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Der Schmuggler Gottes

Er wusste nie, ob hinter der Grenze Tod oder Leben auf ihn wartete

AutorBruder Andrew
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783775172776
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Sie nannten ihn 'Schmuggler Gottes'. In einem VW-Käfer fuhr er Bibeln hinter den Eisernen Vorhang. Sein Name: Anne van der Bijl. Sein Pseudonym: 'Bruder Andrew'. Er gründete die Organisation Open Doors, deren Arbeit von Osteuropa bis hin nach China reicht. Er riskierte sein Leben für Gott und die Menschen, denen er die Gute Nachricht bringt. Ein authentischer Bericht über das Leben verfolgter Christen und den Gott, der Wunder tut. Für die 20. Auflage wird das neu durchgesehene Buch im größeren Paperbackformat, frischem Layout und mit Bildern veröffentlicht.

(Anne van der Bijl) wurde 1928 in den Niederlanden geboren. 1955 belieferte er die polnische Untergrundkirche mit christlichen Schriften und begann damit den Dienst von Open Doors, heute in rund 50 Ländern tätig.

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Leseprobe

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Der gelbe Strohhut


Eines Nachmittags im Sommer 1945, mehrere Monate nach der Befreiung, ließ mich mein Vater durch meine kleine Schwester Geltje zu sich in den Garten rufen.

Ich ging durch die dunkle Küche hinaus in den Gemüsegarten, der so von Sonne überflutet war, dass ich die Augen halb zukneifen musste. Vater stand mit der Hacke in den Händen und Klompen an den Füßen über sein Kohlbeet gebeugt und jätete mit liebevoller Geduld das kleine Unkraut.

»Du wolltest mich sprechen, Vater?«, schrie ich, als ich vor ihm stand.

Vater richtete sich langsam auf.

»Du bist jetzt siebzehn Jahre alt, Andrew«, sagte er.

Ich wusste sofort, welche Richtung das Gespräch nehmen würde.

»Jawohl, Vater!«

»Was hast du mit deinem Leben vor?«

Ich wünschte, er hätte nicht so laut gesprochen und ich hätte ihm nicht so laut zu antworten brauchen.

»Ich weiß es nicht, Vater.«

Jetzt würde er mich fragen, warum ich das Schmiedehandwerk nicht liebe. Er tat es. Dann würde er mich fragen, warum ich nicht bei der Maschinenschlosserei geblieben sei, ein Handwerk, das ich während der Besetzung zu lernen versucht hatte. Auch das tat er. Ich wusste, dass ganz Witte sowohl seine Fragen als auch meine ausweichenden Antworten hören konnte, mit denen ich ihn zufriedenzustellen suchte.

»Es wird Zeit, dass du einen Beruf wählst, Andrew! Im Herbst möchte ich wissen, wofür du dich entscheidest.«

Mein Vater begann wieder zu jäten, und ich wusste, dass das Gespräch zu Ende war. Ich hatte etwa zwei Monate Zeit, meine Entscheidung zu treffen. Oh, ich wusste, was ich wollte! Ich wollte ein Leben führen, das irgendwie aus dem Rahmen fiel. Ich wollte Abenteuer erleben, wollte fort von Witte, von der ständig nach rückwärts gerichteten Lebenseinstellung.

Aber ich wusste auch, dass ich keine guten Aussichten hatte. Als ich in der sechsten Klasse war, waren die Deutschen gekommen und hatten das Schulgebäude besetzt. Das war das Ende meiner Schulausbildung gewesen. Das Einzige, was ich gut konnte, war laufen. An diesem Nachmittag lief ich barfuß durch die Polder. Nachdem ich drei Kilometer auf den kleinen Fußpfaden, die von den Bauern benutzt wurden, gelaufen war, fing ich gerade erst an, warm zu werden. Ich lief durch das Dorf, wo ich mir die Feuerwerkskörper besorgt hatte. Mein Kopf war jetzt klar und arbeitete gut.

