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Nachweisproblematik und Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

AutorJörg F. Kurzenberger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783640287772
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,3, Universität Augsburg, 85 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In seinen Urteilen in den Rs. Collée , Teleos und Twoh International sowie Netto Supermarkt hatte sich der EuGH mit der Frage der EG-Rechtskonformität der Ausgestaltung nationaler Nachweispflichten an innergemeinschaftlich tätige Unternehmer und der europarechtlichen Notwendigkeit eines umsatzsteuerlichen Gutglaubensschutzes zu befassen. Diese auch für die Praxis grundlegenden Urteile gaben mir den Anlass, mich mit dieser Thematik eingehender zu beschäftigen und die vorliegende Diplomarbeit mit dem Thema Nachweisproblematik und Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zu verfassen. Die Abschaffung der steuerlichen Grenzkontrollen zum 1.1.1993 und die damit beabsichtigte Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes im mehrwertsteuerlichen Bereich brachten vordergründig enorme Erleichterungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs mit sich. Allerdings konnte man sich noch nicht auf ein endgültig harmonisiertes Mehrwertsteuersystem einigen: Lieferungen in einen anderen Mitgliedstaat werden nach wie vor anders beurteilt als rein nationale Lieferungen. Deshalb musste ein zu den Grenzkontrollen alternatives Verfahren eingeführt werden, anhand dessen die innergemeinschaftlichen Warentransaktionen nachvollzogen und kontrolliert werden können. Grundsätzlich kann ein solches Verfahren durch einen erhöhten Informationsaustausch zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten oder erhöhte Nachweispflichten für die Unternehmer bzw. Steuerpflichtigen gewährleistet werden. Der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber entschied sich für Letzteres und kodifizierte umfassende Nachweispflichten, die die inner-gemeinschaftlichen Lieferanten zu erfüllen haben. Fortan wurden diese an den Unternehmer gestellten Verpflichtungen zu einem finanzgerichtlichen Dauerbrenner; vor allem aufgrund von Unklarheiten über Art und Umfang der Nachweiserfordernisse, aber auch im Hinblick auf eine eventuelle Inanspruchnahme der Gutglaubensschutzregelung. Vor dem Hintergrund der oben genannten EuGH-Entscheidungen ist es das Ziel dieser Arbeit, die deutschen Nachweis- und Gutglaubensschutzregelungen zu hinterfragen und auf Konformität mit den europa- und mehrwertsteuerlichen Grundsätzen hin zu überprüfen. [...]

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Leseprobe

B.      Nachweispflichten

 

Scheinen die eben dargestellten zusätzlichen Verpflichtungen, die sich aus der Errichtung eines steuerlichen Binnenmarktes ergeben haben, schon problematisch und aufwändig genug zu sein, soll es nun in Teil B darum gehen, zu erläutern, welche Schwierigkeiten dem Unternehmer entstehen, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen.

 

I.        Europarechtliche Vorgaben

 

1.       Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

 

In Art. 138 MwStSystRL, in welchem die Voraussetzungen des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung beschrieben sind, werden keinerlei Aussagen darüber getroffen, ob, wie und von wem diese Voraussetzungen nachgewiesen werden müssen. Allerdings werden gemäß Art. 131 MwStSystRL die Steuerbefreiungen allgemein – und damit auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung – unter den Bedingungen angewandt, welche die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen.

 

Werden ferner in den Art. 217 ff. MwStSystRL bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen und Steuererklärungen detailliert geregelt, erlaubt es Art. 273 MwStSystRL den Mitgliedstaaten weitere Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen.

 

2.       Vorgaben des EuGH

 

a)       Vorgaben an die Mitgliedstaaten

 

Durch die Regelung des Art. 131 MwStSystRL werden die Mitgliedstaaten ermächtigt[130], eigene Anforderungen an ihre Steuerpflichtigen zu stellen, inwiefern diese Nachweise und Erklärungen vorzulegen haben, um die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung zu erlangen. Diese Legitimation soll den Mitgliedstaaten als Kompensation für den Wegfall der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen dienen[131], wodurch ihnen eigene Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten entzogen wurden. Wie aus der EuGH-Entscheidung in der Rs. Teleos[132] zu entnehmen ist, ist Art. 131 MwStSystRL allerdings nicht nur als Ermächtigungsvorschrift anzusehen, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten vielmehr, Voraussetzungen festzusetzen, unter denen sie innergemeinschaftliche Lieferungen befreien.

 

b)      Vorgaben an die Unternehmer

 

Höchstrichterlich ist mittlerweile geklärt, dass der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nachzuweisen hat. Die in § 6a III 1 UStG normierte und in der Literatur stets vorherrschende Meinung[133] wird vom EuGH[134] bestätigt. Demnach hat derjenige die Beweislast für das Recht auf eine steuerliche Sonderbehandlung oder Abgabenbefreiung zu tragen, der sich auf dieses Recht beruft, sodass der liefernde Unternehmer nachzuweisen hat, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen. Dieser Grundsatz unterliegt den vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen[135]. Durch die Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten ist es für die Finanzverwaltung schwierig geworden ist, insbesondere das physische Verbringen des Liefergegenstandes in einen anderen Mitgliedstaat zu kontrollieren. Diese Prüfung ist in erster Linie anhand der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Beweise und abgegebenen Erklärungen durchzuführen[136].

