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Welt der Schriften - Schriften der Welt

Das 21. Jahrhundert

AutorGerhard Krejci
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783738692594
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dieses Buch gibt einen Überblick über Geschichte, Aufbau und Struktur der heute in Gebrauch stehenden Schriften; Zusammenhänge zwischen den Schriften und Abhängigkeiten voneinander werden dargestellt. Es wird gezeigt, wie Schrift und Sprache einander bedingen. Es werden nur Schriften diskutiert, in denen Amtssprachen unabhängiger Staaten geschrieben werden (Ausnahme Indien). Damit fallen Schriften wie Inuktitut, Tifinagh oder Mongolisch weg, aber auch Balinesisch oder osmanisches Arabisch, die nur mehr historische Bedeutung haben. Alle heutigen Schriften sind Kinder zweier unterschiedlicher Philosophien: es werden Sprachen wiedergegeben wie in allen Buchstabenschriften, die auf das Phönizische zurückzuführen sind, oder es werden Gedanken unabhängig von der Sprache transportiert, wie es die chinesische Schrift tut. Das Werk wendet sich an den interessierten Laien. Linguisten werden sich über Auslassungen, Ungenauigkeiten und Fehler ärgern. Sie sind dem bewusst leichten und saloppen Ton geschuldet, der es dem Leser leicht machen soll, in die von außen so trocken erscheinende Materie einzudringen.

Geboren 1950 in Wien. Nach Besuch eines humanistischen Gymnasiums Studium der Biochemie und Biologie an der Universität Wien. 1974 Abschluss mit dem Doktorat. Bis 1987 diverse Positionen in der pharmazeutischen Industrie. Danach Aufbau eines Unternehmens für medizinische Auftragsforschung. 2005 Ernennung zum Professor und Dr. h.c. der medizinischen Universität Varna. 2013 Verkauf des Unternehmens und Rückzug ins Privatleben. Parallel autodidaktische Studien in Linguistik, Alter Geschichte und Archäologie.

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Leseprobe

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Die griechische Schrift


Vor 2000 Jahren war griechisch Weltsprache. Ausgehend von den Eroberungszügen Alexanders im 4. Jahrhundert vuZ10 verbreitete sich das Griechische nach Ägypten und Mittelasien. Neben dem Lateinischen war es Amtssprache im römischen Reich und hinterliess Spuren in Nordafrika, Spanien, ja bis zu den britischen Inseln.

Aus heutiger Sicht ist dies kaum glaublich. Die halbe nichtasiatische Welt spricht heute Latein in Gestalt der modernen romanischen Sprachen; griechisch ist auf sein kleines Ursprungsgebiet beschränkt.

Im Altertum war dies genau umgekehrt. Cicero schreibt: „Griechisch wird von fast allen Völkern gelesen, Lateinisch ist auf sein eigenes kleines Gebiet beschränkt“11

Anders als es uns Mel Gibson in seinem auch sonst historisch zweifelhaften Machwerk „Die Passion Christi“ weismachen will, hat Pontius Pilatus zu den Mitgliedern des Hohen Rates sicher nicht aramäisch gesprochen. Da hätte Mel Gibson nur in die Gegenwart schauen müssen. Wenn die Amerikaner wieder einmal ein Land überfallen, dessen Bewohner ihnen nichts getan haben, lernen die Kommandierenden auch nicht die lokalen Sprachen, sondern die Besetzten die Sprache der Besatzer.

Im Palästina um die Zeit Christi wurde griechisch als Verständigungssprache benutzt. So ist auch das fiktive Gespräch zwischen Pilatus und Jesus in Griechisch zu denken – nicht in Latein und Aramäisch, wie in Gibsons Film.

Die Evangelien des Neuen Testaments wurden von aramäischen Muttersprachlern in Griechisch geschrieben, so wie wir wissenschaftliche Arbeiten heute auf Englisch publizieren, wenn wir internationale Aufmerksamkeit wollen. Die griechische Sprache und damit auch die griechische Schrift hatten im römischen Reich und dessen Grenzgebieten den Stellenwert wie heute das Englische in der Welt.

Die griechische Schrift ging etwa im 8. Jhdt. vuZ aus der phönizischen Schrift hervor.

