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E-Book

Multiprofessioneller Personalmix in der Langzeitpflege

Entstehung, Umsetzung, Auswirkung

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl253 Seiten
ISBN9783170357556
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels in der Pflege rückt das Thema eines 'Multiprofessionellen Personalmix' insbesondere in der stationären Langzeitpflege in den Fokus. Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Personal (Anzahl, Qualifikation, Zusammensetzung) und der Pflegequalität werden aufgezeigt, um Lösungsstrategien für eine gute Pflege zu finden. Das Buch zeigt, wie ein multiprofessioneller Personalmix gestaltet wird, wie er 'funktioniert' und wie mit diesem die Lebensqualität von Bewohnern in Pflegeheimen gesteigert werden kann.

Prof. Dr. Hermann Brandenburg, Inhaber des Lehrstuhls für Gerontologische Pflege an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff, Prorektorin, Leitung des Instituts für Angewandte Forschung, Entwicklung und Weiterbildung (IAF) an der Katholischen Hochschule in Freiburg. Mit Beiträgen von: Hermann Brandenburg, Cornelia Kricheldorff, Martin N. Dichter, ChristianGrebe und Thomas Brijoux.

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Leseprobe

2          Theoretischer Hintergrund2


Cornelia Kricheldorff und Hermann Brandenburg


Für die Forschungsstudie im Projekt PERLE wurde ein theoretischer Hintergrund formuliert, der auf die thematischen Schwerpunkte Lebensqualität, Mitarbeiterbeanspruchung und auch auf mitarbeiterbezogene Organisationscharakteristika zielt. Diese drei Eckpfeiler der theoretischen Konzeption stellen zentrale Themen in den aktuellen Fachdebatten zur Zukunft der stationären Langzeitpflege dar und werden im folgenden Kapitel differenziert – nach einigen übergreifenden und grundlegenden Ausführungen – thematisiert.

2.1       Übergreifende und grundlegende Aspekte


Kein Leitbild kommt ohne Bezug und explizite Betonung von guter Lebensqualität für alle Bewohner aus, keine neue und innovative Konzeption kann ohne den Rückhalt und das Engagement der Mitarbeiterschaft in der Praxis umgesetzt werden.

Deren wachsende Beanspruchung ist in allen Bereichen zu konstatieren, wobei sich die Ausprägungen in den Arbeitsbelastungen und deren subjektives Erleben je nach Art der Organisation doch auch deutlich unterscheiden. Hinzu kommt, dass sich die verschiedenen Facetten mehr oder weniger gut gelingender Praxis bei den verschiedenen Trägern und Organisationen, aber auch in den diversen Bereichen der stationären Pflege, gegenseitig bedingen und beeinflussen.

So ist auffällig, dass die Mitarbeiterzufriedenheit in Feldern der Pflege, die allgemein als hoch belastend gelten, oft deutlich positiver ausfällt, als die in der klassischen stationären Langzeitpflege. So konnte in einer Studie zur Arbeitssituation von Pflegekräften in der Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz (Diehl et al. 2017) nachgewiesen werden, dass zwar vielfältige berufliche Belastungen feststellbar sind, aber die Arbeitszufriedenheit gleichzeitig sehr hoch ist. Die Verbesserung von Lebensqualität der gepflegten Menschen ist das Hauptziel der Arbeit der dort befragten Pflegekräfte. Nur insgesamt 12 % von ihnen gaben an, mit ihrer Tätigkeit wenig (2 %) oder teilweise (10 %) zufrieden zu sein; mehr als die Hälfte war sehr (43 %) oder vollkommen (10 %) zufrieden.

Als stabilisierende Faktoren und Ressourcen wurden das Arbeiten in multiprofessionellen Teams, Fortbildung und Supervision sowie Gelegenheiten und Raum zur Reflexion genannt. Ähnliche Erfahrungen werden aus Wohngruppen für Menschen mit Demenz berichtet (Werner et al. 2011). Es zeigt sich also ein deutlicher Zusammenhang zwischen den theoretischen Konstrukten Lebensqualität, Beanspruchung bzw. Zufriedenheit der Bewohnerschaft und Organisationsstruktur.

Nicht zuletzt solche Ergebnisse haben uns dazu veranlasst, für das Projekt PERLE von einer theoretischen Hintergrundfolie auszugehen, bei der die einzelnen thematischen Schwerpunkte eng miteinander verzahnt sind. Dabei greifen wir auf Modelle zurück, die sich im wissenschaftlichen Diskurs bereits bewährt haben, die wir aber in Bezug auf die Fragestellungen in PERLE überprüft, angepasst und aktualisiert haben.

Abb. 2.1: Der theoretische Hintergrund von PERLE

Im Kontext des thematischen Schwerpunkts Lebensqualität wurde unter Rückgriff auf erste empirische Ergebnisse aus den qualitativen Interviews ein theoretisches Rahmenmodell entwickelt, das auf einschlägige Arbeiten aus dem Bereich der Ökologischen Gerontologie zurückgreift (Kane et. al. 2003; Lawton 1999 und 1991).

Als Orientierung für das Verständnis von Mitarbeiterbeanspruchung diente die theoretische Basis des BHD-Fragebogens (Hacker & Reinhold 1999) – eine Logik, die sich im quantitativen Befragungsinstrument widerspiegelt.

