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Theoretische Herleitung einer wünschenswerten Ausgestaltung von Solvenzinformationen aus Sicht privater Versicherungsnehmer

AutorMarc Abrahamowicz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl78 Seiten
ISBN9783638063296
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 2,3, Universität zu Köln (Seminar für Allg. BWL, Risikomanagement und Versicherungslehre), 68 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Versicherungsnehmer erwerben Versicherungsschutz, um gegen die finanziellen Folgen eines Versicherungsfalls abgesichert zu sein. Dabei können sie bislang nur auf die Zahlungsfähigkeit der Versicherungsgesellschaft vertrauen, weil sie die Solvenz nicht beobachten. Doch Versicherer sind nicht vollständig sicher. Wären Versicherte vollständig über das Ausmaß einer Ruinwahrscheinlichkeit informiert, würden sie diese Information bei ihrer Nachfrage nach Versicherungsschutz berücksichtigen. Damit eine Solvenzinformation bestehende Asymmetrien der Ausfallbedrohtheit von Versicherungsschutz abbauen kann, ist ihrer Ausgestaltung besondere Beachtung zu schenken. Sowohl der Umfang, die Form, als auch der Übertragungsweg sind dabei von Bedeutung. Bevor sich diesen Punkten zugewendet wird, scheint allerdings eine aktivierende Ausgestaltung der Risikoinformation notwendig, damit sie vom Adressaten Beachtung findet und so für dessen Entscheidung zur Verfügung stehen kann. Um die optimale Informationsmenge zu bestimmen, wird sich an den beschränkten Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung privater Versicherungsnehmer orientiert. Dafür werden Erkenntnisse des praktizierenden Marketings, der Psychologie sowie Ergebnisse empirischer Studien angewandt. Eine Risikoinformation kann grundsätzlich verbal, numerisch oder grafisch formuliert sein. Anhand empirischer Ergebnisse wird die Darstellungsform gewählt, welche sowohl möglichst einheitlich verstanden wird als auch erwünschte Reaktionen der Versicherungsnehmer hervorruft. Bei der Suche nach geeigneten Übermittlungsmedien der Solvenzinformation werden zunächst die Medien identifiziert, die von der Mehrheit der Versicherten zur Informationsgewinnung herangezogen werden. Hier gilt es auch den unterschiedlichen Fähigkeiten zur Informationssuche Rechnung zu tragen. Anschließend werden bisherige Offenlegungsvorschläge der Europäischen Kommission bewertet und deren Eignung dahingehend, dem Versicherten ein tatsächliches Bild der wirtschaftlichen Lage seines Versicherers zu ermöglichen. Mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Offenlegungsanforderungen werden aus Sicht beider Parteien, der Versicherungsgesellschaft und ihrer Kunden, untersucht. Dabei werden auch die Gefahren der Offenlegung berücksichtigt. Abschließend werden die erhaltenen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

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Leseprobe

3. Ausgestaltung der Solvenzinformationen


 

3.1 Grundlagen und Beschränkungen der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen


 

3.1.1 Vorbemerkungen


 

Soll die angestrebte Offenlegung von Solvenzinformationen nicht nur Selbstzweck sein, muss sie vom Versicherungsnehmer wahrgenommen und verarbeitet werden. Das gelingt, sofern sich ihre Ausgestaltung am Informationsverhalten, genauer an den jeweiligen kognitiven Fähigkeiten und Grenzen der Adressaten orientiert.

 

Nachfolgend werden die Vorgänge der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung zunächst aus allgemeiner psychologischer Sicht, dann erweitert unter dem Aspekt der Informationsmenge und anschließend aus Sicht des Adressaten skizziert.

 

Auch wenn die gewählte Dreiteilung sich in einigen Punkten überschneiden wird, lassen sich daraus theoretische Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung von Solvenzinformationen ableiten.

 

Im vorliegenden Kapitel werden dafür Erkenntnisse der Psychologie mit denen des Marketings verknüpft. Für die Informationsvermittlung erscheint die Marketingsicht insofern geeignet, da im Marketing seit jeher psychologische Beobachtungen der Menschen praktische Anwendung finden.

