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E-Book

Strategisch Behaviorale Therapie (SBT)

Therapeutische Skills kompakt, Bd. 14

AutorChristina Lohr, Gernot Hauke
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783955716998
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Von der Überlebensstrategie zum selbstbestimmten und freien Leben Der Mensch tut nichts ohne Grund! - Unser Verhalten ist darauf ausgerichtet durch Bedürfnisbefriedigung inneres Gleichgewicht zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Lernprozesse lassen dabei im Laufe des Lebens bestimmte Regeln, Gebote und Verbote entstehen. Solche automatisierten, nicht bewusstseinspflichtigen Verhaltensanweisungen werden in der SBT als 'Überlebensstrategien' bezeichnet. Im Falle psychischer Erkrankung sind sie jedoch dysfunktional geworden. In diesem Buch werden die theoretischen Grundlagen der SBT sowie die verschiedenen Interventionsmodule praxisnah beschrieben. Das Embodimentkonzept prägt dabei insbesondere die praktische, für Patienten und ihre Therapeuten erfrischende und aktivierende, Arbeitsweise. Durch das Embodiment wird der heute erweiterte Kognitionsbegriff - Denken und Handeln mit dem Körper - berücksichtigt. Dies erlaubt es, auf wissenschaftlich fundierte Weise, nicht nur die wichtige emotionale Aktivierung sondern auch die problemlösenden Aktivitäten zu unterstützen.

Dr. Gernot Hauke, Managementcoach und psychologischer Psychotherapeut aus München. Er ist dort Leiter der Coaching Academy CIP und als Lehrtherapeut und Supervisor für Verhaltenstherapie am Centrum für Integrative Psychotherapie (CIP) tätig. <br /> <br />Dr. Christina Lohr ist Diplom-Psychologin und Business Coach (zert. CIP). Sie arbeitet als klinische Psychologin, Referentin und Coach in München. <br />

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Leseprobe

3. Verhalten dient der Befriedigung von Bedürfnissen


Wollen wir das Verhalten von Menschen erklären und verstehen, so müssen wir uns fragen, was sie brauchen, um sich gut entwickeln und möglichst gesund bleiben zu können. Erfahrungen, die solche grundlegenden Bedürfnisse befriedigen, gewährleisten – in Analogie zum körperlichen Überleben – emotionales Überleben und inneres Gleichgewicht. Deshalb bezeichnen Bedürfnisse das, was ein Lebewesen zu seiner Erhaltung und Entfaltung braucht (Bischof, 2008). Sie lösen zielgerichtetes Verhalten aus, um ihre Befriedigung sicherzustellen. Bedürfnisse lassen sich am besten als Diskrepanz zwischen einem situativen Ist-Wert und einem angestrebten Soll-Wert beschreiben. Diese Diskrepanz motiviert Verhalten. Die Stärke eines Bedürfnisses ist im Sinne einer Persönlichkeitseigenschaft zu verstehen und definiert den Soll-Wert (Asendorpf, 2004). Der Verlauf der Bedürfnisbefriedigung ist von Affekten begleitet. Je nach Gelingen empfinden wir angenehme bzw. unangenehme somatische Marker. Auch die Bezeichnung der Bedürfnisse als „subkognitive Melder“ stellt den Bezug zum Impulsiven System her (Kuhl, 2001). Werden diese Körpergefühle bewusst, so kann ihre Weiterverarbeitung zum Erleben von Emotionen wie z. B. Freude, Frustration usw. führen.

Jedem Bedürfnis entspricht eine bestimmte Inhaltsklasse von Verhaltenszielen, z. B. nach Geborgenheit, Anerkennung usw. Welche grundlegenden menschlichen Bedürfnisse gibt es nun eigentlich?

3.1 Typen von Bedürfnissen


Pittman und Zeigler (2006) kommen in ihrem Überblicksartikel zu insgesamt drei großen Bedürfnisgruppen. Es handelt sich dabei um

  1. physiologische Bedürfnisse, wie z. B. Hunger und Durst,
  2. auf das Selbst bezogene Bedürfnisse, wie z. B. Selbstwert, Selbsterweiterung usw.,
  3. Bedürfnisse, die mit sozialen Beziehungen zu tun haben, z. B. Zugehörigkeit, Fürsorge usw.

Für diese Bedürfniscluster sind im Laufe der Zeit mehrere Bedürfnis-Listen entwickelt worden, die nicht endgültig abgeschlossen werden können. Sie können quasi beliebig weit differenziert werden (Bischof, 2008). Lässt man die eher physiologischen Bedürfnisse beiseite, so bleiben zwei Inhaltsklassen, die sich auf Bindung und Autonomie beziehen (Tab. 3.1).

