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Professionell texten

Grundlagen, Tipps und Techniken

AutorAndreas Baumert
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783406705212
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Inhalt Erfolgreich Texte schreiben. Wie schreibt man so, dass der Leser versteht und der Text sein Ziel erreicht? Welches Werkzeug nutzen professionelle Autoren? Worauf muss man achten bei der Auswahl von Wörtern, der Konstruktion von Sätzen? Wie schreibt man für unterschiedliche Medien, Dokumenttypen? Was zeichnet dieses Handwerk heute aus? Professionelle Texte verfolgen auch Ziele. Sie sind Projekte mit Zeitplanung und Kostenkalkulation. Viele Regeln und Empfehlungen, die Profis in der Ausbildung lernen, konzentriert dieses Buch auf das Wichtigste. Zielgruppe Für Fachkräfte, die beruflich Texte schreiben, Studierende.

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Leseprobe

312. Kapitel
 
Wie man sich gut versteht


Die Leseranalyse hilft, Texte zu schreiben, die ihr Ziel erreichen. Sie reicht aber nicht aus, denn niemand kann in die Leser hineinsehen. Ob diese wirklich verstehen, erfährt man bestenfalls hinterher. Mehr als eine begründete Vermutung stellt diese Methode nicht zur Verfügung.

Was liegt näher, als nach Wegen zu suchen, die ganz allgemein beim Schreiben verständlicher Texte helfen? Tatsächlich stellen Forscher und Softwarehäuser mittlerweile einige Instrumente bereit, die Autoren bei der Arbeit nutzen können.

2.1 Ausgezählt


Wortreiche Sätze, lange Wörter, Fremdwörter scheinen Merkmale unverständlicher Texte zu sein.

„Unter Texten werden Ergebnisse sprachlicher Tätigkeit sozial handelnder Menschen verstanden, durch die in Abhängigkeit von der kognitiven Bewertung der Handlungsbeteiligten wie auch des Handlungskontextes vom Textproduzenten Wissen unterschiedlicher Art aktualisiert wurde, das sich in Texten in spezifischer Weise manifestiert und deren mehrdimensionale Struktur konstituiert. Die Struktur eines Textes indiziert zugleich die Funktion, die einem Text von einem Produzenten in einem bestimmten Interaktionskontext zugeschrieben wurde und stellt die Basis für einen komplizierten Interpretationsprozess des Textrezipienten dar.“18

32Diesen Text aus der Sprachwissenschaft verstehen nur wenige Leser auf Anhieb. Er ist inhaltlich nicht falsch, verdichtet aber zu viele Gedanken in zwei Sätzen. So entsteht eine Zumutung für jeden Leser, der diese Art des Sprachgebrauchs nicht geübt hat. Ganz anders das zweite Beispiel:

„Ich verstand mich nie gut mit meinem Vater. Weder akzeptierte er meine Faszination für das Weltall, noch förderte er mein Interesse an den Wissenschaften. Vater wollte aus mir einen Winzer machen; er wollte, dass ich zu Hause blieb, dass ich mich ihm und meinem Bruder im Familienbetrieb anschloss. Aber es war einfach so, dass ich nie die Absicht hegte, den Erwartungen meines Vaters gerecht zu werden. Meine Vorstellungen gingen in eine andere Richtung.“19

Raumschiff Enterprise, Nachrichten aus einer unbekannten Welt, Sciencefiction als Managementlehre kaschiert, dennoch verständlich auch für den, der sich weder mit dem einen noch dem anderen beschäftigt.

Warum ist der zweite Text verständlicher als der erste? Zum einen des Inhalts wegen, könnte man meinen. Söhne halten sich eben nicht immer an die Pläne der Väter. Der erste Text scheint hingegen über eine Welt zu reden, die den meisten Lesern fremd ist. Das aber ist ein Irrtum, denn man könnte ihn auch so umschreiben, dass ihn ein zehnjähriges Kind versteht.20 Geheimnisse enthält er nicht.

Wenn es nicht der Inhalt ist, muss es an der Form liegen. Der einfachste Weg scheint das bloße Auszählen sichtbarer Merkmale:

Merkmale

Text 1

Text 2

Sätze

2

5

Wörter

75

73

Silben

177

127

Satzlänge = Wörter : Sätze

37,5

14,6

Wortlänge = Silben : Wörter

2,36

1,73

Beide enthalten etwa gleichviel Wörter, der Unterschied liegt in der Anzahl der Sätze und der Silben. Im ersten Text sind die Sätze fast dreimal so lang wie im zweiten, auch die Wörter sind länger.

Eine einfache Berechnung der durchschnittlichen Wort- und Satzlänge, die sich mit ähnlichem Ergebnis oft anwenden lässt: Kürzere 33Wörter und kürzere Sätze zeichnen Texte aus, die Leser als verständlicher empfinden.

Was lag näher als die Suche nach einer Formel, die Auskunft über die Verständlichkeit gibt. Seit über 50 Jahren entwickeln Forscher solche Berechnungsmethoden, von denen einige angeblich sogar sagen, welchen Schulabschluss der Leser haben muss, um den Text verstehen zu können.

