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Zur Entstehungsgeschichte der Gemeinde in Klein Borstel und der Kirche Maria-Magdalenen

als Bau- und Kunstwerk der Architekten Hopp und Jäger mit dem Maler Hermann Junker

AutorEmmerich Jäger, Uwe Gleßmer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl148 Seiten
ISBN9783741200380
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,49 EUR
Eine der Kirchen, die von Hopp und Jäger (=H&J) in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, ist die im Alstertal in Klein-Borstel gelegene Kirche Maria-Magdalenen (=MM). Wie die anderen in dieser Zeit und Region von H&J gebauten Gotteshäuser zeigt sie viele Elemente eines gemeinsamen Stils, der Besuchern dieser Kirchen sofort ins Auge fällt. Sowohl im Neubau der Lutherkirche in Wellingsbüttel (1937), dem Um- und Erweiterungsbau St. Lukas in Fuhlsbüttel (1938) als auch in der Renovierung der St. Nicolaus-Kirche (1938) finden sich markante Balken-Inschriften und farblich abgestimmter Kassetten-Schmuck an Holzteilen der Emporen und Türen, kleine Glasfenster in Abtrennungen und ursprünglich ein gemauerter Steinaltar sowie teils Kronleuchter und Tonnendecken-Konstruktionen. - Aber jede dieser Kirchen hat auch ihr besonderes Gepräge durch die künstlerische Ausstattung, besonders des Altarraumes. Deshalb verdient jedes dieser Gebäude spezielle Betrachtung. Zumal in jeder der Gemeinden besondere Wünsche und örtliche Gegebenheiten von H&J zu berücksichtigen waren, die sich u.a. aus der jeweiligen kirchlich-politischen und theologisch-gemeindlichen Konstellation dieser Zeit verstehen lassen. Die Planungen für den MM-Kirchbau haben eine mehrjährige Vorgeschichte, bei der es u.a. auf gemeinsame Planungen sowohl mit den Verantwortlichen der Muttergemeinde in Fuhlsbüttel als auch mit dem ab April 1937 für den Pfarrbezirk zuständigen (und bereits als 'Pastor' designierten) Hilfsgeistlichen Rudolf Timm ankam. Dieser junge Mann, 1933 - noch als Student - in die NSDAP und SA eingetreten, beschrieb beim 2. Examen 1937 seine theologische Position zugleich als die der Bekennenden Kirche. Das stellte wohl nicht nur für Damalige eine besondere Herausforderung dar, die es zu beleuchten gilt. An der Ausgestaltung der Kirche haben auch andere Künstler neben H&J mitgewirkt. Insbesondere der mit beiden Architekten befreundete Maler Hermann Junker verdient dabei besondere Beachtung. Die Entwurfszeichnungen für das Altarraumbild von B. Hopp weisen ihn als Urheber aus, auch wenn Junker deren Realisierung übernommen hat. Auch die Nähe zu der parallel für St. Nicolaus entworfenen Gestaltung wird durch die Entwürfe B. Hopps dokumentiert.

Dipl. Ing. Emmerich Jäger (Jahrgang 1943), Sohn des Architekten Rudolf Jäger (1903-1978), hat nach einer Betonbauerlehre sein Architekturstudium an der Staatsbauschule Stuttgart (u.a. bei Prof. P. Stohrer) begonnen (1966-1969), war danach zwei Jahre in einem Architekturbüro in Stuttgart tätig, um von 1971-1973 (wieder zurück in Hamburg) an der Hochschule für Bildende Künste mit den Schwerpunkten Architektur sowie Stadt- und Regionalplanung sein Studium abzuschließen (Diplom bei Prof. J. Weber). Über 30 Jahre lang war er im Bezirksamt Hamburg-Wandsbek in der Stadtplanungsabteilung tätig.

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Leseprobe

2.1 Dokumentationen zu den Gemeinde-Anfängen

Wieweit dieser Autor mit dem im Folgenden zitierten Gustav A. Möller verwandt ist, ist z.Z. noch nicht eindeutig zu klären gewesen.22 Letzterer hat sicher Kenntnis der gemeindlichen Situation, wie Wolfgang Behrens in der Festschrift von 1998 notiert:

„Gustav A. Möller, Amtsverwalter der NSDAP, schreibt am 31.8.1933 an den Oberkirchenrat und späteren Hamburger Bischof Tügel: ‚Wir bisher Abseitsstehenden halten es daher für unsere Pflicht, auch unsererseits am Neuaufbau der Kirchengemeinde Klein Borstel-Fuhlsbüttel mitzuarbeiten“23

