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E-Book

Schulische Inklusion entwickeln

Arbeitshilfe für Schulleitungen

AutorDavid Scheer, Désirée Laubenstein
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl155 Seiten
ISBN9783170324213
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Inklusion ist ein Prozess, dessen erfolgreicher Verlauf entscheidend von der Führungs-, Steuerungs- und Organisationskompetenz der Schulleitung abhängt: Leitlinien müssen entwickelt und Barrieren abgebaut werden. Es gilt, Zuständigkeiten zu delegieren, aber vor allem muss der Prozess gemeinsam gestaltet werden. Der Band bietet zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Führungsaufgabe Arbeitshilfen mit konkreten Maßnahmen, wie Schulleitungen durch ihr Handeln die Umsetzung einer inklusiven Schulentwicklung gestalten können. Er versteht sich als Anregung dieses Gestaltungsprozesses auf solidem theoretischem Fundament, der darüber hinaus ausgearbeitete Vorschläge in Form von Kopiervorlagen, Leitfäden etc. in die Darstellung einbindet.

David Scheer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Sonderpädagogische Förderung und Inklusion mit dem Schwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung an der Universität Paderborn. Dr. Désirée Laubenstein hat dort die Professur inne.

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2


Ein integriertes Modell von Schulleitung: Der Ansatz von Bolman und Deal


 

In diesem Kapitel möchten wir, aufbauend auf den vorgestellten Befunden des vorangegangenen Kapitels, ein Modell von Führung vorstellen, das sich unseres Erachtens gut auf Schulleitung übertragen lässt und eine hohe Anschlussfähigkeit zu den empirischen Befunden zu ›guter‹ Schulleitung bietet. Zugleich merken wir aber an, dass dieses Führungsmodell nicht ausschließlich für Schulleiterinnen und Schulleiter hilfreich ist: Es geht dabei um Führung im Allgemeinen, d. h. für jede und jeden mit Führungsverantwortung im Schulsystem ist dieses Kapitel von Bedeutung, also auch für Schulaufsichtsreferentinnen und -referenten, leitende Beamtinnen und Beamte in Bildungsministerien etc.

Bevor Sie sich theoretisch mit diesem Modell auseinandersetzen, möchten wir Sie dazu einladen, einmal den folgenden Fragebogen für sich zu beantworten (Kopiervorlage 2-1) und auszuwerten (Kopiervorlage 2-2).

Anhand dieses Fragebogens wird recht gut deutlich, was der Kerngedanke dieses theoretischen Rahmenmodells ist: Bolman und Deal (2013) gehen auf Basis der Literatur zu Organisationstheorien und Führungstheorien sowie auf Basis der empirischen Führungsforschung davon aus, dass es vier Hauptperspektiven gibt, unter denen Organisationen und Führung in Organisationen betrachtet werden können. Aus jeder dieser Strömungen heraus gibt es Führungstheorien, die entsprechend der eigenen Ausrichtung bestimmte Aspekte von Führungshandeln in den Mittelpunkt rücken. Jede Organisationstheorie bietet der Führungskraft folglich einen Rahmen, durch den sie, gleich einem Fenster, ihre Organisation, deren Abläufe und die daraus resultierenden Führungsaufgaben/Anforderungen an Führung ableitet:

»Ein Rahmen ist ein mentales Modell – ein Satz von Ideen und Annahmen –, das man im Kopf hat, um ein partikulares ›Territorium‹ zu verstehen und zu verhandeln. Ein guter Rahmen macht es einem leichter zu wissen, womit man es zu tun hat und, schlussendlich, wie man diesbezüglich handeln kann. Rahmen sind unverzichtbar, weil Organisationen kein computermäßiges Navigationssystem besitzen, welches einen Schritt für Schritt ans Ziel führt. […] Die Essenz dieses Prozesses ist, situationale Hinweise/Informationen mit einem gut gelernten Rahmenmodell in Übereinstimmung zu bringen […].« (Bolman/Deal 2013, 10f.; eigene Übersetzung)

Einerseits bedeutet dies, dass die Art, wie eine Führungskraft ihre Umgebung sieht, auch bestimmt, wie sie als Führungskraft agiert, andererseits aber auch, dass das Wissen über unterschiedliche Perspektiven auf die Welt ein Reframing ermöglicht, einen Wechsel der eigenen Perspektive. Und genau das zeichnet das Modell von Bolman und Deal aus: Jede Führungskraft, so die Autoren,

habe einen eigenen, persönlichen Rahmen bzw. Bild von der Welt, auf das sie sich bezieht, während erfolgreiche Führungskräfte zugleich in der Lage seien, zwischen verschiedenen Rahmen und Betrachtungsweisen zu wechseln (vgl. Bolman/Deal 2013, 12ff.). Denn, und das spiegelt sich auch in den empirischen Befunden wider, die wir im letzten Kapitel zusammengefasst haben, Organisationen sind zu unterschiedlich und komplex, als dass sie durch einen Rahmen, eine Theorie alleine beschrieben werden könnten. Vielmehr erfordern unterschiedliche Situationen unterschiedliche Betrachtungs- und Handlungsweisen, was Bolman und Deal mit der Metapher des Navigationswerkzeugs ausdrücken:

