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E-Book

Praxisbuch Empirische Sozialforschung

in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften

VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl328 Seiten
ISBN9783706558327
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Studierende und PraktikerInnen finden im 'Praxisbuch Empirische Sozialforschung' wichtiges forschungsmethodisches Handwerkszeug und Hintergrundwissen, das sie befähigen soll, Anforderungen in Bezug auf Konzeption, Durchführung und Auswertung von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten erfolgreich zu bewältigen. Fragen der Planung und Konzeptualisierung, Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens und der wissenschaftlichen Textproduktion, das Recherchieren und Zitieren von Quellen unter Einsatz neuer Medien sowie angewandte Aspekte standardisierter und nicht-standardisierter Interview- und Befragungsmethoden werden dabei thematisiert. Für die überarbeitete Neuauflage wurden die Texte aktualisiert und durch Beiträge, die neue Entwicklungen aufgreifen, ergänzt: Dabei handelt es sich um den Einsatz von Literaturverwaltungssoftware zur Unterstützung bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten sowie um die Komparatistik als methodologisches Konzept der vergleichenden Erziehungs- und Bildungswissenschaften.

Hubert Stigler, Ass. Prof. Mag. Dr., Leiter des Zentrums für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaften an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz. Hannelore Reicher, Ao. Univ.-Prof.in Mag.ª Dr.in, Universitätsprofessorin für Integrationspädagogik am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz.

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Leseprobe

2 Planung und Durchführung – Gebrauchsanweisung für den „richtigen“ Methodeneinsatz


 

2.1 Die Planung eines Forschungsprojektes: Überlegungen zur Methodenauswahl


Hannelore Reicher


Die Phasen eines empirischen Forschungsprojektes

Ebenso wie beim Hausbau, wo eine gediegene Planung und ein durchdachter Bauplan entscheidend für das Gelingen des gesamten Bauprojektes sind, spielt auch in empirischen Forschungsprojekten die Planungsphase eine Schlüsselrolle. Nach Bortz/Döring (2006) markiert die Planung der Untersuchung den wichtigsten Abschnitt empirischer Arbeiten. Von der sorgfältigen und präzisen Planung hängt es ab, welche Aussagekraft die Ergebnisse haben und welcher wissenschaftliche Wert der Studie zukommt.

In empirischen Forschungsvorhaben werden folgende Phasen unterschieden:

1. Konkret sind in der Planungsphase eines empirischen Forschungsprojektes folgende Fragen zu klären:

•  Was sind die Fragestellungen bzw. Hypothesen der Arbeit? Sind sie für ein empirisches Forschungsprojekt geeignet?

•  Was ist die geeignete Forschungsmethode? Welches Paradigma – quantitativ oder qualitativ – ist angemessen? Welche Erhebungsinstrumente setze ich ein? Wie sieht die konkrete Untersuchungsanordnung aus?

•  Wie wähle ich welche Stichprobe aus? Wie bekomme ich Zugang zum „empirischen Feld“?

•  Wie sehen meine Ressourcen aus in Bezug auf Zeitaufwand, finanzielle Aspekte, Organisatorisches?

2. In der Durchführungsphase läuft die Datenerhebung im empirischen Feld.

3. In der Auswertungsphase steht die Aufbereitung und interpretative bzw. statistische Analyse der Daten im Mittelpunkt. Die gestellten Forschungsfragen werden basierend auf den gewonnenen empirischen Ergebnissen beantwortet.

4. In der Diskussions- und Interpretationsphase schließlich werden aus den Befunden Schlussfolgerungen gezogen. Wo gibt es Anknüpfungspunkte, Defizite und offene Fragen zum bisherigen Forschungsstand? Der Geltungsbereich der gewonnenen Aussagen wird abgesteckt, mögliche Verallgemeinerungen oder Einschränkungen werden ausgelotet, Zusammenhänge und Diskrepanzen mit bestehenden Theorien und bisherigen Forschungsbefunden werden hergestellt.

 

Empirische Forschung

„Empirisch“ kommt aus dem Griechischen und heißt „auf Erfahrung beruhend/erfahrungsmäßig“. Diese Erfahrung kann auf Beobachtung, Befragung, Experimenten oder anderem Datenmaterial beruhen. Empirische Forschung sucht also nach Erkenntnissen durch systematische Auswertung von Erfahrung.

Nach einem empirisch-sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsverständnis ist zur Prüfung einer Theorie die Konfrontation daraus abgeleiteter Aussagen, Fragestellungen oder Hypothesen mit der Erfahrungswelt notwendig.

Einen Forschungsplan erstellen – Ein empirisches Forschungsprojekt designen

Welche Forschungsfragen sind für eine empirische Studie geeignet?

Bortz/Döring (2006, S. 40ff.) nennen folgende Kriterien, anhand derer man Forschungsfragen bewerten kann, ob sie für eine empirische Studie geeignet sind:

Wissenschaftliche Kriterien: Hier ist als erstes die Präzision der Problemformulierung zu nennen. Unbrauchbar sind vorläufige Untersuchungsideen, die unklare, mehrdeutige oder schlecht definierte Begriffe enthalten. Begriffe gelten als vorläufig klar definiert, wenn sie kommunikationsfähig sind. Die Aussage „Ich möchte etwas über Lese-Rechtschreibstörungen bei Kindern untersuchen“ stellt beispielsweise keine präzise Problemformulierung dar. Weiters geht es um die wissenschaftliche Tragweite der Studie, wobei zu „große“ Themen ebenso problematisch sind, wie die Frage der Trivialität von Studien, mit denen man nur schon seit langem Bekanntes wieder reproduziert. Auch sind einzelne Themen und Fragestellungen empirisch kaum oder nicht bearbeitbar. Für dieses Kriterium der empirischen Untersuchbarkeit spielt auch der damit verbundene Arbeitsaufwand eine große Rolle. In Bezug auf die praktisch-wissenschaftliche Relevanz sind Aspekte wie die Originalität der Fragestellung, die Aktualität des Themenbereiches, die Erweiterung des Wissens und die Anwendbarkeit und Nützlichkeit der Forschungsergebnisse zu beachten.

