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Richterliche Genehmigungen zu freiheitseinschränkenden Maßnahmen bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen

AutorDaniela Schaal
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783640388370
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Gesundheit - Sonstiges, Note: 1,6, Universität Hamburg, Sprache: Deutsch, Abstract: In den einschlägigen Pflegefachzeitschriften konnte in den letzten Jahren zunehmend die Diskussion über die Anwendung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen verfolgt werden. Ebenso wurde in den Medien diese Thematik aufgegriffen und über die Schicksale alter, pflegebedürftiger Menschen, die an das Bett gefesselt oder anhand von ruhig stellenden Medikamenten in ihrer Bewegung eingeschränkt wurden [vgl. 20], informiert. Zugleich erschien im Jahr 2005 ein aufrüttelndes Buch 'Abgezockt und tot gepflegt' [6] von dem Journalisten Markus Breitscheidel, das über die Missstände in deutschen Alten- und Pflegeheimen berichtete. Aufgrund der Brisanz dieses Themas wurde an der Universität Hamburg in der Fachrichtung Gesundheitswissenschaften ein Seminar angeboten, welches sich mit der Problematik bei der Anwendung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen auseinandergesetzt hat. Aufgrund der aktuellen Diskussion über freiheitseinschränkende Maßnahmen wird dieses Thema als Schwerpunkt in der vorliegenden Examensarbeit gewählt. Oberstes Gebot für das medizinische Personal ist die Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes von Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen. Das Selbstbestimmungsrecht untersagt, bis auf einige wenige gesetzlich geregelte Ausnahmefälle, jede Behandlung gegen den Willen des Bewohners. An dieser Stelle wird der Gegensatz zwischen Gesetz und Pflegealltag sichtbar. Im pflegerischen Alltag kann es bei Verhaltensauffälligkeiten der Bewohner aufgrund psychischer Erkrankungen zu verbalen oder körperlichen Übergriffen auf sich selbst oder Dritte kommen. Aufgrund dessen kann es dazu kommen, dass in letzter Konsequenz freiheitseinschränkende Maßnahmen angewandt werden müssen. Noch immer werden freiheitseinschränkende Maßnahmen mit der Sturzprävention begründet. In Alten- und Pflegeeinrichtungen kommt es immer wieder zu Stürzen von Bewohnern und stellt damit im deutschen Pflegealltag Haftungsthema Nummer eins dar. Dabei muss die Frage geklärt werden, ob ein Verschulden seitens des Heimträgers vorliegt oder aber ob der Sturz dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen ist. Diese Vorfälle sollten genau geklärt und analysiert werden. Bei Auftreten eines Sturzes fühlen sich die Pflegekräfte in ihrem Handeln verunsichert. Im Jahr 2005 wurden vom Bundesverfassungsgericht zwei maßgebliche Urteile zum Sturz erlassen.

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Leseprobe

3. Methode


 

Das Kapitel „Methode“ setzt sich zusammen aus dem aktuellen Forschungsstand sowie der Darlegung der Interviewstudie. Die Ergebnisse fließen dann in die Erstellung eines Fragebogens ein, der in Punkt 3.3 Fragebogenstudie näher beleuchtet wird.

 

3.1         Forschungsstand


 

Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden zunächst eine unsystematische und anschließend eine systematische Literaturrecherche vorgenommen. Die unsystematische Recherche wird mit Hilfe des Internets über die Suchmaschine „Google“ durchgeführt, um eingangs einen Überblick über das Thema zu erhalten und um die genaue Fragestellung herauszuarbeiten. Die Suche wird dabei mit englischen und deutschen Begriffen gesteuert. Hierbei wird relevante Literatur zum Thema „freiheitseinschränkende Maßnahmen“ identifiziert. Unter anderem finden sich Internetseiten, auf denen die Leitlinien zum „Verantwortungsvollen Umgang mit freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der Pflege“ [3], herausgegeben vom Bayrischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen sowie ein Bericht der Arbeitsgruppe Psychogeriatrie am Zentralinstitut Mannheim im Auftrag der Bundeskonferenz zur Qualitätssicherung im Gesundheits- und Pflegewesen e.V. (BUKO-QS) „Mobilität und Sicherheit bei Menschen mit demenziellen Einschränkungen in stationären Einrichtungen“ (www.buko-qs.de) veröffentlicht und dort einsehbar sind. Weiterhin sind einschlägige Verweise zu relevanten Internetseiten gegeben. Diese sind zum einen „Alzheimer-Info“ und zum anderen Konzepte, die die Anwendung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen reduzieren sollen, wie zum Beispiel das „Redufix-Modell“.