»Das Richtige hingegen macht die Arbeit leichter. Das falsche Werkzeug steht einem im Weg. Deshalb werden Werkzeuge nur dann hilfreich, wenn die Situation exakt passend für sie ist. Des Weiteren mögen ein bis zwei Werkzeuge für leichte Aufgaben ausreichen, nicht jedoch für komplexere Vorhaben. Manager, die mit dem Hammer umgehen können und nun von allen Problemen erwarten, dass sie sich wie Nägel verhalten, werden das Leben in der Organisation verwirrend finden und frustriert sein. Der kluge Manager wird, wie ein geübter Zimmermann, eine große Auswahl an hochwertigen Werkzeugen passend anzuwenden wissen. Erfahrene Manager verstehen zudem den Unterschied zwischen dem bloßen Besitzen eines Werkzeugs und dem Wissen darüber, wann und wie es zu benutzen ist.« (Bolman/Deal 2013, 13; eigene Übersetzung)

Die vier Rahmen, die Bolman und Deal identifizieren, sind in Tabelle 2.1 übersichtlich dargestellt und werden nachfolgend kurz einzeln beschrieben ( Tab. 2.1). Auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für Schulleitung (im Kontext Inklusion) wird in den einzelnen Folgekapiteln jeweils eingegangen.

Tab. 2.1: Übersicht über das Vier-Rahmen-Modell (modifiziert nach Bolman/Deal 1997, 15, eigene Übersetzung)

2.1       Struktureller Rahmen


Den Strukturellen Rahmen leiten Bolman und Deal vor allem aus den Arbeiten von Frederick W. Taylor (1911) und Max Weber (1947) ab. Kernelemente dieser beiden Ansätze sind eine feste Arbeitsteilung, strikte Hierarchien und regelgeleitete Steuerungsmechanismen. Bolman und Deal formulieren folgende Grundannahmen für einen Strukturellen Rahmen:

1.  »Organisationen existieren, um festgelegte Ziele und Ansprüche zu erreichen.

2.  Organisationen steigern ihre Effizienz und Performance durch Spezialisierung und angepasster Arbeitsteilung.

3.  Passende Formen der Koordination und Kontrolle stellen sicher, dass die Anstrengungen verschiedener Individuen und Einheiten ineinandergreifen.

4.  Organisationen funktionieren am besten, wenn Rationalität die Oberhand über persönliche Agenda und externen Druck behält.

5.  Effektive Strukturen passen zu den aktuellen Umständen einer Organisation (einschließlich ihrer Ziele, Technologien, Arbeitskraft und Umwelt).

6.  Probleme entstehen durch und Performance leidet unter Strukturdefizite(n), beseitigt wird dies durch Problemlösung und Re-Strukturierung.« (Bolman/Deal 2013, 45; eigene Übersetzung)

Führung aus Sicht des Strukturellen Rahmens


»Strukturelle Führungskräfte betonen Rationalität, Analyse, Logik, Fakten und Daten. Am ehesten glauben sie an die Wichtigkeit klarer Strukturen und gut entwickelter Management-Systeme. Eine gute Führungskraft ist jemand, der klar denkt, die richtigen Entscheidungen trifft, über gute analytische Fähigkeiten verfügt und der Strukturen und Systeme so gestalten kann, dass die Aufgaben gut erledigt werden.« (Bolman/Deal 1988, 3; eigene Übersetzung)

Schulleitung, wenn sie den Strukturellen Rahmen in den Blick nimmt, berücksichtigt demzufolge laut Bonsen (2016) vor allem die folgenden Dimensionen:

•  »Prozessplanung und Evaluation;

•  haushaltsbezogene Planung und Kontrolle;

•  Entwicklung struktureller Untereinheiten in der Schule, Aktivierung von vorhandenen Strukturen;

•  Diskussion und Klärung von Zielen, Rollen und Erwartungen innerhalb der Schule;

•  Implementation oder Reorganisation sowie Verdeutlichung gemeinsamer Verfahrensweisen und einer gemeinsamen Organisations- oder ›Schulpolitik‹;

•  Entwicklung und Verbesserung von Informationssystemen und Kommunikationsstrukturen.« (Bonsen 2016, 216)

Damit verbunden sind insbesondere Aspekte von Führung, die in Kapitel 1 unter dem Schlagwort der transaktionalen Führung dargelegt wurden ( Kap. 1.2.3). Im Wesentlichen geht es also darum, passende Strukturen zu entwickeln sowie alle Abläufe und Informationssysteme so zu koordinieren und zu kontrollieren, dass die Schule funktioniert. In der Forschung zeigt sich, dass dies ein wesentliches Element ist, damit Schulen grundsätzlich funktionsfähig sind und sich in der Folge mit Veränderungen, mit Programmarbeit und mit Visionen befassen können. So ergeben die Befunde von Bonsen (2003, 241), dass in der Tendenz Schulleitungen an guten Schulen dem Strukturellen Rahmen eher eine hohe Beachtung schenken als Schulleitungen an verbesserungswürdigen Schulen. Auch ergab eine quantitative Befragung, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, bei deren Ausrichtung als Führungskraft der Strukturelle Rahmen stark ausgeprägt ist, sich auch in stärkerem Maße als erfolgreiche Manager erleben, als dies Schulleiterinnen und Schulleiter tun, bei denen dieser Rahmen schwächer ausgeprägt ist (Roddy 2010).

Konkrete Anregungen und Maßnahmen, wie sich der Strukturelle Rahmen auf die Entwicklung inklusiver Schulen übertragen lässt werden wir im Kapitel 3 vorstellen...

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