Ethische Kriterien: Neben den allgemeinen ethischen Grundsätzen innerhalb der Scientific Community wie Redlichkeit im Umgang mit den Ergebnissen und Wahrung der wissenschaftlichen Arbeitsprinzipien sind insbesondere in der empirischen Forschung die Verantwortung gegenüber den ProbandInnen und Fragen des Datenschutzes zu beachten. Die „Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft“ (2010) formulierte folgende Ethik-Kriterien, denen sich WissenschaftlerInnen verpflichtet fühlen sollten: Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung, Verantwortung für die Einhaltung professioneller Standards sowie die Verantwortung für die Information und den Schutz der von Forschungsstudien betroffenen Personen. Konkret reichen die Problemfelder von der informierten Einwilligung (z.B. bei der teilnehmenden Beobachtung) bis hin zur Wahrung des Datenschutzes und der Anonymität bei der Darstellung und Publikation der Ergebnisse. Werden Kinder „beforscht“ ist die Einwilligung der Erziehungsberechtigten einzuholen. Die Minderjährigen selbst sollen in altersadäquater Form informiert werden. Führt man Studien an Institutionen durch, beispielsweise in Kindergärten oder Schulen, so ist auch von den so genannten „Gate-Keepers“ (Greig/Taylor 1999, S. 151), also den verantwortlichen Leitungspersonen, DirektorInnen und/oder den vorgesetzten Instanzen (z.B. dem Landesschulrat) eine Genehmigung zur Durchführung der wissenschaftlichen Arbeit einzuholen.

 

Informed Consent

„Entschließt sich ein potentieller Proband nach Kenntnisnahme aller relevanten Informationen zur Teilnahme an der in Frage stehenden Untersuchung, spricht man von ‚Informed Consent‘“ (Bortz/Döring 2006, S. 44).

Seitens der Forscherin/des Forschers ist sicherzustellen, dass die Versuchspersonen darüber Bescheid wissen, dass die Teilnahme am Forschungsprojekt freiwillig ist, dass die Teilnahme jederzeit abgebrochen werden kann ohne nachteilige Folgen und dass die TeilnehmerInnen wissen, was von ihnen im Rahmen der Untersuchung erwartet wird.

Soziale Verantwortung impliziert die Achtung der Menschenwürde während des gesamten Forschungsprozesses sowie die Vermeidung psychischer und/oder körperlicher Beeinträchtigungen der Erforschten durch die Teilnahme an der Studie. Untersuchungen, bei denen begrenzte psychische Belastungen nicht ausgeschlossen werden können, sind nur zulässig, wenn die Erkenntnisse nicht auf anderem Wege gewonnen werden können und wenn eine Nachbetreuung sichergestellt wird.

Tipp: Hat man ein interessantes Thema gefunden und sich einen ersten Literaturüberblick verschafft, ist es auf alle Fälle ratsam, das eigene Forschungsvorhaben möglichst bald mit dem Betreuer/der Betreuerin der wissenschaftlichen Abschlussarbeit zu besprechen und Rückmeldungen bei der Einschätzung der Angemessenheit der Forschungsidee einzuholen. Dadurch lassen sich sehr oft zeitintensive und unnötige „Sackgassen“ vermeiden.

Forschungsfragen operationalisieren: Das Überbrückungsproblem

Eine wissenschaftliche Analyse von Begriffen macht eine Bedeutungsanalyse (analytische Definition) erforderlich, in der definiert wird, was mit einem Begriff oder Konstrukt bezeichnet wird; sie stellt die Vorstufe der operationalen Definition dar. Als Hilfsmittel zur Bedeutungsanalyse sind Fachlexika recht hilfreich. Mit der operationalen Definition wird festgelegt, mit welchen Indikatoren und auf welche Art und Weise die jeweiligen Begriffe praktisch erfasst werden.

Während einige Variablen wie Alter oder Schulbildung relativ einfach zu operationalisieren sind, bedarf es bei komplexen theoretischen Konstrukten aufwändiger Definitionsschritte. Viele theoretische Fachbegriffe sind Konstrukte (z.B. das Konstrukt Erziehungsstil, das verschiedene Dimensionen aufweist). Das Problem besteht nun darin, diese Konstrukte messbar zu machen, d.h. sie in messbare Merkmale zu übersetzen (zum Beispiel Items zu formulieren, mit denen man spezifische Merkmale des Erziehungsstils wie zum Beispiel Strenge, emotionale Wärme oder Kontrolle erfassen kann). Manchmal lassen auch begrifflich präzise Definitionen mehrere Operationalisierungen zu; es kann aber auch schwierig sein, überhaupt eine zu finden. Von Vorteil ist es, auf bewährte Operationalisierungen aus der Fachliteratur zurückzugreifen.

Zur Operationalisierung gehören auch die Wahl der Datenerhebungsmethode (z.B. Fragebogen, Leitfadeninterview, Test) und die Festlegung von Messoperationen z.B. in Bezug auf das Skalenniveau.

 

Operationalisieren

Unter Operationalisierung versteht man die Überführung von theoretischen Konstrukten und Begriffen in messbare Merkmale. Verkürzt gesagt bedeutet operationalisieren etwas messbar zu machen. Operationalisierung ist eine Maßnahme zur empirischen Erfassung von...

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