Ich kletterte den Deich hinauf, der nach Witte führte, und fühlte immer deutlicher, dass ich meiner Antwort nahe war. Die Lösung war klar. In der Zeitung las man ständig von bewaffneten Aufständen in den Kolonien. Niederländisch-Ostindien, das unlängst von japanischer Herrschaft befreit worden war, erdreistete sich jetzt, auch von Holland die Unabhängigkeit zu fordern. Täglich wurden wir daran erinnert, dass diese Kolonien holländischer Boden waren, und das seit 350 Jahren! Warum brachte unser Heer sie nicht zur Krone zurück?

Ja, warum nicht? An jenem Abend verkündete ich der Familie, dass ich schon wüsste, was ich machen wollte.

»Und das wäre?«, fragte Maartje.

»Soldat werden!«

Mutter holte erst einmal tief Luft.

»O Andrew! Müssen wir immer ans Töten denken?«

Aber mein Vater und meine Brüder waren anderer Meinung. Gleich in der nächsten Woche borgte ich mir Vaters Fahrrad und fuhr zum Werbebüro in Amsterdam. Ganz kleinlaut kam ich bei Einbruch der Dunkelheit wieder nach Hause. Siebzehnjährige wurden erst im Kalenderjahr, in dem sie achtzehn wurden, angenommen, und ich wurde erst im Mai 1946 achtzehn.

Im Januar fuhr ich wieder hin, und diesmal stellte man mich ein. Es dauerte nicht lange, da lief ich stolz in meiner Uniform durch Witte, ohne zu merken, dass die Hose zu klein, die Jacke zu groß, die ganze Wirkung ziemlich kopflastig war. Aber ich war auf dem Weg, unsere Kolonien für die Königin zurückzuerobern und vielleicht ein paar dieser schmutzigen Revolutionäre zu erwischen, die, wie es allgemein hieß, »Kommunisten und Schweinehunde« waren. Diese beiden Wörter wurden automatisch zusammen gebraucht.

Die Einzigen, die nicht mit Beifall reagierten, waren Whetstras. Ich ging, kopflastig wie ich war, an ihrem Haus vorbei.

»Hallo, Andrew!«

»Guten Morgen, Herr Whetstra!«

»Wie geht es deinen Eltern?«

War es denn möglich, dass er meine Uniform nicht sah? Ich drehte mich so, dass die Sonne sich in meiner Gürtelschnalle aus Messing spiegelte. Schließlich platzte ich heraus:

»Ich bin Soldat geworden. Ich gehe nach Ostindien.«

Herr Whetstra lehnte sich zurück, um mich besser sehen zu können.

»Ja, wirklich! Du suchst also Abenteuer. Ich werde für dich beten, Andrew. Ich werde beten, dass dich das Abenteuer, das du findest, befriedigt.«

Ich sah ihn erstaunt an. Was meinte er damit: ein Abenteuer, das befriedigt? »Jedes Abenteuer würde mich mehr befriedigen als dieses rückständige Dorf«, dachte ich, während ich über die flachen Felder hinblickte, die sich von Witte aus in alle Richtungen erstreckten.

So verließ ich die Heimat – löste mich innerlich und äußerlich von ihr los. Ich arbeitete schwer während meiner Grundausbildung und hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, etwas zu tun, was ich gern tat.

Oh, wie glücklich war ich, dass ich wie ein Erwachsener behandelt wurde! Einen Teil meiner Ausbildung erhielt ich in Gorkum. Ich ging jeden Sonntag in die Kirche – nicht weil mich der Gottesdienst interessierte, sondern weil ich damit rechnen konnte, danach zum Mittagessen eingeladen zu werden. Es machte mir jedes Mal Spaß, meinen Gastgebern zu erzählen, dass ich für eine Sonderkommandoausbildung in Indonesien ausgewählt worden sei.

»In ein paar Wochen werde ich im Nahkampf mit dem Feind stehen«, pflegte ich zu sagen, indem ich theatralisch meinen Stuhl zurückstieß und einen langen Zug von meiner Sonntagszigarre nahm. Und dann fragte ich mit in die weite Ferne gerichtetem Blick, ob meine Gastgeber mir wohl einmal schreiben würden, wenn ich im Ausland wäre. Sie waren alle dazu bereit, und ehe ich Holland verließ, hatte ich schon siebzig Namen auf meiner Korrespondenzliste.