 

Ebenso wird eine Handsuche in den wichtigsten deutschsprachigen Pflegefachzeitschriften durchgeführt. Hierbei fällt der Schwerpunkt auf die Zeitschriften „Die Schwester/Der Pfleger“, „Die Pflegezeitschrift“, „PsychPflege“ sowie „Pflege und Gesellschaft“. Bei dieser Überprüfung können relevante Artikel zu der Thematik „freiheitseinschränkende Maßnahmen“ sowie relevante Berichte zu „Gewalt in der Pflege“ und „Stürze in Alten- und Pflegeheimen“ identifiziert werden. Anhand dieser Recherche kann ein erster Überblick über das Forschungsvorhaben gewonnen werden. In den Pflegefachzeitschriften wurde vor einigen Jahren der rechtliche Bereich integriert. An dieser Stelle werden aktuell juristische Themen besprochen und ihre rechtliche Bedeutung hinterfragt und dokumentiert. Für die vorliegende Examensarbeit können wesentliche Artikel bezüglich der rechtlichen Standpunkte zu den freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der Pflege ermittelt werden. Zur Bearbeitung des rechtlichen Rahmens bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen wird zusätzlich das Buch „Freiheitsentziehende Maßnahmen: Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen in Betreuungsrecht und -praxis. Mit der Münchner Studie zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen in Pflegeheimen.“ von Hoffmann und Klie [23] hinzugezogen.

 

Parallel dazu wird eine systematische Literaturrecherche nach relevanten Publikationen vorwiegend in den medizinischen Datenbanken Cochrane Library und Pubmed mit dem Ziel durchgeführt, ein möglichst aktuelles Review zu identifizieren. Die Recherche im "cochrane database of systematic review" erfolgt mit folgenden Suchbegriffen: „physical restraint“, „attitude“, „emotions“, „perceptions“, sowie „nursing homes“ und „jurisprudence“. Die Suche ergibt einen Treffer. Die dabei gefundene Studie ist relevant und wird zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen. Hier handelt es sich um eine systematische Übersichtsarbeit des „Joanna Briggs Institute“ in Australien [11]. Bei der medizinischen Datenbank Pubmed wird sowohl mit "Mesh"-, als auch mit "Freitext"- Suchbegriffen recherchiert. Die Suchstrategie wird hierbei nicht limitiert. Dabei können folgende Suchworte als Meshbegriffe verwendet werden: „restraint, physical“, „nursing homes“, „geriatric nursing“, „attitude“, „emotions“, „perceptions“ und „jurisprudence“. Einbezogen sind englisch- und deutschsprachige Publikationen. Durch diese Recherche können 57 Treffer ermittelt werden. Weiterhin wird in den Datenbanken CINAHL und Medline nach relevanter Literatur recherchiert. Aus dieser Recherche heraus wird ein HTA-Bericht: „What evidence exists about the safety of physical restraint when used by law enforcement and medical staff to control individuals with acute behavioural disturbance?“ (Day, 2002) ermittelt.

 

Durch die Recherche werden zahlreiche internationale Studien nicht nur zur Prävalenz, den Gründen und Folgen, sondern auch zu Alternativen von freiheitseinschränkenden Maßnahmen ermittelt. In diesem Kontext werden ebenso internationale Untersuchungen zu den Einstellungen und Haltungen der Pflegenden sowie der Bewohner und Angehörigen identifiziert. In Deutschland wurde 2007 eine multizentrische Beobachtungsstudie mit 2400 Bewohnern in 30 Hamburger Alten- und Pflegeheimen [33] durchgeführt. In dieser Untersuchung wird deutlich gemacht, dass der Einsatz von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in Übereinstimmung mit den juristischen Rahmenbedingungen durch richterliche Genehmigungen oder durch Einwilligung des Bewohners teilweise nicht legitimiert ist [33].

