Sie sind hier
E-Book

Spinoza: Ein Umriss seines Lebens und Wirkens (Biografie)

Baruch de Spinoza - Lebensgeschichte, Philosophie und Theologie

AutorFritz Mauthner
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl91 Seiten
ISBN9788026828099
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,00 EUR
Dieses eBook: 'Spinoza: Ein Umriss seines Lebens und Wirkens (Biografie)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Baruch de Spinoza (1632-1677) war ein niederländischer Philosoph und Sohn portugiesischer Immigranten sephardischer Herkunft und Portugiesisch als Muttersprache. Er wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik. Spinozas Konzept von rationaler Erkenntnis ist von einem ungetrübten, radikalen Optimismus bezüglich der Fähigkeiten des menschlichen Geistes gekennzeichnet. Er meinte, wir könnten nicht nur sämtliche Geheimnisse der Natur klären, sondern auch Gott adäquat erkennen: 'Die menschliche Seele hat eine adäquate Erkenntnis der ewigen und unendlichen Wesenheit Gottes.' Fritz Mauthner (1849-1923) war ein deutschsprachiger Philosoph und Schriftsteller.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

III.



Seit Lessing erst ist also das Ansehen Spinozas im Wachsen begriffen. Vorher redete man von ihm „wie von einem toten Hunde". Hundert Jahre lang wagte fast niemand den Namen Spinoza anders als unter Verwünschungen zu nennen,

Und dabei waren seine Bücher so gut wie verschollen. Es war schwer, auch nur ein Exemplar der Ethik des Maledictus Spinoza aufzutreiben.

Nach Lessing haben Herder und Goethe in Spinoza ihren geistigen Erlöser gesehen, und man kann wohl sagen, daß unsere deutsche Weltanschauung, wie sie sich seitdem auch noch durch Schelling, Hegel und Schopenhauer entwickelt hat, teils spinozistisch sein will, teils spinozistisch ist. Vollends die Dichtung, weil sie sinnlich gestaltete Weltanschauung ist, hat in Deutschland seit Goethes Jugend nicht aufgehört, spinozistisch zu sein. Vorher gab es in der Lyrik eine anthropomorphe, humanisierte Natur, eine Natur mit Menschenfratzen; jetzt möchte die Menschenseele selbst natürlich empfinden und reden. Früher gab es im Drama den Zwang von Moral oder Schicksal; jetzt erschrecken wir nicht mehr, wenn eherne Notwendigkeit des Charakters die schönen Linien der Handlung wie der Moral durchbricht. Darin übertrifft Spinoza alle Denker vor ihm und nach ihm, daß er wie keiner vor oder nach ihm die Notwendigkeit, die lachende oder doch stille Notwendigkeit all und jeden Geschehens immer und ohne Ausnahme empfunden und ausgesprochen hat, und daß ihn dieser Hohn des Weltlaufs, diese objektive Heiterkeit der Weltgesetze nicht erschreckt, sondern zur Forderung einer unzerstörbaren subjektiven Heiterkeit des Denkens geführt hat. Spinoza hatte wohl unter allen Menschen, die je ihr Denken auf die Nachwelt gebracht haben, zugleich die tiefste und die hellste Welterkenntnis. Aber er lehrte eine schlechte, ja recht eigentlich eine ver-kehrte Erkenntnismethode. Die mathematische Methode, die nur auf Mathematik anwendbar ist. Denn: Ziffern sind keine Worte, die algebraischen Zeichen sind keine allgemeinen Sprachbegriffe.

Ich möchte empfehlen, einmal einen ganz neuen Auszug von Spinoza zu veranstalten. Man lasse doch sämtliche Beweise einfach weg, dazu alle die Definitionen und Lehrsätze, die nur die Lücken des Systems auszufüllen bestimmt sind. Man ordne dafür die Zusätze und Erläuterungen, die Vorreden und Anhänge gut zusammen, man füge aus seinem großen Traktate und aus seinen herrlichen Briefen das Nötige hinzu, und die Welt wird den unvergleichlichen Philosophen endlich lesen können. Denn so liegt die Sache bei Spinoza: wo er sich gehen läßt, steht ihm die eindringlichste Sprache zur Verfügung; wo er unter dem Banne seiner eigenen Methode steht, wo er also durch mathematische Logik Erkenntnis schaffen will, da sinkt er eigentlich noch unter die Scholastiker hinab. Diese hatten wenigstens ihre konventionelle Sprache ge-meinsam und konnten einander verstehen was man so sagt. Spinoza schlägt seine gewaltige und persönliche Weltanschauung an das Kreuz einer persönlichen und dennoch konventionellen Sprache und wird immer da dem neueren Sprachgeiste unverständlich, wo er klar zu sein glaubt wie ein Mathematiker,

