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Dementia Care Mapping (DCM)

Evaluation und Anwendung im deutschsprachigen Raum

VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783456753447
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Dementia Care Mapping (DCM) gehört zu den bekanntesten Evaluationsintrumenten für die Lebensqualität von Menschen mit Demenz. Es ist ein zentrales Arbeitsmittel person-zentrierter Pflege. Das vom «Who is who» der deutschsprachigen DCM-Szene verfasste Werk beschreibt die aktuelle Entwicklung, Anwendungen und Perspektiven von DCM im deutschsprachigen Raum. Es zeigt anschaulich den «Fussabdruck», den DCM in der person-zentrierten Pflege hinterlassen hat. Aus dem Inhalt: DCM im Kontext von Konzepten zur Lebensqualität von Menschen mit Demenz, DCM-Instrument und Methode, Dementia Care Mapping und der Einfluss von Umgebungsfaktoren auf das Wohlbefinden, DCM im Krankenhaus – Erfahrungen in Deutschland im internationalen Kontext, DCM in der Tagespflege – ein Erfahrungsbericht, Angehörige von Menschen mit Demenz im DCM-Prozess beteiligen, DCM unter ökonomischer Betrachtung, Vernetzung von DCM-Partnern.

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Leseprobe

[15]1. DCM im Kontext von Konzepten zur Lebensqualität von Menschen mit Demenz

Von Christian Müller-Hergl

1.1 Einleitung

Ziel dieses Kapitels ist es, DCM im Kontext der Diskussion um Lebensqualität und ihre Darstellung zu verorten. In Abgrenzung zu Befragungen von Menschen mit Demenz und Einschätzungen seitens der Angehörigen oder Professionellen soll der besondere Beitrag von DCM zur Qualitätsdiskussion herausgearbeitet werden. Die ausgeprägte Verknüpfung von Prozess und Ergebnis lässt Anknüpfungspunkte für die Verbesserung der Praxis besonders deutlich werden. Daraus begründet sich der Anspruch des DCM-Verfahrens, in besonderer Weise zur entwicklungsbezogenen Evaluation von Einrichtungen beizutragen.

1.2 Pflegequalität, Subjektivität und wertorientierte Entwicklung

Pflegequalität entwickelt sich an dem Anspruch, die Bedürfnisse und Erwartungen der Klienten möglichst zu erfüllen. Dazu gehört auch, nicht nur die Werte und die Lebensgeschichte eines Menschen zu kennen, sondern auch zu wissen, wie er die Krankheit erlebt und was diese für ihn unter den konkreten Lebensbedingungen, beispielsweise einer stationären Einrichtung, bedeutet (Holst/Hallberg, 2003). Für Menschen mit Demenz ergibt sich die besondere Herausforderung, dass Erinnerung und Urteilsfähigkeit, Sprache und Einsicht beeinträchtigt sind. Dennoch liegen inzwischen viele Belege dafür vor, dass Menschen mit leichter und mittelschwerer Demenz über ihre Erfahrungen – auch mit der Pflege – berichten können (van Baalen et al, 2011).

Die Beziehung von Pflege- und Lebensqualität ist komplex: Pflegequalität ist eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung von Lebensqualität. Erstere kann ausgezeichnet ausfallen, ohne dass eine hohe Lebensqualität resultiert (Edelman et al., 2005). Andererseits wird in der Regel die Lebensqualität als Teilaspekt der Pflegequalität betrachtet: So gilt sensorische Überstimulation als Mangel in der Pflegequalität aber auch als Mangel der Lebensqualität.

Für viele Klientinnen und Klienten, gerade mit Demenz, ist subjektiv die klinische, funktionale Pflege weniger wichtig, sie verbinden psychosoziale Zuwendung und sinnvolle Betätigung mit Lebensqualität (vgl. Müller-Hergl, 2010). Dies gilt weniger für das sehr späte Stadium der Demenz im Kontext palliativer Pflege, bei der eher die Durchführung der Pflege als möglicher Hinweis auf Lebensqualität gilt (Volicer et al., 2000). Menschen mit mittlerer bis schwerer Demenz sind insgesamt eher zufrieden mit Umwelt und Komfort, weniger zufrieden mit Aktivitäten, Privatheit, Individualität und bedeutsamen Beziehungen: die Lebensqualität, insbesondere in Hinblick auf emotionales Wohlbefinden, nimmt mit der Schwere der Demenz eher ab (Abrahamson et al., 2012). Insgesamt nimmt das Thema Lebensqualität in betonter[16] Weise die Erfahrungswelt der Person in den Blick – es geht weniger um «health care» sondern darum, sein eigenes Leben sinnvoll zu gestalten (Rubinstein, 2000; Uman et al., 2000). Die WHO (1997) definiert Lebensqualität als «the individual’s perception of their position in life in the context of the culture and value system in which they live, and in relationship to their goals, expectations, and standards». Damit lässt sich die Frage nach der Lebensqualität nicht loslösen von Fragen, wie Menschen und Familien das Leben mit Demenz erfahren und bewältigen.

