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E-Book

Sakuntala

AutorKalidasa
VerlagHenricus - Edition Deutsche Klassik
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl147 Seiten
ISBN9783847809944
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
Sakuntala. Schauspiel von Kalidasa. Aus dem Sanskrit übersetzt von Friedrich Rückert, Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1876. Verfasst zwischen 300 und 400. Hier in der Übersetzung von Friedrich Rückert.

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Leseprobe

Erster Act.

 

 

Der König Duschianta, eine Gazelle verfolgend, mit gespanntem Bogen auf dem Wagen stehend sammt dem Wagenlenker.

 

WAGENLENKER.

Richt' ich den Blick auf die Gazelle

Und dich den Bogenspannenden,

Glaub' ich den Hirschverfolgenden

Pinakaführer2 selbst zu sehn.

KÖNIG. Wagenlenker! Diese Gazelle hat uns weit mit sich fortgerissen. Sie aber

Mit lieblichen Halsbiegungen

Von Zeit zu Zeit um nach dem Wege blickend,

Die hintre Hälft' aus Furcht vorm Pfeil

Ganz in den Vorderleib zusammen schiebend,

Den Weg mit halbgekautem Gras

Bestreuend aus ermattet offnem Munde,

O schau sie gehn in hohem Sprung

Mehr in der Luft und weniger am Boden:

Wie ist sie mir doch auf der Stelle fast unsichtbar geworden!

WAGENLENKER. Langlebender! Der Boden war holperig, deswegen weil ich die Zügel anzog, war des Wagens Flug langsam geworden; daher hat das Thier einen weiten Vorsprung gewonnen. Jetzt auf ebenem Grunde fahrend, wird es dir nicht schwer einzuholen sein.

KÖNIG. So laß die Zügel schießen.

WAGENLENKER. Wie der Langlebende befiehlt Schnell fahrend. Langlebender, siehe, siehe:

Die Zügel laß ich schießen und mit langestreckten Leibern,

Mit wanklos stetem Federbusch und steil gereckten Ohren,

Selbst uneinholbar dem von ihnen aufgeregten Staube,

Rennen wie eifersüchtig auf des Wildes Lauf die Rosse.

KÖNIG freudig. In der That, die Pferde überbieten das Gespann des Sonnengottes und die Falben Indra's. Denn also

Was einem Punkte glich,

Hat schnell zu einer Masse sich entfaltet;

Was erst halb sichtbar war,

Ist gleichsam plötzlich aufgetaucht als ganzes;

Was kaum noch schräg erschien,

Ist schon in gleicher Linie mit den Augen;

Nichts bleibt dem Augenblick

Vor oder neben mir, so fliegt der Wagen.

Wagenlenker! Siehe wie ich sie jetzt erlege! Zielt.

EINE STIMME VON DRINNEN: Ho ho König! Schieß nicht, schieß nicht auf sie!

WAGENLENKER horchend und hinblickend. Langlebender! Zwischen die schußgerechte Gazelle und dich haben sich Einsiedler gestellt.

KÖNIG mit Ehrerbietung. So seien die Rosse angehalten.

WAGENLENKER. Wohl. Er hält den Wagen an.

 

Ein alter Eremit selbdritt auftretend.

 

EREMIT die Hand erhebend. König! Das ist ein Einsiedelei-Wild.

O nicht, o nicht geworfen

Sei dein Geschoß auf diesen

Den zarten Leib des Thieres,

Wie Feuer auf Baumwollballen.

Was ist auch eines armen

Gazellchens weiches Leben

Und was mit scharfem Falle

Dein stahlgespitzter Pfeil!

Darum wolan, das angelegte

Geschoß, zieh wieder es zurück!

Die Waffe dient zum Schutz Bedrängter,

Zum Angriff nicht Unschuldiger.

KÖNIG. Sieh, es ist zurückgezogen Er thut so.

EREMIT. Das ziemt dir, der Leuchte des Purustammes.

O der du bist von Puru's Stamme

Geboren, das steht wohl dir an;

Es sei ein Sohn von gleicher Tugend,

Ein Weltbeherrscher dir verliehn!

DIE BEIDEN ANDERN EREMITEN. Ja ein Weltbeherrscher sei dir zum Sohne verliehen!

KÖNIG sich verneigend. Ich nehm' es an.

EREMIT. König! Opferbrandholz zu holen sind wir ausgegangen; du siehst hier Vater Kanwa's am Malini-Ufer belegene Siedelei; wenn du kein anderes Geschäft hast, so tritt ein und empfange die gastlichen Ehren. Dann auch,

Wenn du die frohen Opfer

Der Büßer ohne Störung siehst ergehn,

Erkennest du: so vieles

Beschützt mein von der Senne narbiger Arm.3

KÖNIG. Ist auch der Hausvater daheim?

EREMIT. Eben jetzt, nachdem er seiner Tochter Sakuntala die Gäste-Bewirthung aufgetragen, ist er um ein sie bedrohendes Geschick abzuwenden, nach Somatirtha gewallfahrtet.

KÖNIG. Nun gut; ich werde sie sehen; sie soll meine Verehrung dem großen Weisen melden.

EREMIT. Machen wir uns auf! Er geht mit den zwei Jüngern ab.

KÖNIG. Wagenlenker! Treib die Rosse an. Wir wollen im Anblick dieses reinen Aufenthalts uns selbst reinigen.

WAGENLENKER. Wie der Langlebende befiehlt Er fährt rasch.

KÖNIG überall umblickend. Auch ungesagt würde man gewahr, wie hier die Wonne eines Bußhaines ist.

WAGENLENKER. Wie so?

