL KONTROLLE

Die Mediensysteme erleben im Zug der Digitalisierung einen gewaltigen Wandel. Gewinne brechen weg, Zeitungen verschwinden, kommen in andere Hände, Start-up-Projekte im Online suchen ganz neue Wege, Radio und Fernsehen geraten unter Druck.

Wenn das Bekannte gefährdet ist oder verschwindet, kommt Sehnsucht nach dem Alten auf. Es stimmt zwar: Die Redaktionen sind kleiner geworden, der Druck auf die Medienschaffenden hat zugenommen, es bleibt ihnen im Allgemeinen weniger Zeit, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Im Gegenzug nimmt der Einfluss der PR und der exponentiell wachsenden Kommunikationsabteilungen in den Verwaltungen und den Unternehmen gewaltig zu. Dieses Missverhältnis ist gefährlich. Je grösser der Vereinnahmungsdruck der PR, umso kritischer müssen Journalisten sein, umso pointierter haben sie zu berichten.

Bei allen Herausforderungen aber: Die Medien sind nicht schlechter geworden. Heute arbeiten nicht mehr gute und schlechte Journalisten als früher. Wer wünscht sich die Parteizeitungen von früher zurück, die ihre Meinungen und Berichte dem zugehörigen politischen Lager anpassten? Wer möchte eine Frontseite lesen, die von Parteisekretären bestimmt wurde? Wer sehnt sich nach der Unterwürfigkeit zurück, die Bundeshausredaktoren Bundesräten gegenüber an den Tag legten? Und wenn wir schon dabei sind: Viele Berichte waren früher schlicht und einfach zu langweilig oder zu abgehoben, um überhaupt gelesen zu werden. Die Zeitungen von damals mussten sich nicht an ihren Lesern orientieren; man sah es ihnen an.

Das hat sich alles radikal geändert. Guter Journalismus ist jedoch genauso wichtig geblieben, die Frage ist nur, wie er sich künftig finanzieren lässt. In dieser unübersichtlichen Zeit melden sich Politiker und geben sich besorgt über die vermeintlich abnehmende Qualität der Medien. Unter dem Vorwand der Sorge um den demokratischen Diskurs versuchen sie, die Gunst der schwierigen Stunde auszunutzen – sie wollen die Medien stärker «fördern». Was sie wirklich meinen dabei: Sie wollen kontrollieren und disziplinieren.

SUBVENTIONEN SIND WIE DROGEN

Es ist Ausdruck politischer Weitsicht und Weisheit, dass unsere Bundesverfassung keine direkte Presseförderung, keinen direkten Fluss von Steuergeld an Zeitungen und Zeitschriften oder Onlineportale zulässt. Direkte Medienförderung ist immer problematisch. Subventionen, das zeigt die Landwirtschaft, funktionieren wie Drogen. Einmal angefixt, kommt man nicht mehr los von ihnen.

Verfechter der direkten Medienförderung verweisen auf das Modell von Stiftungen als einer Möglichkeit, Medienprojekte zu unterstützen, ohne dass der Staat die Begünstigten selbst auswählt. Solche Gremien, die wohl eigenständig darüber befinden, wer oder was unterstützungswürdig ist, die aber vom Bundesgeld abhängig sind, sind bloss vermeintlich unabhängig. Die politische Einflussnahme droht über das Budget. Erinnert sei an eine Disziplinierung der Pro Helvetia, die vom Bund finanziert wird: Nachdem die Kulturstiftung 2003 in Paris eine Ausstellung des Künstlers Thomas Hirschhorn mitbezahlt hatte, die das Missfallen mehrerer Parlamentarier erregte, straften die eidgenössischen Räte die Stiftung im folgenden Jahr mit einer Budgetkürzung ab.

Wer direkter Förderung das Wort redet, zitiert auch gerne aus internationalen Rankings, wonach kein Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und Medienförderung ersichtlich sei. Dieser Vergleich täuscht jedoch, weil das Mass der Pressefreiheit an eindeutigen Eingriffen gemessen wird. Was aber ist mit der versteckten Einflussnahme, etwa wenn Politiker einem Journalisten bedeuten, auf einen Bericht zu verzichten oder sich mit ihrem «Anliegen» an die Chefredaktion zu wenden? Das geschieht heute schon – in der Schweiz wie anderswo. Doch wissen sich Politiker erst als Geldspender, verschärft sich das Problem zwangsläufig. Scheren im Kopf tauchen in keinem Ranking auf. Keine Statistik kann die Artikel erfassen, die ungeschrieben bleiben, weil Journalisten unter diskreten, aber starken Druck gesetzt wurden.

GUTE RAHMENBEDINGUNGEN SIND NÖTIG

Eine freie Presse mit starken Medienhäusern braucht keine Subventionen, sie braucht gute Rahmenbedingungen. Der Staat soll die Leistungen der Medien nicht bezahlen, aber erleichtern.

Zurzeit wird die Schweizer Presse auf zwei Arten indirekt gefördert. Zunächst unterstützt der Bund die Post mit jährlich 50 Millionen Franken, damit sie Zeitungen mit der ordentlichen Post ermässigt zustellt. Davon profitieren die lokale und regionale Presse mit 30 Millionen sowie sogenannte Mitgliedschaftsblätter mit 20 Millionen. Diese Förderung der Pressevielfalt gründet in einer langen Schweizer Tradition; sie existiert seit über 150 Jahren.

