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E-Book

Über die dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius im Zivilprozess

AutorEleni Papadopoulou
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783961461837
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die Frage, ob das Rechtsmittelgericht befugt ist, den Rechtsmittelkläger auf sein alleiniges Rechtsmittel hin ohne die Einlegung eines (Anschluss-)Rechtsmittels durch den Rechtsmittelbeklagten schlechter zu stellen, also das vorinstanzliche Urteil in peius zu reformieren, stellt sich in allen Verfahrensarten. Im Zivilprozess herrscht über die grundsätzliche Geltung des Verbots der reformatio in peius kein Dissens. Streit besteht aber über dessen dogmatische Grundlage. Das Problem der inneren Rechtfertigung des Verbots der reformatio in peius wurde in der Vergangenheit näher diskutiert. Seit langem ist aber dieses Thema vernachlässigt worden. Die h.M. weist in der Regel kommentarlos auf die Antragsbindung als Ursache des Verbots der reformatio in peius hin, ohne diese zivilprozessuale Frage näher zu erörtern. Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist daher, die Richtigkeit der bisher vertretenen Meinungen über die dogmatische Grundlage des Verbots der reformatio in peius näher zu überprüfen und durch die Einordnung des Verschlechterungsverbots ins System der zivilprozessualen Rechtsmittelverfahren eine eigene Lösung vorzuschlagen. Dabei wird zunächst das Verbot der reformatio in peius begrifflich abgegrenzt und deren historische Entwicklung vom römischen Prozessrecht über das Recht des Gemeinen Zivilprozesses zum heutigen deutschen Zivilprozess erörtert.