 

Der Unternehmer kann demnach von der Finanzverwaltung des Liefermitgliedstaates nicht verlangen, dass diese die Behörden des Bestimmungsmitgliedstaates um Auskünfte zu ersuchen hat und evtl. erteilte Hinweise berücksichtigen muss. Die Amtshilfe-Richtlinie[137] und die Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden[138], auf Grundlage derer eine solche Auskunftspflicht in der Rechtssache Twoh International[139] verlangt wurde, sind nach Ansicht des EuGH lediglich zur Zusammenarbeit der Finanzbehörden der Mitgliedstaaten erlassen worden und nicht dazu, den Steuerpflichtigen in seiner Beweispflicht zu unterstützen oder gar zu entlasten. Dem Einzelnen werden aufgrund der vorgenannten Rechtsakte keine weiteren Rechte verliehen, als eine Bestätigung über die Gültigkeit der USt-IdNr. einer bestimmten Person zu erhalten[140]. Des Weiteren ist es Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob konkrete Informationen über eine innergemeinschaftliche Lieferung fehlen und ob sie einen anderen Mitgliedstaat um Auskunft ersuchen[141]. Englisch ist der Ansicht, dass es aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten wäre, zumindest wenn sich die vom Unternehmer beigebrachten Belege als inhaltlich unzutreffend erwiesen, dem Unternehmer einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Inanspruchnahme des innergemeinschaftlichen Informationsaustausches zu gewähren[142]. Dieser Auffassung kann nur im Grundsatz gefolgt werden. Es ist fraglich, welche Auskünfte der Erwerberstaat ohne unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand, wie es die Zusammenarbeitsverordnung[143] gebietet, erbringen kann. Aufgrund der mittlerweile ausgereiften technischen Möglichkeiten, wäre es für den Bestimmungsmitgliedstaat wohl relativ einfach, die dortige Erwerbsbesteuerung zu bestätigen. Entscheidende Beweiskraft käme dieser Bestätigung jedoch nicht zu[144]. Weitere Angaben könnten die Finanzbehörden des Bestimmungsmitgliedstaates wohl nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand beschaffen, sodass sich der Steuerpflichtige nicht auf ein solches Auskunftsverfahren verlassen sollte.

 

Im Ergebnis wird es dabei bleiben, dass die Steuerbefreiung versagt wird, wenn der Steuerpflichtige nicht mit seinen eigenen zur Verfügung stehenden Mitteln die jeweiligen Voraussetzungen nachweisen kann. Es liegt hierin zwar eine grundsätzliche Systemwidrigkeit vor, und zwar eine mit dem Neutralitätsprinzip[145] nicht zu vereinbarende Doppelbesteuerung, doch ist diese aufgrund des Übergangscharakters der Binnenmarktregelung hinzunehmen[146].

 

3.       Grundsätzliche Nachweispflicht in Einklang mit der Warenverkehrsfreiheit

 

Erhöhte Nachweispflichten, die die innergemeinschaftlich tätigen Unternehmer gegenüber rein national agierenden Unternehmern zu erbringen haben, könnten potentielle Behinderungen der Warenverkehrsfreiheit und der Wettbewerbsneutralität darstellen. Zweifelsohne darf die Pflicht zur Erbringung von Nachweisen nicht dazu führen, dass der Handelsverkehr im europäischen Binnenmarkt gegenüber dem innerstaatlichen Handel benachteiligt wird[147]. Dies könnte insofern vorliegen, als ein Unternehmer, der Waren in einen anderen Mitgliedstaat steuerfrei liefern will, ein Vielfaches an Nachweisen und sonstigen Verpflichtungen[148] zu erbringen hat, als ein lediglich national agierender Unternehmer. Die hohen Formerfordernisse könnten als Beschränkung[149] anzusehen sein und damit gegen die innergemeinschaftliche Warenverkehrsfreiheit verstoßen.

 

In ihrer Funktion als Beschränkungsverbot verbietet die Warenverkehrsfreiheit nationale Maßnahmen, die die Ausübung jener Grundfreiheit „behindern oder weniger attraktiv machen können“[150]. Die erhöhten Nachweiserfordernisse können durchaus dazu führen, dass Unternehmer sich auf nationale Betätigungen beschränken[151], sodass die Nachweispflichten als Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit angesehen werden können. Jedoch bezwecken die Nachweispflichten die Verhinderung von Steuerumgehungen und -hinterziehungen sowie die wirksame Steuerkontrolle[152], sodass man zum Schluss kommen muss, dass die Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit grundsätzlich aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses[153] gerechtfertigt ist. Selbstverständlich ist die Beschränkung nur gerechtfertigt, sofern sie den weiteren Grundprinzipien des Europarechts, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsprinzip[154], genügt, worauf noch zu kommen sein wird. Im Grundsatz liegt damit jedenfalls keine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch die erhöhten Nachweiserfordernisse vor[155].

 

Eine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit in der grundsätzlichen Nachweisverpflichtung sieht auch der EuGH nicht und führt letztlich gar aus (bzw. lehnt zumindest richtigerweise nicht ab), dass an den Steuerpflichtigen hohe Anforderungen zur Vermeidung von Steuerhinterziehung zu stellen sind[156] und dieser demzufolge Nachweise über die Steuerbefreiungsvoraussetzungen einer...

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