Er hat die Scholastik darin überwunden, daß er wirklich keine Autoritäten kennt. Er zuerst kritisiert gründlich die Bibel, er zuerst weist auf vergleichende Religionsgeschichte und schon auf Indien hin, er zuerst wirft sowohl den Platon als den Aristoteles ab. Aber leider kennt er auch nicht den Zweifel Descartes. Wäre Spinoza ein Skeptiker gewesen, wie ja doch die Juden geborene Skeptiker sein sollen, seine Bücher wären der Schlußstein menschlichen Denkens. Auch er aber unterlag dem Fluche des Menschengeistes, auch er glaubte an eine Erkenntnis durch Begriffe. Seine Bücher sind dogmatisch geworden, weil er an die Erkenntnis glaubte, weil er die Erkenntnis nicht immer nach ihrer Herkunft fragte. Für Spinoza gehört die Möglichkeit der Erkenntnis von Ewigkeit mit zur ewigen Natur des Menschen. Seine Weltanschauung ist der höchste und freieste Pan-Naturalismus und steht hoch über dem beschränkten Materialismus, der auf ihn folgt. Der Materialismus vermag das Denken nicht zu erklären; Spinoza versucht es gar nicht. Der Materialismus ahnt seine eigene Beschränktheit wenigstens; Spinoza steht noch ahnungslos vor den Widersprüchen seiner Erkenntnistheorie.

Wer ist denn sein erkennendes Wesen? Er setzt Gott und die Natur einander gleich und sieht im einzelnen Menschen nur eine flüchtige Erscheinung Gottes oder der Natur. Sein Gott hat kein Gehirn, keine Sprache, sein Gott hat keinen Verstand, und sein Mensch ist eine Erscheinung Gottes oder der Natur. Wer kann also etwas erkennen?

Und was soll da erkannt werden,? Gott oder die Natur ist unendlich und ewig und unerkennbar, und außer Gott oder der Natur gibt es nichts Erkennbares.

Hat also Spinoza mit seiner Erkenntnistheorie recht, so besitzt der Mensch, so besitzt auch Spinoza kein Denkorgan, diese richtige Weltanschauung zu begreifen und zu beweisen; hat aber Spinoza oder irgendein Mensch Erkenntnismöglichkeit, so muß die Theorie Spinozas falsch sein. Dieses traurige Dilemma scheint mir unwiderleglich.

Wie zum Trotz will aber Spinoza seine Lehre nicht nur in Begriffen mitteilen, sondern sie geradezu nach der Methode der Geometrie beweisen. Und dennoch war er der tiefste und dazu der überzeugungstreueste Denker.

Es fällt schwer, bei einer so übermächtigen Erscheinung erst noch nach der Glaubwürdigkeit zu fragen, bevor man ihr Zeugnis anruft. Es ist als ob der Leiter einer Gerichtsverhandlung seinen eigenen Vater nach dem Namen fragen wollte. Und es fällt schwer, bei Spinoza die Eigenschaft zu benennen, die für seine Glaubwürdigkeit zumeist bürgen könnte. Unbestechlichkeit, Ehrlichkeit, Tapferkeit, Wahrheitsliebe, alle diese schönen Worte und Namen von Tugenden zerplatzen wie Seifenblasen, wenn man an ihnen Spinoza zu Ende denkt, der einen Muttermord, wie ihn Nero beging, kaltblütig und mit Verwerfung des Begriffs „böse" unter die Naturereignisse rechnet, wie man auch wohl ein einzelnes unregelmäßig geformtes Blatt nicht ethisch verurteilt. Es heißt darum nicht zu weit ausholen, wenn wir es so ausdrücken, daß Spinozas Einsicht niemals nachweisbar von den dreierlei Absichten der gemeinen Menschheit getrübt war, nicht von Liebesgier, nicht von Hunger und nicht von Eitelkeit. Nur wie der Schatten einer Legende zieht eine Neigung für jene Clara Maria über sein Leben hin. Bedürfnislos wie ein echter Orientale verdient er sich seinen Bissen Brot mit einer Handarbeit, die ihm doch zugleich wissenschaftliche Übung war. Und seine Eitelkeit ist so gering, daß er es mit Verachtung trägt, verachtet zu werden, und man von ihm wohl mit größerem Recht als von seinem jüngern Zeitgenossen Malebranche sagen könnte, er habe die Wahrheit gesucht durch jeden Verruf hindurch und jeden guten Ruf (per infamiam et bonam famam). Zum Erweise seiner Absichtslosigkeit, seiner sittlichen Hoheit (so dürfte man banal von jedem andern als von Spinoza sagen), braucht man nur daran zu mahnen, daß und wie es Spinoza ablehnte, als Professor an einer deutschen Universität mitten unter Verfolgungen ein äußeres Lebensziel und Sicherheit vor Not zu finden. Der Kurfürst von der Pfalz, der Bruder von Descartes' Prinzeß Elisabeth, wollte ihn - wie schon erwähnt - zum ordentlichen Professor der Philosophie an seiner Universität Heidelberg machen. Spinoza sollte, wie das in der Welt ja' zuweilen vorkommt, der Vorgänger seines Nachlesers Kuno Fischer werden. Man versprach Spinoza Lehrfreiheit in vollstem Umfang und deutete nur bescheiden die Erwartung an, „er werde sie nach dem Vertrauen des Fürsten nicht zur Störung der öffentlichen Religionseinrichtungen mißbrauchen."