Die bekannteste Formel ist der Reading Ease (RE) nach Robert Flesch:

RE = 206,835 – 0,846 · wl – 1,015 · sl

wl (Wortlänge) = Zahl der Silben in 100 Wörtern

sl (durchschnittliche Satzlänge) = Anzahl Wörter : Anzahl Sätze

Analysiert man einen englischen Text mit Hilfe dieser Formel, ergibt sich ein Wert zwischen 0 (völlig unverständlich) und 100 (außerordentlich verständlich).

Mit der Formel erfährt man jedoch bestenfalls etwas über die Lesbarkeit, nichts über die Verständlichkeit. Auch Forscher, die auf solche Methoden schwören, räumen ein, dass Formeln mehr nicht leisten können. Denn die Rechnung orientiert sich am Satz, nicht am Text. Würde man die Sätze im zweiten Beispiel durcheinander würfeln, entstünde ein konfuser Text mit dem gleichen Index nach Flesch.

Immerhin nutzen viele Autoren und Institutionen in den USA Lesbarkeitsformeln als Qualitätskriterium. Viele Formeln konkurrieren miteinander. Wer Produkte mit technischen Anleitungen und Handbüchern zu einem US-Partner exportiert, sollte sich vorher erkundigen, ob dieser Kunde solche Kriterien anlegt. Das kann teure Nacharbeiten ersparen.

Berechnungsmethoden haben den unschätzbaren Vorteil, dass man sie in Software integrieren kann. So erhalten Autoren schon während des Schreibens Auskunft, ob die Sätze zu kompliziert sind. Seit den neunziger Jahren bieten Textverarbeitungsprogramme solche Funktionen an. Das Programm Microsoft® Word zählt die Zeichen, Wörter, Sätze, Absätze, Passivsätze und bestimmt neben dem Flesch Reading Ease noch einen zweiten Index, den Flesch-Kincaid-Grade-Level. 34Dieser Wert soll angeben, welches Schulniveau ein Leser erreicht haben muss, um den Text zu verstehen.

Abb.6: Lesbarkeitsstatistik in Microsoft® Word

Auch für das Deutsche bietet der Markt speziell für Autoren entwickelte Programme an, die ähnliche Berechnungen durchführen. Die Leistungsfähigkeit des Formelwerks ist umstritten, weil sich die Grammatik der deutschen Sprache erheblich von der des Englischen unterscheidet. Wir können durchaus lange Sätze bilden, die gut lesbar und verständlich sind. Auch auf die Wortlänge ist nicht immer Verlass: Quark ist nicht nur Weißkäse oder Unsinn, den einer redet. In der Physik ist es auch ein Elementarteilchen, von anderer Verständlichkeit als Molkereiprodukte.

Sprachwissenschaftler und Pädagogen diskutieren mehrere Formeln, die im Deutschen angewandt werden können: eine deutsche Variante der Flesch-Formel, die Wiener Sachtextformel21 und andere.

35Entscheidet sich eine Softwarefirma, in einem Textverarbeitungsprogramm, Redaktionssystem oder ähnlichem Produkt die Verständlichkeit des Geschriebenen berechnen zu lassen, müsste sie angeben können, nach welchem Verfahren das System zu seinem Urteil gelangt. Ebenso müssen Dienstleister und Agenturen, die Dokumente auf ihre Verständlichkeit überprüfen, ihre Bewertungsgrundlage offenlegen können.

 

Der bloße Hinweis auf Verständlichkeitsformeln oder Lesbarkeitsformeln reicht weder bei Beratern noch bei Programmen. Sind die Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt und wissenschaftlich untermauert, ist Vorsicht angebracht.

Berechnungen bieten manchmal einen guten Dienst, wenn Texte unterschiedlicher Herkunft miteinander verglichen werden müssen. Schreiben mehrere in einem Team, kann die Forderung, dass man einen vorgegebenen Wert einhalten solle, das Ergebnis verbessern. Wenigstens kann Zeit und Geld für die Arbeit der Schlussredaktion gespart werden.

Doch auch die in der Wissenschaft diskutierten Formeln sind längst nicht allgemein anerkannt. Zwar mag das Zahlenwerk manchmal ein nützliches Indiz geben, ein verlässliches Werkzeug bietet die Formelwelt nicht.

Profitexter benötigen keine Rechenmaschinen, um brauchbare Texte zu schreiben. Manche nutzen sie dennoch, wenn sie etwas in Englisch formulieren. Gerade der Flesch Reading Ease ist dann ein guter Ersatz für fehlendes Sprachgefühl.

2.2 Das Hamburger Modell


Ende der sechziger Jahre hatten drei Hamburger Psychologieprofessoren22 genug von unverständlichen Texten. Mit Tests und in Veranstaltungen entwickelten sie einen Ansatz, verständlich zu schreiben und die Verständlichkeit von Geschriebenem zu bewerten: Das 36Hamburger Verständlichkeitsmodell. Vor über 40 Jahren entwickelt, ist es...

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