Was war das für eine Zeit?

Es ist das Zeitalter Homers, das Jahrhundert, in dem die Ilias und die Odyssee verfasst wurden. Es war das Zeitalter der biblischen Propheten des Alten Testaments, z. B. Amos und Jesaja, der Entstehung des japanischen Kaiserreichs, und die Zeit der Gründung Roms. In Mitteleuropa wurde die Bronzezeit durch die frühe Eisenzeit (Hallstattzeit) abgelöst.

Von der phönizischen Schrift selbst wissen wir nicht viel. Sie entstand im 11. Jhdt. vuZ als erste Buchstabenschrift. Vielleicht leitet sie sich aus der Keilschrift oder den Hieroglyphen ab, vielleicht ist es auch die Erfindung einer einzelnen Person. Der Sprung von der ideografischen Schrift oder der Silbenschrift zur Buchstabenschrift stellt eine gewaltige geistige und kulturelle Leistung dar.

Aus der phönizischen entwickelten sich über die griechische die lateinische und kyrillische sowie die aramäische, hebräische und arabische Schrift. Die Verwandtschaft wird schon aus der Bezeichnung des Alphabets klar:

Die ersten Buchstaben des phönizischen Alphabets lauten alf, bet, gaml, delt, das wird im hebräischen zu aleph, beth, gimel, daleth, im griechischen zu alpha, beta, gamma, delta, und im arabischen, das kein g kennt, alif, be, te.

Die phönizische Schrift war vokallos. Im altgriechischen dagegen unterscheiden wir 7 Vokale: a, i, y, langes offenes und kurzes geschlossenes e und o. Darüber hinaus gibt es 7 Diphthonge, ai (wie in Mai), ei (wie in engl. rain), oi (wie in Euro), ay (wie in Pause), ey (gleich mit oi), oy (entspricht unserem u), yi (wie in frz. huile).

Die Tabelle auf Seite zeigt, wie aus den phönizischen Buchstaben die archaisch-griechischen und die klassisch griechischen entstanden sind.

Laute, die es im Phönizischen gab, aber nicht im Griechischen, wandelten die findigen Griechen in Vokale um, die es wieder im Phönizischen nicht gab. So wurde das Zeichen für den Stimmritzenverschlusslaut12 oder festen Stimmeinsatz zum Vokal a, das phönizische h, der 5. Buchstabe des Alphabets, zu e. In dieser Praxis ist der Grund zu suchen, dass die Vokale in unserem Alphabet ziemlich willkürlich verteilt sind.

Wie weit ist nun die griechische Schrift von der unseren entfernt?

Sehen wir uns eine Inschrift an. Sie befindet sich am Eingangstor der griechischen Kirche in Wien.

Die Übersetzung lautet:

OIKOUMENIKON PATRIARCHEION (Ökumenisches Patriarchat)

(H)IERA METROPOLIS AUSTRIAS (heilige Metropole Österreichs)

EXARCHIA (H)OUNGARIAS MESEUROPES (Patriarchat Ungarns und Mitteleuropas)

(H)IEROS KATHEDRIKOS NAOS AGIAS TRIADOS (Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit)15

Da kommt uns doch einiges bekannt vor.

In der Tat ist fast die Hälfte der 24 griechischen Buchstaben in Aussehen und Bedeutung identisch mit den lateinischen:

Α Β Ε Ζ Ι Κ Μ Ν Ο Τ Υ

Drei Buchstaben sind „falsche Freunde“: sie sehen aus wie lateinische Buchstaben, haben aber eine andere Lesart:

Η ist nicht h, sondern langes e, Ρ ist nicht p, sondern r, und Χ ist nicht ks, sondern ch.

Zehn Buchstaben sind „original griechisch“:

Γ (g), Δ (d), Θ (th), Λ (l), Ξ (x), Π (p), Σ (s), Φ (f), Ψ (ps) und Ω (langes o).

Mit diesem Wissen ausgestattet, versuchen wir uns doch an einem längeren altgriechischen Text, nämlich dem Beginn des Johannesevangeliums aus dem Codex Alexandrinus (5. Jhdt).