 

Eine explizite Trennung der jeweiligen Restriktionen von Informationsaufnahme und -verarbeitung wird nachfolgend nicht aufrecht erhalten werden können. Der Grund liegt in der Natur der Informationsaufnahme, bei der bereits eine Informationsverarbeitung des Individuums erfolgt.

 

Bevor darauf näher eingegangen wird, sollen zunächst wichtige Begrifflichkeiten erläutert werden.

 

3.1.2 Informations- und Wahrnehmungsbegriff


 

Obwohl der Begriff Information sowohl im privaten und im wirtschaftlichen Leben als auch in dieser Arbeit verwendet wird, scheint sein häufiger Gebrauch kaum zu dessen Präzisierung beizutragen. Es verbleibt Unklarheit darüber, was es mit dem Begriff überhaupt auf sich hat.

 

In der Betriebswirtschaftslehre wird oftmals Wittmanns Definition von Information verwendet.[40] Wittmann definiert Information als: „(…) zweckorientiertes Wissen, wobei der Zweck in der Vorbereitung des Handelns liegt“[41]. Auch hier wird dieser Definition gefolgt, da sie für die vorliegende Untersuchung geeignet erscheint.[42] Auf der einen Seite können Informationen über die Solvenzwahrscheinlichkeit den individuellen Wissensstand der Entscheider verändern.[43] Auf der anderen Seite sind Solvenzinformationen geeignet, einen transparenten Versicherungssektor zu schaffen, wenn sie von ihnen aufgenommen und verstanden werden.[44]

 

Die Aufnahme von Informationen im Gehirn eines Menschen bezeichnet die moderne Psychologie als Wahrnehmung.[45] Wahrnehmung ist grundsätzlich in bewusste und unbewusste Wahrnehmung zu unterscheiden. „Als bewusste Wahrnehmung bezeichnen wir meist die willkürlich durch uns gesteuerte Aufnahme von Informationen (…)“[46]. Die unbewusste Wahrnehmung dient hauptsächlich der Aufnahme körperinnerer Signale[47] und scheint für den hier interessierenden Informationskontext ohne größere Relevanz.

 

Nachfolgend wird unter dem Begriff Informationsaufnahme stets die bewusste Wahrnehmung von Informationen verstanden.[48]

 

3.1.3 Kognitive Prozesse und Beschränkungen der Informationsverarbeitung


 

In der Literatur finden sich eine Reihe theoretischer Konzepte, die eine Erklärung des Informationsverhaltens des Konsumenten zur Aufgabe haben.[49] Zum ersten ist der risikotheoretische Ansatz zu nennen, welcher zwar auf das Sicherheitsstreben der Konsumenten abstellt, deren individuelle Fähigkeiten und Ressourcen zur Risikoreduktion nicht berücksichtigt. Der dissonanztheoretische Ansatz beinhaltet zum zweiten ebenfalls nur eine Motivation, das Streben nach einem kognitiven Gleichgewicht. Der Konsument erreicht diese Gleichgewichtssituation durch Vermeidung von unangenehm empfundenen Informationen. Auch dieser Ansatz greift zu kurz, denn individuelle kognitive Fähigkeiten finden durch ihn kaum Berücksichtigung. Der Kosten-Nutzen-Ansatz postuliert zum dritten, dass der Umfang, der Inhalt und die Art der Informationssuche von individuell erwarteten „Kosten“ und „Erträgen“ der Informationsbeschaffung abhängen. Dafür müssen sich Individuen vorab konkrete Erfolgserwartungen bilden. Obwohl er die Vielfalt menschlicher Motivation deutlich umfangreicher abbildet als beide vorherigen Ansätze, erscheint er dem gedächtnistheoretischen Ansatz unterlegen. Dem gedächtnistheoretischen Ansatz gelingt eine wesentlich umfangreichere Berücksichtigung der kognitiven Fähigkeiten der Informationsadressaten. Die Würdigung gedächtnistheoretischer Erkenntnisse zur Erklärung des Informationsverhaltens sowie der Informationsverarbeitung von Konsumenten scheint die Realität am ehesten wiederzuspiegeln. Ihm wird in diesem Kapitel der Vorzug gegeben.

