Wie geht’s der Welt? Der Wertetrend- Monitor des Zukunftsinstituts (S. 6-7)

Was haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten nicht alles über die Moralisierung der Märkte, über neues Konsumbewusstsein und die Geburt des ethischen Konsumenten gehört. Im Moment des Börsencrashs Anfang Oktober forderten Konservative wie Linke plötzlich den starken Staat und mehr Regulierung und Aufsicht. Mit dem digitalisierten Kapitalismus schien etwas aus dem Ruder gelaufen zu sein, was sogar – auch das wurde von konservativen wie linksorientierten Kritikern panikartig ins Feld geführt – unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und das „westliche Wertesystem" ins Wanken bringen könnte.

Auch schon vor der Kreditkrise haben wir intensiv über die Notwendigkeit eines Wertewandels in Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert. Unternehmen schmücken sich schon seit längerem mit Umweltbewusstsein und CO2-Neutralität. Öko hoch zwei: Ökonomie und Ökologie, so scheint es, sind die neue Heilsformel, die uns in eine strahlende Zukunft führt. Es ist offensichtlich: Werte bestimmen unser Leben. Am Frühstückstisch wie im Büro, im Privatleben wie im Job. Und, wie wir in Kooperation mit den Forschern von GfK Roper Consulting festgestellt haben, in Südamerika ebenso wie im guten alten Zentraleuropa, in Indonesien ebenso wie in Schweden, in Südafrika ebenso wie Kanada.

1. Wie Werte und Wünsche unsere Konsumbedürfnisse lenken

Werte sind für uns von existenzieller Bedeutung, aber trotzdem gibt es keinen ausdrücklichen Werteunterricht in den Schulen, es gibt auch noch keinen Werteführerschein. Trotzdem berufen wir uns ständig auf Werte. Was wir im Zukunftsinstitut bei der Analyse von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen beobachten, ist, dass Werte vor allem auch Konsumentscheidungen beein.ussen, Lebensstile prägen und unseren Geschmack beeinflussen.

Sie tun dies, ohne dass wir uns dies jedoch immer bewusst machen oder bewusst machen können. Es ist jedoch die Aufgabe der Trendforschung, Prozesse sichtbar zu machen, die nicht auf den ersten Blick sinnfällig werden, die jedoch das Potenzial besitzen, Entscheidungen für oder gegen einen Rasierapparat, für oder gegen eine Bluse, ein Paar Schuhe oder ein Tageszeitungsabonnement in der Zukunft zu beein.ussen. Wertewandelprozesse, die immer schneller ablaufen und sich in immer kürzeren Zeitabständen vollziehen, verrichten ihre Arbeit überwiegend unbewusst, häu.g auch unterhalb der Schwelle unserer bewussten Wahrnehmung.

Auf diese versteckte Art und Weise – das ist wichtig – beein.ussen sie unsere Konsumentscheidungen. Klassische Marktforschung kann diese Wertebildungsprozesse nicht darstellen, eben weil sie weitestgehend im Unbewussten unserer Gesellschaft und unseres Lebensentwurfs vonstattengehen. Darüber hinaus scheint es den Marktforschern nicht die Mühe wert zu sein, über die Veränderung von Werten und Weltbildern nachzudenken – zu weit liegen Bedeutungswandlungen bei Begriffen wie P.icht oder Natursehnsucht oder Intimität und der direkte Verwertungszwang von marktforscherischen Daten auseinander.

Udo di Fabio, Philosophieprofessor, Jurist und ehemaliger Bundesverfassungsrichter, hat auf die Vertracktheit, aber auch die enorme Bedeutung von Werten hingewiesen. Besonders wichtig in die Fabios Argumentation: Werte sind ein überlebensnotwendiges Element in einer modernen Gesellschaft, ohne Werte ist schlechterdings kein zivilisiertes Miteinander möglich. Um den Wertewandel in der Gesellschaft beschreiben zu können, muss zunächst geklärt werden, wie Werte entstehen und warum sie für die Zukunft unserer Gesellschaft so wichtig sind.