Ja – so schrieb man im Altertum; Grossbuchstaben ohne Worttrennung; eine neue Zeile wurde begonnen, wenn der Platz zu Ende war, nicht eine Silbe oder ein Wort. Die hier sichtbare Satztrennung (der hochgestellte Punkt) ist auch erst eine Erfindung des Hellenismus. Die im Codex Alexandrinus verwendete Schrift hatte da schon über tausend Jahre Entwicklung hinter sich.

Diese Art der Schrift nennt man scripta continua, und sie wird uns auch in modernen Schriften des asiatischen Raums wiederbegegnen.

Im Altertum las man deshalb auch anders, nämlich laut, weil sich beim Lautlesen der Sinn leichter erschliesst und man nicht über eine Passage einfach „drüberlesen“ kann.

Der obenstehende Text ist der Beginn des Johannesevangeliums, der uns in diesem Buch noch öfters begegnen wird.

Ich rufe den ersten Satz in Erinnerung: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

Im Text steht in lateinischer Umschrift

ENARCHEENOLOGOSKAIOLOGOSE

PROSTONTHN.KAITHSENOLOGOS:

In Worte aufgelöst: En arche en o logos kai o logos e pros ton theon; kai theos en o logos (Ich gehe jetzt nicht auf die diakritischen Zeichen über o, und e ein; das Wort Theos (Gott) wird abgekürzt als ths mit einem Strich über den beiden Buchstaben th und s).

Ich habe um der Deutlichkeit willen eine späte Handschrift gewählt.

Es gibt da auch noch einen Papyrus aus dem 2. Jhdt, den sogenannten Papyrus 75, der aber für Ungeübte kaum zu lesen ist.

Wenn wir schon beim Lautlesen sind – wie wurde Altgriechisch eigentlich gesprochen.

Es muss ja mit 7 Vokalen und 7 Diphthongen eine ausserordentlich klangvolle Sprache gewesen sein.

Aber wie wurde sie gesprochen?

Da muss man fragen: Wann, wo, und von wem? Deutsch klingt in Wien anders als in Frankfurt oder Zürich, das Deutsch des Biedermeiers unterscheidet sich vom heutigen, und der Universitätsprofessor spricht auch im Alltagsleben ein anderes Deutsch als der Fabrikarbeiter.

Wenn wir von der altgriechischen Aussprache reden, meinen wir das Griechisch, das in Athen des 5. Jhdt. vuZ von gebildeten Menschen gesprochen wurde.

In der Renaissance, als das Interesse der Wissenschaft am klassischen Altertum erwachte, hat Erasmus von Rotterdam festgelegt, dass das altgriechische mit vollen Vokalen und Diphthongen zu sprechen sei. Das entspricht unserer Schulaussprache im deutschsprachigen Raum.

Den Anfang des Johannesevangeliums etwa: EN ARCHE EN O LOGOS KAI O LOGOS EN PROS TON THEON, KAI THEOS EN O LOGOS sprechen wir so aus: En archee een ho logos, kai ho logos een pros ton teon, kai teos een ho logos – das ee ist offen zu sprechen, also fast wie ä.

Die Griechen selbst sprachen zu allen Zeiten das Altgriechische so aus, wie Griechisch eben in der jeweiligen Zeit ausgesprochen wurde, und das tun sie noch heute.

Dort wird der erste Satz des Johannesevangeliums etwa so ausgesprochen: En archí ino lógos, kjä o lógos in pros ton theón, kjä theós ino lógos, wobei das th gelispelt wird wie im Englischen.

Daraus entstand eine wissenschaftliche Kontroverse. Die Anhänger des Erasmus werden Etazisten genannt, weil die das „H“ als langes offenes e aussprechen. Dagegen steht die Praxis der modernen Aussprache, wie sie etwa Reuchlin oder Melanchthon propagierten, die von Gelehrten Byzanz‘ beeinflusst wurden. Diese werden Itazisten genannt, weil sie das „H“ als i aussprechen, ebenso wie oi und ei.

Ich glaube, dass Erasmus Recht hat. Wenn eine Sprache erstmals schriftlich festgehalten wird, wird die Aussprache so genau wie möglich wiedergegeben. Im Lauf der Jahre und...

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