 

Aus gedächtnistheoretischer Sicht erscheint vor allem der weit verbreitete Mehrspeicheransatz fruchtbar.[50] Nach diesem von Atkinson und Shiffrin entwickeltem Speichermodell erfolgt die Verarbeitung von Informationen mittels verschiedener Gedächtnisstrukturen.[51] Die Autoren unterscheiden drei Gedächtniskomponenten:

 

den sensorischen Speicher,

 

den Kurzzeitspeicher und

 

den Langzeitspeicher.

 

Die hier als „Speicher“ bezeichneten Teile des Gedächtnisses dienen nicht nur der reinen Speicherung, sondern zudem der Informationenverarbeitung. Im Mehrspeichermodell wird von einem Informationsfluss zwischen den Gedächtniskomponenten ausgegangen. Von außen stammende Reize werden zunächst vom sensorischen Speicher wahrgenommen.

 

 

Abb.1 Mehrspeichermodell nach Atkinson und Shiffrin (1971) (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Atkinson/Shiffrin 1971, S. 82.)

 

Den sensorischen Speicher kennzeichnet eine sehr hohe Aufnahmekapazität verbunden mit einer sehr kurzen Speicherdauer.[52] Von einer kognitiven Informationsverarbeitung im oben dargestellten Sinn kann auf dieser Ebene aber nicht gesprochen werden.[53]

 

Die ausgesprochen kurze, reiznahe Speicherdauer dient der Informationsaufbewahrung zur weiteren Verarbeitung im Kurzzeitspeicher.

 

Nur ein Teil der im sensorischen Speicher vorhanden Informationen gelangt zur weiteren Verarbeitung in den Kurzzeitspeicher.[54] Diese Form der Informationsreduktion ermöglicht es dem Individuum erst, das Überangebot an Reizen zu bewältigen. Reize, die die Schwelle in das Kurzzeitgedächtnis nicht überwinden, stehen für dessen Entscheidungsverhalten schlichtweg nicht zur Verfügung. Den Kurzzeitspeicher kennzeichnet eine außerordentlich beschränkte Kapazität, er verfügt dafür über einen vielfach längeren Speicherzeitraum.[55] Er repräsentiert die bewusste, dem Willen des Individuums unterworfene aktive Verarbeitung von Informationen.[56] Im Rahmen einer Informationsverarbeitung übernimmt der Kurzzeitspeicher zwei Aufgaben. Zum einen werden die Informationen einige Sekunden gespeichert, und zum anderen folgt eine Reizentschlüsselung. Mehrere Informationen werden miteinander in Beziehung gesetzt, so zu größeren Informationseinheiten organisiert und erst dadurch zu kognitiv verfügbaren Informationen. „Hier finden die kognitiven Prozesse statt, die uns bewusst werden und unsere Aufmerksamkeit verlangen“[57]. Das Kurzzeitgedächtnis entspricht damit der zentralen Einheit der Informationsverarbeitung. Misslingt deren dauerhafte Archivierung im Langzeitspeicher, werden derartig aufbereitete Informationen schnell wieder vergessen. Damit die vom sensorischen Speicher eintreffenden Reize vom Kurzzeitgedächtnis verarbeitet werden können, greift es auf vorhandene Informationen früherer Erfahrungen des Langzeitspeichers zurück.

 

Der Langzeitspeicher entspricht dem Gedächtnis des Menschen im herkömmlichen Sinn. Dort werden entschlüsselte und zu kognitiven Einheiten zusammengefasste Informationen langfristig abgelegt. Nach weit verbreiteter Meinung ist weder die Kapazität noch die Speicherdauer des Langzeitgedächtnisses beschränkt.[58] Aber auch hier überwinden nicht alle Informationen die Schwelle ins Langzeitgedächtnis. Maßgeblich ist dafür die Tiefe des aktiven Verarbeitungsprozesses.[59] Hierbei gilt: Je intensiver das Material kognitiv verarbeitet wird, desto mehr Verknüpfungen stellt die Informationsverarbeitung zwischen vorhandenem und neuem Wissen her, desto weniger wird vergessen.

 

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