Zur Konkretisierung des dritten thematischen Schwerpunkts, der die mitarbeiterbezogenen Organisationscharakteristika in den Blick nimmt, wurde – wie im folgenden Kapitel 3 ausführlicher beschrieben ( Kap. 3) – ein systematisches Review erstellt. Daraus konnten Schlussfolgerungen für die Arbeit im Projekt PERLE abgeleitet werden.

Dieser theoretische Hintergrund stellt die fachliche Rahmung dar und ist gleichzeitig auch die Basis, auf die sich die Entwicklung der Erhebungsinstrumente sowie die Ergebnisdarstellung insgesamt immer wieder beziehen.

2.2       Lebensqualität


Die Frage der Lebensqualität im Alter und ganz speziell bei zunehmendem Hilfe- und Pflegebedarf ist in den aktuellen Fachdiskursen in Gerontologie und Pflege hoch relevant. Dabei geht es vor allem um Fragen der Versorgungsqualität, aber auch um die kritische Auseinandersetzung mit der faktischen Ambivalenz zwischen Abhängigkeit und Autonomie, beziehungsweise darum, wie dieser scheinbare Widerspruch in eine gute Balance gebracht werden kann. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich Versorgungsforschung und Pflege verstärkt damit, wie Lebensqualität in Pflegesettings definiert werden kann, beziehungsweise an welchen Kriterien sie zu messen ist. Damit verknüpft sind auch ethische Fragen, die das Verständnis und das Fördern von Lebensqualität im hohen Alter thematisieren und damit verbundene potenzielle Dilemmata in den Blick nehmen.

Auch das aktuelle Strategiepapier der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Titel »Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health« (WHO 2017) rückt für eine neue Definition von Gesundheit vor allem den Begriff der Lebensqualität ins Zentrum. Diese geht davon aus, dass eine gute Lebensqualität heute auch als eines der zentralen individuellen Ziele in der Versorgungsforschung formuliert wird. Entsprechend zielt eine Vielzahl an psychosozialen Interventionen darauf ab, die Lebensqualität älterer und hochaltriger Menschen zu verbessern – auch bei Hilfe- und Pflegebedarf. Lebensqualität ist so zu einem Schlüsselkonzept für die Gesundheitsversorgung insgesamt, aber auch speziell für pflegebedürftige Menschen, geworden.

Die in der Gerontologie formulierten Lebensqualitätsmodelle sind mittlerweile sehr divers – je nach Kontext ihrer Entstehung und der dahinterliegenden disziplinären Logik unterscheiden sie sich wesentlich voneinander und basieren auf inhaltlich sehr verschiedenen Voraussetzungen und Grundannahmen. Gemeinsam ist aber die Fokussierung auf die Stärkung von Ressourcen, die für das Wohlbefinden und die eigenständige Lebensführung bis ins hohe Alter notwendig und individuell bedeutsam sind. Wichtig sind in diesem Kontext durchaus auch die organisationalen Rahmenbedingungen und Ressourcen, um eine zufriedenstellende Lebensqualität zu ermöglichen. Aber zunehmend setzt sich auch die Einschätzung durch, dass Lebensqualität mehr braucht als förderliche Strukturen und dass diese nicht alleine ausreichen, um Lebensqualität quasi von selbst entstehen zu lassen.

Vielmehr wird Lebensqualität von der WHO als dynamischer, vom Individuum mitgesteuerter Prozess verstanden. Anstelle einer meist kontextfreien Untersuchung einzelner krankheitsdefinierender Symptome wird der Blick nun verstärkt auf die individualisierte Erhaltung von Lebensqualität im Alltag gerichtet. Diese ist maßgeblich von den individuellen Fähigkeiten, den Fertigkeiten, den Aktivitäten, der biologischen Ausstattung, den Umweltbedingungen, aber auch vom Ausmaß der Beeinträchtigungen abhängig. Damit entspricht diese Definition von Lebensqualität auch dem zentralen Postulat der Ökologischen Gerontologie, nach dem die gelungene Person-Umwelt-Passung sich als der zentrale Einflussfaktor für Lebensqualität erweist. Das individuelle Erleben und die damit verbundene persönliche Bewertung sind dabei wichtige Einflussgrößen. Die Konzeption, aber auch die Messung von Lebensqualität, machen somit ein empirisch überprüfbares Verständnis der Wechselwirkungen von Eigenschaften, Ressourcen, Beeinträchtigungen und Handlungsentscheiden einzelner Personen erforderlich, die in einem strukturellen Rahmen wirksam werden oder aber verhindert werden können.

Ein solch dynamisches und personenbezogenes Lebensqualitätskonzept entspricht in weiten Teilen dem theoretischen Verständnis von Lebensqualität nach Lawton (1991, 1999) und Kane & Kane et al. (2003). Lawton definiert Lebensqualität als »multidimensional evaluation, by both intrapersonal and social-normative criteria, of the person-environment system of an individual in time past, current, and anticipated« (Lawton 1991: 6). In dieser Definition sind vier wesentliche Merkmale von Lebensqualität enthalten, die auch für das Forschungsprojekt PERLE relevant waren. Nach dieser Definition ist Lebensqualität ein Zusammenspiel von subjektiven und objektiven Aspekten (vgl. Lawton 1991), wobei objektiv die »Lebenssituation einer Person, die durch physische, ökonomische und...

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