KÖNIG. Wie! Siehst du nicht? Hier ja,

Reiskörner aus der Papageienbrütenden

Baumhöh' herab zu Fuß des Stamms gefallen,

Und Stein', auf denen Ingudi4 gerieben ward,

Sind hier und dort am feuchten Glanz erkennbar.

Zutraulich längst geworden sind, ohn' ihren Weg

Zu ändern, nicht vor Stimmen scheu die Rehe;

Und um die Wasserbecken sind durch Träufelung

Von Bastgewändersaum gestreift die Pfade.5

WAGENLENKER. Alles ist so.

KÖNIG. Den Bußhainbewohnern werde keine Störung! Halte hier den Wagen an; ich will absteigen.

WAGENLENKER. Die Zügel sind angezogen; der Langlebende steige ab.

KÖNIG abgestiegen. Wagenlenker! Im Gewande der Demuth nur soll man Bußhaine betreten: darum nimm dieses! Er übergibt ihm seinen Schmuck und den Bogen. Wagenlenker! Während ich die Siedeleibewohner hier besuche, kühle inzwischen die Pferde ab.

WAGENLENKER. Das soll geschehen Ab.

KÖNIG umhergehend und schauend. Hier ist der Eingang; ich will eintreten. Beim Eintreten empfindet er ein Wahrzeichen.

Hier ist das Haus des Friedens,

Und wie? es zuckt mein Arm, was soll das hier?

Doch freilich überall ist

Das Thor der Zukunft aufgethan.

EINE STIMME VON DRINNEN. Hieher, hieher Freundin!

KÖNIG hinhorchend. Ah! Rechts von jener Baumgruppe ist mir als hör' ich reden. Ich will hin gehn Geht. Ah! Einsiedlermädchen mit Gießkannen nach ihrem Maße sind da mit Tränkung der jungen Bäume beschäftigt; Sie betrachtend. ha, wie lieblich ist ihr Anblick:

Wenn solchen Leib, wie in Haremen selten

Zu finden ist, Einsiedlermädchen tragen,

So sind des Gartens Ziergewächse

Von Waldesranken aus dem Feld geschlagen.

Ich will hier in den Schatten treten und sie herankommen lassen Er steht beobachtend.

 

Sakuntala in der angegebenen Beschäftigung tritt auf mit zwei Freundinnen.

 

SAKUNTALA. Hieher, hieher Freundin!

ANASUJA. Schwester Sakuntala! Noch mehr als du selber müssen dem Vater Kanwa die Siedeleibäume am Herzen liegen, da er dich die Jasminblüthenzarte so zum Füllen der Bewässerungsrinnen anhält.

SAKUNTALA. Es ist ja nicht blos des Vaters Befehl; ich selbst auch habe Geschwisterliebe zu diesen Sie begießt die Bäume.

KÖNIG. Wie? Ist das Kanwa's Tochter? Der Verehrungswürdige sieht nicht richtig, der sie zum Bußhaindienst anhält.

Wer diesen Leib, den ohne Künste reizenden

Zu Bußgeschäften abzurichten trachtet,

Der will mit eines Lotosblattes feinem Rand,

Traun, Opferbrennholz spalten.

Nun gut! Hier im Gebüsch verborgen, will ich unbesorgt zusehen Er thut so.

SAKUNTALA. Freundin Anasuja! Priamwada hat mich zu fest in das Bußgewand eingeschnürt; lockere mir es doch!

ANASUJA. So! Sie lockert das Gewand.

PRIAMWADA. Schilt doch sie, die dir den Busen schwellt, die eigene Jugend; was schiltst du mich?

KÖNIG. Sie hat Recht:

Hier das mit leichtem Knoten

Der Schulter umgeworfne

Des Brüstepaares Umfang

Hüllende Bastgewand,

So wenig birgt's die Fülle

Des jugendlichen Leibes

Als die geschwellte Blüthe

Der welke Blätterkelch.

Freilich nicht angemessen ist ihrem zarten Alter das Bastgewand; gleichwol ist es nicht ohne Anmuth.

Denn ja

Schön wächst die Wasserlilie zwischen Binsen,

Und reizend wird der Mond durch dunkle Flecken;

Im Bastgewand höchst lieblich ist die Schlanke:

Denn was dient Huldgestalten nicht zu Schmucke?

SAKUNTALA. Dort mit windbewegtem Zweigfinger winkt mir gleichsam der Kesara-Baum; ich will ihn doch besuchen Sie geht hin.

PRIAMWADA. Schwester Sakuntala! Bleib doch einen Augenblick dort so stehn, damit, wie du dich an ihn lehnest, der Kesara-Baum seine Liane zu haben scheine.

SAKUNTALA. Darum heißest du Priamwada, die Liebrednerin.

KÖNIG. Wenn gleich liebes, doch wahres hat sie von Sakuntala geredet. Denn an ihr

Knospend ist die Lippe,

Zarte Zweige ahmen nach die Arme,

Und wie volle Blüthe

Webt der Jugend Liebreiz um die Glieder.

ANASUJA. Schwester Sakuntala! Hier steht, aus eigener Wahl dem Amra-Baume vermählt, die von dir Waldmondschein genannte Nawamalika: hast du sie vergessen?

SAKUNTALA. Dann würde ich mich selbst vergessen Sie tritt zu der Liane und betrachtet sie. Schwestern! Zu lieblicher Zeit ist dieses Paares, der Liane und des Baumes Wonnevereinigung ergangen. Waldmondschein zeigt in neuen Blüthen ihre Jugendfülle, der Amra ist mit Knospendrang lustbereit Sie steht betrachtend.

PRIAMWADA. Anasuja! Weißt du wol, warum Sakuntala Waldmondschein so...

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