Lebensqualität als Teil der Pflegequalität sollte nicht als Glasperlenspiel betrachtet werden: zum einen geht es darum, Defizite der Institutionen und Hospitalisierungsfolgen, insbesondere eine übermäßige Funktionalisierung des Alltags unter Vernachlässigung der psychosozialen Bedürfnisse aufzudecken; zum anderen ist ein gezielter und präziser Beitrag zu einer wertorientierten Entwicklung von Dienstleistungen zu erbringen, um Zufriedenheit (in der Regel bezogen auf extern festgelegte Dimensionen), Wohlbefinden (subjektives Erleben und Bewerten) und Freude zu steigern, Teilhabe zu sichern und individuell bereichernde Gelegenheiten zu schaffen sowie Vermeidung belastender Situationen zu ermöglichen (Cummins/Lau, 2003).

1.3 Lebensqualität als multidimensionales Konstrukt

Lebensqualität stellt ein multidimensionales Konstrukt dar: bestimmte Faktoren wie gesundheitliche Versorgung und materielle Sicherheit, Wahrung der Rechte sowie Umweltbedingungen, aber auch Anzahl und Qualifizierung der Professionellen sind eher am objektiven Ende des Lebenskontextes verortet und können an allgemeinen beziehungsweise kulturell eingegrenzten Standards überprüft werden (sozialnormative Kriterien). Dies entspricht in der Terminologie Veenhovens (2000) der ökonomischen, ökologischen und kulturellen «livability» der Umwelt (in etwa: Lebenswürdigkeit). Davon zu unterscheiden sind die für die konkrete Person spezifischen Interessen und Bedürfnisse, die individuellen Diagnosen und das Verhalten (bei Veenhoven [2000] die Lebensfähigkeit der Person mit den Dimensionen der körperlichen[17] und geistigen Gesundheit sowie dem Wissen und den Fertigkeiten der Person). Es folgen die persönlichen und subjektiven Erfahrungen und die Bewertung des eigenen Lebens im Kontext der objektiven Faktoren und Kontexte (evaluative Komponente). Letzteres entspricht der subjektiven Einschätzung des Lebens nach Veenhoven (2000): Zufriedenheit, Affekte und Stimmungen sowie allgemeine affektive und kognitive Einschätzungen des Lebens.

Tabelle 1-1: Lebens- und Pflegequalität (eigene Darstellung Müller-Hergl, C.)

Konzepte der Lebensqualität

Konzepte der Pflegequalität

Würde

Gesundheit

Privatheit

Mobilität, Stürze

Interaktion und Kommunikation mit Angehörigen und Professionellen

Ernährung

Milieu

Inkontinenz

Beziehungen zu Freunden, Familie, anderen Klienten

Lebensqualität (beispielsweise Fixierungen, sensorische Unterstimulation, Aktivitätsmangel)

Selbstachtung, Selbstwert

Hautzustand

Affekt und Stimmung

Medikation, insbesondere psychotrope Drogen

Engagement und tätig sein

Sensorik (zum Beispiel Hören, Sehen)

Lebenssituation

physisches Wohlbefinden

Tabelle 1-2: Objektive und subjektive Faktoren der Lebensqualität (eigene Darstellung Müller-Hergl, C.)

Eher objektive Aspekte der Lebensqualität

Eher subjektive Aspekte der Lebensqualität

Verhaltenskompetenz

Affekte, Stimmungen

Gesundheit (z. B. Depressivität) und funktionaler Status

Zufriedenheit mit Familie, Freunden, Versorgung

Umgebung, Milieu

Spiritualität

sozioökonomischer Status

Selbstbestimmung, Autonomie

Die objektiven Faktoren der Lebensqualität weisen eine große Ähnlichkeit mit den oben genannten Konzepten der Pflegequalität auf (s. Tabelle 1-1).

Alle drei – die subjektive, die evaluative sowie die objektive Dimension – sind anhand unterschiedlicher Instrumente und Verfahren einzuschätzen. International hat sich die Unterscheidung von Lawton behauptet, zwischen den objektiven Kriterien, der Verhaltenskompetenz und der interpersonellen Umgebung, sowie den subjektiven Kriterien: psychologisches Wohlbefinden und wahrgenommener Lebensqualität zu...

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