Spinozas Antwort ist einfach. Er lehnt ab, zunächst, weil er nicht weiter denken zu können meint, wenn er junge Burschen unterrichten müsse. Dann aber auch, weil ihm kein Kurfürst die Gewißheit geben könne, er werde nie den Schein der Religionsstörung auf sich laden. Der Religionsstreit entspringe ja nicht aus regem Religionseifer, sondern aus allerlei gemeinen Leidenschaften,

Diese heiligende Absichtslosigkeit, die „grenzenlose Uneigennützigkeit", verklärt überall Spinozas armes Leben, Ähnlich wie Lessing verdirbt es Spinoza regelmäßig mit beiden Parteien, zwischen denen er wählen müßte; nur daß Lessing die Größe seines Charakters mit Bitterkeit bezahlt, Spinoza sie durch Heiterkeit krönt. Man könnte sagen, Spinoza sei als Jude in der glücklichen Lage gewesen, sich um christliche Pfaffen und um ihre Scheiterhaufen nicht bekümmern zu müssen. Im Jahre 1663, da Spinoza sein erstes Buch herausgab, das Buch über Descartes, wurde Descartes selbst auf den päpstlichen Index verbotener Bücher gesetzt. Man könnte sagen: Was ging das den Juden Spinoza an? Für die Kirche war die Lehre Descartes' wahrscheinlich nur darum nicht annehmbar, weil der Begriff der Einheit aller Substanz der Mythologie von der Transsubstantiation widersprach. Die Götter waren eifersüchtig aufeinander; dem konfessionslosen Juden konnte das gleichgültig sein. So könnte man sagen. Und absichtlich vergessen, daß auch der Jude Spinoza zuletzt vor, der Hetze reformiert-christlicher Geistlichkeit nicht sicher war; daß wahrscheinlich nur sein früher Tod ihn vor dem grausamern Ausgang im Kerker bewahrte.

Gewiß war es günstig für Spinoza, daß er - als er eben die Kirche verließ - aus dem machtlosen Judentum austrat, und nicht aus dem mit Brandfackeln bewaffneten Christentum. Es machte ihn auch wohl innerlich freier, daß er in reiferen Jahren die Legenden nicht erst langsam abzustreifen brauchte; der zum Rabbiner ausgebildete Jüngling hatte im Alten Testament keine eigentlichen Dogmen...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Religion - Philosophie

Über Gott und die Welt

E-Book Über Gott und die Welt
Gespräche am Küchentisch. Unter Mitarbeit von Cornelia Filter Format: ePUB

Lea Ackermann, die couragierte und furchtlose Ordensfrau, spricht mit Pater Fritz Köster, ihrem langjährigen Gefährten, über das, was unser Leben trägt: Woher nehme ich meine Motivation, wenn es…

Über Gott und die Welt

E-Book Über Gott und die Welt
Gespräche am Küchentisch. Unter Mitarbeit von Cornelia Filter Format: ePUB

Lea Ackermann, die couragierte und furchtlose Ordensfrau, spricht mit Pater Fritz Köster, ihrem langjährigen Gefährten, über das, was unser Leben trägt: Woher nehme ich meine Motivation, wenn es…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

caritas

caritas

mitteilungen für die Erzdiözese FreiburgUm Kindern aus armen Familien gute Perspektiven für eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen, muss die Kinderarmut in Deutschland nachhaltig ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

Deutsche Tennis Zeitung

Deutsche Tennis Zeitung

Die DTZ – Deutsche Tennis Zeitung bietet Informationen aus allen Bereichen der deutschen Tennisszene –sie präsentiert sportliche Highlights, analysiert Entwicklungen und erläutert ...

filmdienst#de

filmdienst#de

filmdienst.de führt die Tradition der 1947 gegründeten Zeitschrift FILMDIENST im digitalen Zeitalter fort. Wir begleiten seit 1947 Filme in allen ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen.  ...