Traditionell gilt das Vertragsrecht als Reich der Freiheit, als seine Gerechtigkeitsform die iustitia commutativa (Austauschgerechtigkeit). Die iustitia distributiva (Verteilungsgerechtigkeit) wird dagegen als Gerechtigkeitsform des öffentlichen Rechts betrachtet. Daraus folgt ein vertragstheoretisches Paradigma, dem zufolge die iustitia distributiva im Vertragsrecht nahezu ohne Bedeutung ist. Stefan Arnold greift dieses Paradigma an und zeigt, dass die iustitia distributiva das Vertragsrecht ebenso durchdringt und prägt wie die iustitia commutativa. Dazu erarbeitet er eine Theorie der iustitia distributiva als Gerechtigkeitsperspektive, die über das konkrete Austauschverhältnis hinausblickt und die soziale und ökonomische Einbettung des Rechts berücksichtigt. Zugleich analysiert und bewertet er das Vertragsrecht in seiner regulativen Kapazität. Das Vertragsrecht kann demnach externe Ziele verwirklichen helfen und etwa zur Verhaltenssteuerung, zum Schwächerenschutz oder zur Verwirklichung bestimmter Allgemeinwohlbelange beitragen. Die iustitia distributiva wird vom Postulat der Vertragsfreiheit flankiert: Das Vertragsrecht muss uns Autonomie und Eigenverantwortung zuschreiben, damit wir unsere individuellen Ziele in Kooperation mit anderen durch Verträge umsetzen können. Der Autor illustriert die Bedeutung der iustitia distributiva und ihr Verhältnis zur Vertragsfreiheitauch anhand des geltenden Vertragsrechts. Eingehend analysiert er unter anderem das soziale Mietrecht, das Verbrauchervertragsrecht, das Diskriminierungsrecht und Kontrahierungszwänge.
ist Professor für Bürgerliches Recht, Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz und Alumnus des Jungen Kollegs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
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