Die Formulierung „Wir bisher Abseitsstehenden…“ bezieht sich als Selbstbezeichnung auf die Gruppe von Deutschen Christen (= DC), die sich durch die Einflussnahme der NSDAP teils ganz neu auch in den einzelnen Gemeinden zusammenschlossen, um als gemeinsame Liste bei der Aufstellung zur Kirchenwahl im Juli 1933 Einfluss auf Kirchenvorstand und Kirchenvertretung zu gewinnen. Sie rekrutierten sich wesentlich aus zuvor kirchenferneren Kreisen, die ohne traditionelle Verbindung zu den Gemeinden auch in den Folgejahren wieder an Einfluss verloren haben. - So wurde auch in der Fuhlsbütteler Gemeinde (zu der Klein Borstel in dieser Zeit bis 1947 noch gehörte) der KV stark DC-lastig:

„1933 waren etwa 2/3 der Mitglieder Deutsche Christen, rund 1/3 gehörte zur Bekennenden Kirche, und der intern von allen hochgeschätzte Pastor Zacharias-Langhans, kurz und liebevoll Zach genannt, hatte einen jüdischen Vater und geriet zunehmend von außen unter Druck. Freilich ließen schon 1934 die meisten Deutschen Christen im Kirchenvorstand ihre Mitgliedschaft im DC ruhen.“24

1933 jedoch haben sie sich aktiv an ihren DC-Gauobmann Tügel gewandt,25 um künftig einen eigenen Pastor für Klein Borstel-Fuhlsbüttel zu erhalten. Die von neunzehn Unterzeichnern an den Oberkirchenrat (und gleichzeitigen Leiter der Deutschen Christen in Hamburg) herangetragene Bitte um einen eigenen Seelsorger benennt u.a. ein Motiv, das Behrens in der Festschrift zitiert: „Nicht unwesentlich dürfte auch die Gewinnung der Einwohnerschaft von Klein Borstel sein.“26

2.1.1 Vorgeschichte Teil 1 ab 1929/30: Pastor Lüder

Hintergrund dieser Bemühung um die Klein Borsteler Einwohnerschaft ist wohl ein Sachverhalt, der zeitlich parallel im August 1933 abläuft. - In der Festschrift wird auf der Folgeseite erwähnt, dass der in Klein Borstel in der Wellingsbütteler Landstraße 166 wohnende Gefängnisseelsorger Pastor Wilhelm C.G.T. Lüder (1873-1945)27 in seinen privaten Räumen u.a. einen Kindergottesdienst bereits 1929/1930 eingerichtet und damit ein Gegengewicht zu freikirchlichen und baptistischen Aktivitäten gesetzt hatte. – Diesen Sachverhalt schildert Lüder als ein Argument in einem Brief, den er am 16.8.1933 an den Bischof Schöffel schreibt.28 Der knapp 60-jährige Anstaltspastor bietet dem Bischof an,

„…Teile seines Hauses zur Miete … und ist bereit, nach seiner Pensionierung in drei Jahren die geistliche Versorgung Klein Borstels unentgeltlich ganz zu übernehmen. Er schreibt dem Bischof, dann ‚hätte die Kirche auf diese Weise eine billige Kraft mehr.‘ … [es] hakt der erwähnte Gustav A. Möller in einem Schreiben vom 07.11.1933 an den damaligen Bischof Schöffel noch mal nach, verwendet sich dafür, Pastor Lüder einzusetzen und die Friedhofsverwaltung zu bitten, die Kapelle Neun zeitweilig als Gottesdienstraum zur Verfügung zu stellen, nicht zuletzt aus Rücksichtnahme auf die Klein Borsteler Kriegsinvaliden.“29

Neben der wiederholten Bitte von Gustav A. Möller nach einer besonderen pastoralen Betreuung Klein Borstels hat sich parallel dazu auch ein anderer DC-Vertreter eingeschaltet:

„Der ehemalige Vorsitzende des Kirchenvorstandes von St. Lukas, Herr Clasen, jetzt Vertrauensmann der nationalsozialistisch orientierten Deutschen Christen für Fuhlsbüttel, Klein Borstel und Langenhorn, schreibt am 11.09.1933 an Hamburgs Bischof Schöffel: ‚Die Sehnsucht der Menschen, die Verbindung mit Gott wiederzufinden, wird immer stärker.‘ Ein großer Teil der Einwohner Klein Borstels sind Kriegsbeschädigte, Fahrgelegenheiten sind nicht vorhanden, und 45 Minuten Fußmarsch sind nicht zumutbar. Clasen unterstützt den Wunsch nach einem eigenen Pastor für Klein Borstel, der – nun hören wir den Ton der Zeit – ‚selbst das Fronterlebnis als Mann hat, Deutscher Christ ist und sich zur nationalsozialistischen Bewegung bekennt.‘ Er bitte zwar ‚von Herzen‘, etwas zu unternehmen, aber das Bestreben, die Kirche bis in die Gemeinden hinein ideologisch gleichzuschalten, wird neben der sicher unbestreitbaren Sorge um Klein Borstel unverhüllt deutlich.“30

Warum sowohl die Landeskirche als auch der Kirchenvorstand in Fuhlsbüttel nicht auf das Angebot von Pastor Lüder eingegangen ist, bleibt dagegen undeutlich:

„Tügel, Schöffels Nachfolger im Bischofsamt, schreibt Clasen ohne Begründung, daß er Lüder nicht zu beauftragen gedächte (Brief vom 26.03.1934).“31

Zu diesem Zeitpunkt war, wenn die offiziellen Angaben nicht später rückdatiert wurden, die Emeritierung von Pastor Lüder auch bereits erfolgt.