Das Bundesamt für Kommunikation entscheidet, welche Titel förderungswürdig sind. Kriterien sind namentlich die Auflagen: mindestens 1000 und maximal 40 000. Eine Qualitätskontrolle existiert nicht. Der Bundesrat hat in der Vergangenheit wiederholt versucht, diese Unterstützung abzuschaffen, die für viele Zeitungen entscheidend ist. Glücklicherweise ist er im Parlament gescheitert, nicht zuletzt dank des Engagements des Verbands SCHWEIZER MEDIEN. Ein Wegfall dieser Postsubvention würde dazu führen, dass die betroffenen Titel ihre Abonnementspreise um 10 bis 20 Prozent erhöhen müssten.

Die Vertriebskosten bleiben auch so für die Medienhäuser hoch. Ungeachtet der Unterstützung durch den Bund will die Post den Transport der Zeitungen verteuern. Dagegen wehrt sich der Verband entschieden. Er setzt sich ein für ein Vertriebsmodell zu Grenzkosten (und nicht zu Vollkosten wie bisher), und dies sowohl für die ordentliche Tageszustellung wie für das Frühzustellen.

Die zweite Art der indirekten Presseförderung bildet der reduzierte Mehrwertsteuersatz. Für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ohne Reklamecharakter gilt der Satz von 2,5 Prozent anstelle des normalen, der bei 8 Prozent liegt. Die reduzierte Mehrwertsteuer entlastet die Medienhäuser um jährlich gut 70 Millionen Franken.

Diese Entlastung muss noch weiter gehen: Längst leben wir in Zeiten der Konvergenz zwischen Print und Online, der Leser liest sein Blatt auf Papier oder am Bildschirm. Deswegen ist es nichts als richtig, dass auch die digitale Verbreitung zum reduzierten Mehrwertsteuersatz erfolgt. Bis anhin gilt dafür nämlich noch der normale Satz – eine überholte Ungleichbehandlung. Der Bundesrat hat das erkannt und ist bereit, der Branche in dieser Frage entgegenzukommen.

Am meisten gedient wäre den Zeitungen, Zeitschriften und den digital verbreiteten Informationen ohnehin, würden sie gänzlich von der Mehrwertsteuer befreit. Andere Länder kennen diese Praxis schon lange: In Ländern wie Grossbritannien, Belgien, Dänemark und Norwegen, die einen weit höheren Normalsatz erheben als die Schweiz – 20 Prozent und mehr – muss die Presse keine Mehrwertsteuer abliefern. Von der Warenumsatzsteuer, der Vorläuferin der Mehrwertsteuer, war die Presse seinerzeit in der Schweiz, wie übrigens das Buch, ebenfalls ausgenommen.

WIE WEITER?

Vier Anläufe nahm der Bund in den letzten Jahrzehnten, um einen Presseförderungsartikel in die Bundesverfassung aufzunehmen. Viermal scheiterte das Vorhaben – jedes Mal zu Recht. Weil die politische Mehrheit erkannte, dass eine direkte Presseförderung, die ihre Subventionen von gezielten Auflagen abhängig macht, die Unabhängigkeit der Presse bedroht.

Joan Mirò
Le Journal
1972

GELD FÜR DIE MUTTER VIELER TEXTE

Verbilligung des Posttransportes, reduzierte Mehrwertsteuer, wie liesse sich die Presse sonst noch sinnvoll fördern? Etwa, indem man jene Institution finanziell unterstützt, die den Basisdienst von Redaktionen leistet – im Print, im Online oder bei Radio und Fernsehen. Gemeint ist die Schweizerische Depeschenagentur (SDA). Sie gehört grösstenteils den privaten...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Medien - Kommunikation - soziale Medien

Tatort Tagesschau

E-Book Tatort Tagesschau
Eine Institution wird 50. Format: PDF

»Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau« – seit 50 Jahren beginnt so der TV-Feierabend. Souverän beherrscht die Tagesschau die deutsche Fernsehlandschaft. Je nach Nachrichtenlage…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Datenformate im Medienbereich

E-Book Datenformate im Medienbereich
Format: PDF

Das Buch greift einen sehr aktuellen Themenkomplex auf, denn der Datenaustausch findet zunehmend in komprimierter Form über Netzwerke statt. Es beschreibt Standards für die Datenreduktion und den…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Virtuelle Welten

reale Gewalt Format: PDF

Die Frage, wie Gewalt und Medien zusammenhängen, lässt sich nicht mit einem Satz oder nur aus einer Perspektive beantworten. Deshalb haben 16 Telepolis-Autoren in 20 Essays ihre Meinung, die…

Weitere Zeitschriften

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

crescendo

crescendo

Die Zeitschrift für Blas- und Spielleutemusik in NRW - Informationen aus dem Volksmusikerbund NRW - Berichte aus 23 Kreisverbänden mit über 1000 Blasorchestern, Spielmanns- und Fanfarenzügen - ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

e-commerce magazin

e-commerce magazin

PFLICHTLEKTÜRE – Seit zwei Jahrzehnten begleitet das e-commerce magazin das sich ständig ändernde Geschäftsfeld des Online- handels. Um den Durchblick zu behalten, teilen hier renommierte ...

VideoMarkt

VideoMarkt

VideoMarkt – besser unterhalten. VideoMarkt deckt die gesamte Videobranche ab: Videoverkauf, Videoverleih und digitale Distribution. Das komplette Serviceangebot von VideoMarkt unterstützt die ...