Eleni Papadopoulou wurde 1991 in Athen geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Kapodistrias-Universität Athen und absolvierte ein Masterstudium im Zivilrecht an derselben Universität. Ihre Masterarbeit zum Thema: 'Die Verschmelzung der Erbschaft und des persönlichen Eigentums des Erben und deren Trennung' (in griechischer Sprache) wurde in Griechenland veröffentlicht. Nach ihrem Studium in Griechenland entschied sich die Autorin, ein Masterstudium in Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen zu absolvieren, das sie ebenfalls erfolgreich abschloss. Im Anschluss daran wurde die Autorin zur Promotion im Zivilprozessrecht an der Georg-August-Universität Göttingen zugelassen. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen und arbeitete z.B. bei Prof. Dr. G. Mentis, der sich u.a. auf Zivilrecht und Zivilprozessrecht spezialisiert hat sowie in der Rechtsabteilung einer Telekommunikationsfirma. Während des zweiten Masterstudiums bestand sie das Staatsexamen für den Erwerb der Erlaubnis zur Berufsausübung als Rechtsanwältin in Griechenland mit hervorragenden Ergebnissen und ist seit Oktober 2017 Mitglied der Athener Rechtsanwaltskammer. Fasziniert vom Zivilprozessrecht entwickelte die Autorin bereits während ihres Studiums ein besonderes Interesse am 'Verbot der reformatio in peius im Zivilprozess'. Ihre ausführliche Beschäftigung mit dem Zivilprozessrecht motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel II. Historische Entwicklung: 1. Reformatio in peius im römischen Zivilprozess: a. Das vorjustinianische Recht: Die Frage nach der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer reformatio in peius stellt sich nur unter zwei Voraussetzungen: i. Es müssen Rechtsbehelfe vorgesehen sein, die die Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung ermöglichen. ii. Diese Überprüfung muss nicht nur zu einer Aufhebung, sondern auch zu einer Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidung führen. Es muss also die Möglichkeit einer reformatorischen Entscheidung geben. In den Zeiten der Römischen Republik wurde das einmal erlassene Urteil sofort rechtskräftig. Der vorhandene Rechtsbehelf der Appellation (oder Provocation) gab den Parteien lediglich die Möglichkeit, den Ausspruch oder die Vollstreckung des erlassenen Urteils zu verhindern. Eine weitere Instanz, die zur Überprüfung des Urteils befugt war, war nicht vorgesehen. Zu einer reformatorischen Entscheidung konnte es mithin nicht kommen. Demzufolge war dem damaligen Zivilprozess das Problem der reformatio in peius noch durchaus unbekannt. Die Frage nach der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer reformatio in peius stellt sich erstmals in der Kaiserzeit, denn erst zu dieser Zeit wurde ein Instanzenzug im heutigen Verständnis geschaffen. Der Appellationsrichter durfte aber nur die von dem Rechtsmittelkläger (Appellanten) ausdrücklich vorgelegten Beschwerden berücksichtigen und hatte lediglich zu entscheiden, ob die Appelation iusta vel iniusta (rechtlich begründet oder unbegründet) war. War die Appellation iniusta, dann wurde das erstinstanzliche Urteil bestätigt. War die Appellation iusta, dann wurde das erstinstanzliche Urteil zu Gunsten des Rechtsmittelklägers abgeändert. Somit war nur eine reformatio in melius möglich. Zu Gunsten des Rechtsmittelbeklagten (Appellaten), also in peius für den Appellanten, konnte der Appellantionsrichter nicht entscheiden, es sei denn, der Rechtsmittelbeklagte hatte selbständig appelliert und danach ausdrücklich verlangt. Zu der Zeit der Kaiserregierung war mithin der Sache nach eine reformatio in peius unzulässig. b. Das justinianische Recht: Mit der sogennanten lex ampliorem von 27. März 530 n. Chr. hat Justinian die bisher geltende Rechtslage einschneidend geändert. [...] Durch dieses Gesetz wurden zwei Neuregelungen eingeführt: 1. Um eine Verbesserung seiner Rechtsposition herbeizuführen, konnte der Rechtsmittelbeklagte, statt eine selbständige Appellation einzulegen, das erstinstanzliche Urteil erst in der Verhandlung bzw. bei seiner Vernehmlassung formlos anfechten, vorausgesetzt, dass er vor dem Gericht erschienen war. 2. War der Rechtsmittelbeklagte vor dem Gericht nicht erschienen, dann sollte der Appellationsrichter von Amts wegen (per suum vigorem) seine Interessen wahrnehmen (ejus partes adimplere) und der wahren Rechtslage gemäß entscheiden. Mit dieser Regelung wurde einerseits das Institut des unselbstständigen Anschlussrechtsmittels erstmals eingeführt und andererseits die Unzulässigkeit der reformatio in peius des früheren Rechts aufgehoben. Die reformatio in peius war, wenn auch nur bei Abwesenheit des Rechtsmittelbeklagten, nunmehr zugelassen. Um diese übermäßige Bevorzugung des abwesenden Rechtsmittelbeklagten gegenüber dem Rechtsmittelkläger abzuschwächen, wurde später die Novelle 49 pr. Cap. 1 eingeführt. Nunmehr konnte der Appellationsrichter auch bei Abwesenheit des Rechtsmittelklägers das Verfahren fortsetzen und dem Gesetz gemäß, also auch zu Gunsten des Rechtsmittelklägers, entscheiden. Die grundsätzliche Zulässigkeit der reformatio in peius zu Lasten des Rechtsmittelklägers, die durch die lex ampliorem eingeführt wurde (wenngleich nur bei Abwesenheit des Rechtsmittelbeklagten), blieb jedoch unberührt. 2. Von Justinian bis zum gemeinen Recht - Durchsetzung des Verbots der reformatio in peius: Die von Justinian eingeführte lex ampliorem wurde von den mittelalterlichen Rechtsschulen übernommen. Der lex ampliorem wurde jedoch von den Glossatoren und Postglossatoren ein anderer Inhalt gegeben als sie zu der Zeit Justinians hatte. Das von einer Partei eingelegte Rechtsmittel hatte zur Folge, dass der ganze Rechtsstreit der höheren Instanz anfiel. Dadurch entstand zwischen dem Appellanten und dem Appellaten eine sogenannte Appellationsgemeinschaft (communio appellationis), die jeder Partei das Recht gab, innerhalb dieser communio appellationis Anträge zu stellen und damit eine reformatorische Entscheidung zu ihren Gunsten zu erwirken. Bekam der Appellat aus irgendeinem Grunde (auch wegen seiner Abwesenheit) nicht die Gelegenheit, Abänderungsanträge zu seinen Gunsten zu stellen (aliquid iudicatis opponere), dann sollte der Appellationsrichter seine Interessen wahrnehmen und dem Gesetz gemäß, also ggf. auch zu seinen Gunsten, entscheiden. Die Tragweite dieser Entscheidungsbefugnis des Appellationsrichters war jedoch umstritten und hat zu Unklarheiten geführt. Hinsichtlich dieser Tragweite wurden zwei Meinungen vertreten: i. Nur solange der Appellat keine Gelegenheit gehabt hatte, Offensivanträge zu stellen, konnte der Richter von Amts wegen tätig werden. Dies war also nicht erlaubt, wenn der Appellat zwar Gelegenheit zur Stellung von Offensivanträgen hatte, diese Möglichkeit aber nicht benutzt hatte (damit auch bei verschuldeter Abwesenheit). ii. In dem 'partes adimplere' sahen einige die schrankenlose und klare Ermächtigung des Richters zu einer reformatio in peius an. War der Appelat anwesend, dann konnte er durch die entstandene communio appellationis Abänderungsanträge zu seinen Gunsten stellen. War er abwesend, dann sollte der Appellationsrichter in jedem Falle (also auch wenn er verschuldet abwesend war) seine Interessen wahrnehmen. Wegen dieser Interpretation der lex ampliorem wurde das Institut des Anschlussrechtsmittels als überflüssig betrachtet, was zu seiner Abschaffung in einigen Partikulargesetzten geführt hat. Im jüngeren gemeinen Recht wurde sogar die Meinung vertreten, bei richtiger Auslegung der lex ampliorem solle der Appellationsrichter in jedem Fall, also unabhängig von der Abwesenheit oder Anwesenheit des Appellaten, nur dem materiellen Recht gemäß entscheiden. Damit sei er immer zu einer reformatio in peius befugt. Wie Ricci richtig erwähnt: 'Eine einheitliche Lehrmeinung vermochte sich nie herauszubilden, und da das gemeine deutsche Recht nie kodifiziert worden ist, blieb auch die Praxis an den deutschen Gerichtshöfen uneinheitlich'. Dieser literarische Meinungsstreit i.V.m. dem ab dem 17. Jahrhundert aufwachsenden Rationalismus hatten jedoch ihre Auswirkungen auf die Gesetzgebung,. Die aus der lex ampliorem hergeleitete Befugnis des Richters zu einer reformatio in peius des Rechtsmittelklägers trat allmählich hinter dem Grundsatz 'ne eat iudex ultra petita partium' zurück. Das Verbot der reformatio in peius setzte sich damit durch. Die communio appellationis verschwand und das Institut des Anschlussrechtsmittels lebte wieder auf. Die vier letzten Länderzivilprozessordnungen vor dem Inkrafttreten der Zivilprozessordnung von 1877, die hannoversche von 1850, die badische von 1864, die württembergische von 1868 und die bayerische von 1869 enthielten bereits ein ausdrückliches Verbot der reformatio in peius und auch das Institut des Anschlussrechtsmittels.
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