Es bleibt also weiterhin offen, warum es mit einem ersten offiziellen Gottesdienstraum in Klein Borstel noch nicht 1933/1934 geklappt hat, aus den gedruckten Quellen ist es bisher nur zum Teil deutlich. Möglicherweise hat also das von Clasen angeführte DC-Kriterium den Ausschlag gegeben.

Auch in Beiträgen des oben erwähnten Klaus Timm, der ausgehend von genealogischen Nachforschungen zur eigenen Familie und zu seinem Elternhaus Wellingsbütteler Landstraße 164 sich dem Nachbarhaus Nr. 166 und den Anfängen der Klein Borsteler Gemeinde gewidmet hat, wird 2005 zwar Ähnliches wie in der Gemeinde-Festschrift von 1998 berichtet.32 In seinem Beitrag für das Jahrbuch des Alstervereins hat K. Timm im Blick auf Pastor Lüder (wohl fälschlich) gemeint:

„Die bisherigen Gemeinde-Chronisten Willsch und Dr. Behrens haben ihn nicht gewürdigt, obwohl die Quellen vorlagen.“33

Es bleibt jedoch auch nach dem, was K. Timm selbst aus den Quellen referiert, fraglich, wie die Hintergründe zum dann doch sehr schnellen Ausscheiden von Pastor Lüder genau zu rekonstruieren sind. Auf jeden Fall hat K. Timm vehement Wert darauf gelegt, dass die Anfänge gemeindlichen Lebens auf die Zeit 1929/1930 zurück gehen, wie sowohl der Titel des kurzen Zeitschriftenaufsatzes „75 Jahre ‚Gottesdienstlicher Raum Klein Borstel‘“ als auch der umfangreiche Band „75 Jahre kirchliches Leben in Klein Borstel, Pastor Rudolf Timm und die Maria-Magdalenen-Gemeinde“ es herausstellen. Allerdings enthält der letztere Titel keine detaillierten Angaben zu Pastor Lüder und den Anfängen um 1929/1930.

Für die offene Frage, warum es nicht zur offiziellen Nutzung dieses ersten Gottesdienstraums im Hause von Pastor Lüder kam und wie sein vorzeitiges Ausscheiden durch Emeritierung am 1.3.193434 zu deuten ist, bleiben die Quellenauswertungen bei K. Timm widersprüchlich: Es wird einerseits für seinen Verwandten, Pastor Blunck, und auch Pastor Lüder im Zusammenhang der ‚Machtergreifung‘ angegeben, sie „verließen … den Dienst unter Vorgabe von Altersgründen“35 – also eher freiwillig, während wenige Absätze später für Lüder formuliert wird: „Seine Kritik machte ihn bei Bischof Tügel unbeliebt, und er wurde im März 1934 entlassen“, wobei unklar bleibt, was Tügels Anteil an der Entlassung gewesen sei. Tügel war jedenfalls zum Zeitpunkt der Emeritierung am 1.3.1934 noch gar nicht Bischof, sondern wurde es erst ab 5.3.1934. - Was K. Timm als Entlassungsgrund suggeriert und auf Seiten von Pastor Lüder als „seine Kritik“ umschreibt, ist in den zwei vorangehenden, allgemeinen Sätzen zusammengefasst:

„Pastor Lüder war – wie alle Pastoren damals – deutschnational und konservativ. Seine Gefängnisarbeit öffnete ihm jedoch, früher als anderen Kollegen, die Augen für soziales Elend und vor allem die Brutalisierung des politischen Alltags, also Klassenjustiz und frühe Durchsetzung von Polizei und Behörden mit Nazis.“36

Allerdings werden diese Angaben von K. Timm (sowohl im Blick auf „alle Pastoren“ als auch auf Lüder) ohne jeden Hinweis auf Quellengrundlagen gemacht. - Da 1933 auch seitens des o.g. NSDAP-Funktionärs Gustav A. Möller dem Pastor Lüder positive Unterstützung widerfahren ist, müssten schon konkrete Inhalte einer dokumentierten Auseinandersetzung benannt werden, die ja möglicherweise über die Willi-Bredel-Gesellschaft und Untersuchungen zum „Kolafu“ (dem Konzentrationslager Fuhlsbüttel) vorliegen, aber nicht angeführt werden. So bleiben auch die nachfolgenden Charakterisierungen zu den als Kontrahenten angenommenen Personen, die den weiteren Verlauf um das Ausscheiden zum 1.3.1934 von Pastor Lüder beeinflusst hätten, kaum nachvollziehbar: „Er hatte nicht mit der Eifersucht des Hauptpastors Zacharias-Langhans in Fuhlsbüttel...

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