Einer davon gehörte einem Mädchen. Ich lernte sie auf die gewohnte Art nach der Kirche kennen, diesmal nach einem Gottesdienst der Reformierten Kirche. Sie war das schönste Mädchen, das ich je gesehen hatte, etwa ebenso alt wie ich, sehr schlank und mit so schwarzem Haar, dass es einen bläulichen Schimmer hatte. Was mich aber am meisten beeindruckte, war ihre Haut. Ich hatte zwar schon von einer Haut, so weiß wie Schnee, gelesen, aber hier sah ich sie zum ersten Mal. Nach einem angenehmen Kirchenschlaf ging ich auf Jagd nach einer Einladung. Natürlich wählte ich den richtigen Zeitpunkt zum Verlassen der Kirche. Schneeweiß war sie an der Tür. Sie stellte sich vor.

»Ich heiße Thile«, sagte sie.

»Ich heiße Andrew.«

»Mutter lässt fragen, ob Sie zum Mittagessen zu uns kommen würden.«

»Sehr gern«, sagte ich, und kurz darauf verließ ich die Kirche mit der Prinzessin am Arm.

Thiles Vater war Fischhändler. Seine Wohnung befand sich über seinem Laden im Hafengebiet von Gorkum, und während des Mittagessens mischten sich die angenehmen Gerüche vom Hafen mit denen von gekochtem Gemüse und Schinken. Hinterher saßen wir im Wohnzimmer.

»Eine Zigarre, Andrew?«, fragte Thiles Vater.

»Ja, danke!«

Ich suchte mir sorgfältig eine aus und rollte sie zwischen den Fingern, wie ich das bei den Männern in Witte gesehen hatte. Ehrlich gesagt, machte ich mir nichts aus Zigarren. Aber sie waren so eng mit dem Begriff von Männlichkeit verbunden, dass ich mit Vergnügen sogar ein Seil geraucht hätte. Während der Kaffee- und Zigarrenzeit saß Thile mit dem Rücken zum Fenster, und die helle Mittagssonne ließ ihr Haar noch blauer erscheinen als sonst. Sie sagte fast kein Wort, aber bei mir stand bereits fest, dass sie eine meiner Korrespondentinnen sein würde – und vielleicht noch viel mehr.

Der 22. November 1946 war mein letzter Tag zu Hause. Ich hatte mich schon von Thile und den anderen Bekannten in Gorkum verabschiedet. Jetzt war es Zeit, meinen Angehörigen Lebewohl zu sagen.

Wenn ich gewusst hätte, dass ich Mutter zum letzten Mal sah, hätte ich bestimmt nicht so den schneidigen Soldaten, der in den Krieg zieht, gespielt. Aber ich wusste es nicht, und ich nahm Mutters Umarmung hin, wie etwas, was mir gebührte. Ich fand, dass ich gut aussah. Endlich hatte ich eine gut sitzende Uniform, war in ausgezeichneter körperlicher Verfassung, und mein Haar war kurz geschnitten nach Soldatenart.

Als ich gerade fortgehen wollte, zog Mutter ein kleines Buch unter ihrer Schürze hervor. Ich wusste sofort, was es war: ihre Bibel.

»Andrew, willst du das mitnehmen?«

Natürlich sagte ich Ja.

»Wirst du es auch lesen, Andrew?«

Kann man zu seiner Mutter Nein sagen? Was man später tut oder nicht tut ist eine Sache, aber man kann in solch einem Moment nicht Nein sagen.

Ich steckte die Bibel in meinen Reisesack, so tief ich konnte, und vergaß sie.

Unser Truppentransporter, die Sibajak, landete kurz vor Weihnachten in Indonesien. Mein Herz pochte vor Erregung beim Geruch der schweren tropischen Düfte, beim Anblick der fast nackten Gepäckträger, die die Laufplanken herauf- und hinunterliefen, beim Lärm der Händler auf dem Kai, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen suchten. Ich schulterte meinen Reisesack und schwankte die Laufplanke hinunter in die glühende Sonne des Hafens. Ich ahnte nicht, dass ich ein paar Wochen später Kinder und unbewaffnete Erwachsene, wie sie sich jetzt...

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