Bindung

Autonomie

Zugehörigkeit

Wärme

Willkommen sein

Harmonie

Geborgenheit

Zuverlässigkeit

Gesehen werden

Empathie

Wertschätzung

Lob

Einfluss, Führen wollen

Leistung

Sich profilieren

Konkurrieren

Selbstbehauptung

Freiraum

Selbst machen, selbst können

Neugier

Eigene Wege gehen

Experimentierbereitschaft

Tabelle 3.1: Beispiele wichtiger Bedürfnisse gruppiert nach Motivationsrichtung

Die Befriedigung von Autonomie-Bedürfnissen richtet sich z. B. darauf, eher unabhängig von anderen sein zu wollen, bestimmte Vorgehensweisen nach eigener Einsicht und sein Leben entsprechend eigener Vorstellungen und Werte selbstständig zu gestalten. Hierher gehört auch der Anspruch, selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können sowie Auswahlmöglichkeiten zu nutzen. Solche Verhaltensweisen beeinflussen auch das soziale Geschehen in Bezug auf Rangordnung und Dominanz. Dabei steht das Streben nach Selbstverwirklichung und Selbsterweiterung, d. h. die Erweiterung des Ich durch Ausüben von Einfluss durch neue Erfahrungen, Wissen, Können und Beziehungen, im Vordergrund.

Ebenso tief in unserer Natur verankert ist das Bedürfnis nach Bindung und Geborgenheit. Für das innere Gleichgewicht sind hier die Nähe und Harmonie zu relevanten Bezugspersonen wichtig. Insbesondere will man sich als Teil eines schützenden und sicheren Beziehungsnetzwerkes fühlen, das ein Stück Heimat und Geborgenheit vermittelt. Bindungsfördernde Lebensbedingungen vermitteln ein Gefühl des Vertrauens, der Wertschätzung und des Willkommenseins. Solche Bedürfnisse richten sich auch darauf, in seinen Anliegen und Zielen gesehen und unterstützt zu werden.

Diese Unterscheidung ist im Rahmen des therapeutischen Settings notwendig und vermittelt entscheidende Hinweise zum Verständnis des Patienten. So lässt sich z. B. eine für die Therapie fruchtbare Beziehungsgestaltung nur realisieren, wenn sie komplementär zu dessen zentraler Motivationsrichtung gestaltet wird.

Wie ist es möglich, dass Bedürfnisse derart prägenden Einfluss auf die Persönlichkeit haben können? Die Antwort auf diese Frage finden wir meist in unserer Lerngeschichte. Dort herrschten Bedingungen, die einerseits eine völlig unproblematische Befriedigung bestimmter Bedürfnisse ermöglichten. Dabei fand ein einfacher Abgleich zwischen Ist- und Soll-Wert statt. Ein solches Bedürfnis wird in der Gegenwart kaum gespürt. Der subkognitive Melder reagiert ja nur auf Diskrepanzen. Deshalb schenken wir diesem Abgleich keine weitere Beachtung und nehmen die Befriedigung solcher Bedürfnisse auch als selbstverständlich hin. Sie werden uns deshalb selten bewusst. Andererseits gibt es Bedürfnisse, die in unserem Leben eine besondere Rolle spielen, da wir um ihre Befriedigung haben kämpfen müssen. Dadurch bekommen sie eine besondere intrinsische Position zugewiesen. Solche stehen wie Obelisken in unserer Bedürfnislandschaft und dirigieren unser Verhalten – oftmals bis heute. Wegen ihrer herausragenden Rolle wurden sie von Sulz (1994) als zentrale Bedürfnisse bezeichnet (Tab. 3.2).

Zugehörigkeitsbedürfnis

Frustrierendes Elternverhalten

Emotionale Reaktion des Kindes

Spätere Verhaltenstendenzen

Willkommensein, dazugehören

Das Kind zwar wahrnehmen, aber keine positive Reaktion auf sein Kommen oder Dasein haben oder zeigen

Angst vor Ablehnung und Feindschaft, Existenzangst, sich ausgeschlossen fühlen

Eher schizoid (beziehungsmeidend, misstrauisch, rational)

Geborgenheit, Wärme

Dem Kind fast nie warmherzige Nähe zum Auftanken von emotionaler Wärme anbieten

Angst vor Alleinsein, Verlustangst,
ungeborgen fühlen

Eher dependent (Nähe und Geborgenheit suchend, unterordnend)

Schutz, Sicherheit, Zuverlässigkeit

Nicht da sein, wenn das Kind Schutz sucht; dem Kind nicht zutrauen, dass es sich allein außer Sichtweite sicher bewegen kann

Angst, äußeren Gefahren allein ausgesetzt zu sein; Angst vor Unzuverlässigkeit

Sich der Verfügbarkeit von Menschen versichern – nicht allein sein können

Selbst machen, selbst können

Dem Kind etwas, das es noch nicht so gut kann, aus der Hand nehmen und selbst machen

Insuffizienzgefühl

Unselbstständigkeit

Zwei gleichstarke Bezugspersonen haben

Ein Elternteil ist dem anderen völlig unterlegen, sodass das Kind dem überlegenen voll ausgeliefert ist

Fühlt sich vom Schwachen im Stich gelassen, dem Starken ausgeliefert, braucht dessen Liebe

Selbstunsicherheit, evtl. Dependenz

Schuldfreiheit

Eltern machen dem Kind ständig Schuldgefühle

Schuldgefühle, Strafangst, Schuldangst, schlechtes Gewissen

Zwanghaftigkeit, Selbstunsicherheit

Missbrauchsfreiheit

Emotionaler...

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