 

3.1.1     Prävalenz


 

Die Prävalenz - Rate von freiheitseinschränkenden Maßnahmen weißt große Schwankungen auf. Nach internationalen Studien liegt die Prävalenz von freiheitseinschränkenden Maßnahmen zwischen 15 – 70% [17, 11]. Dieser große Unterschied ist begründet durch die nicht übereinstimmende Definition von freiheitseinschränkenden Maßnahmen im pflegerischen Handeln. In der Studie von Hantikainen 1998 [18] wird berichtet, dass Pflegekräfte freiheitseinschränkende Maßnahmen unterschiedlich bewerten, zum Beispiel werden Bettgitter nicht immer als eine freiheitseinschränkende Maßnahme angesehen. Weiterhin wird der Begriff „Fixierung“ nicht negativ bewertet, sondern als „protective device“ [18] beschrieben und somit seine Funktion verharmlost. Damit wird die Durchführung dieser Maßnahmen nicht mit einem negativen Aspekt assoziiert. In einer weiteren Studie von Moore und Haralambous 2007 [36] werden eine hohe Dunkelziffer für die Prävalenz von ruhig stellenden Medikamenten sowie der räumlichen Fixierung beschrieben. Der Einsatz von ruhig stellenden Medikamenten bei älteren Heimbewohnern ist weit verbreitet und kann schwer nachgewiesen werden. Es wird berichtet, dass aufgrund nachlässiger Dokumentation verschlossene Zimmertüren zur Isolierung der Bewohner nachgewiesen werden können. In der Literatur wird angegeben, dass Heimbewohner, die im Bett liegen, am meisten eine freiheitseinschränkende Maßnahme durch durchgängige Bettgitter und Fixierungsgurte erfahren. Bewohner, die im Rollstuhl sitzen, erleben am häufigsten Stecktische und Fixierungsgurte. Weiterhin kommt es in 9% der Fälle zum Verschließen der Zimmertüren [25, 18].

 

3.1.2     Gründe und Einstellungen der Pflegenden für den Einsatz von FeM


 

In einigen Ländern, wie Dänemark oder Schottland, ist der Einsatz von freiheitseinschränkenden Maßnahmen verboten. Infolge einer einschneidenden Gesetzesreform in den USA 1987 kam es zu einer verstärkten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema der freiheitseinschränkenden Maßnahmen. In diesem Rahmen wurde der so genannte „Omnibus Budget Reconciliation Act“ (OBRA) erarbeitet. Dieser beinhaltet ein neues bundesstaatenübergreifendes umfassendes gesetzliches Regelwerk. Am 01.Oktober 1990 trat neben diesem Regelwerk unter anderem auch das „Nursing Home Reform Act“ (NHRA) in Kraft mit dem Anspruch der Reduktion von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen. Dies beinhaltet, dass freiheitseinschränkende Maßnahmen nur zulässig sind, wenn Alternativen unwirksam sind oder der Bewohner gegenüber sich selbst oder anderen geschützt werden muss [17].

 

Noch immer werden freiheitseinschränkende Maßnahmen mit der Sturzprävention begründet. Doch vorliegende internationale Beobachtungsstudien stellen dar, dass gerade der Einsatz von freiheitseinschränkenden Maßnahmen nicht sturzpräventiv wirkt, sondern vielmehr die Gefahr an Stürzen erhöht [11]. Das Pflegepersonal schätzt die Sturzgefährdung der von ihnen betreuten Personen aufgrund ihrer beruflichen Kompetenz und bedingt durch den kontinuierlichen Kontakt mit den Bewohnern intuitiv ein [18]. Mögliche Einflussfaktoren seitens des Bewohners stellen das Alter, kognitive und funktionelle Einschränkungen dar, die dann zu Eigen- und Fremdgefährdung führen können. Die Gründe für die Wahl von freiheitseinschränkenden Maßnahmen sind meistens unklar und nicht eindeutig definiert. Als Hauptgründe für den Gebrauch von freiheitseinschränkenden Maßnahmen werden in der wissenschaftlichen Literatur neben kognitiven Einschränkungen, die Sicherheit und der Schutz der Patienten, aggressives Patientenverhalten, Ruhelosigkeit, institutionelle Vorgaben und teilweise geringe Kompetenzen von Pflegekräften festgehalten [9, 18, 31, 32, 37, 45]. Zudem konnten die Pflegekräfte die Entscheidung für den Einsatz solcher Maßnahmen oft nicht begründen. Sie ergeben sich häufig aus der Routine heraus. Für das Pflegepersonal ist ein zentraler Punkt, das Verhalten des Bewohners zu kontrollieren. Die Pflegekräfte sind beunruhigt über die Konsequenzen und...

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