Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Wirksamkeit eines Theta/Beta-Neurofeedbacktrainings bei der Behandlung von ADHS zu überprüfen und mit einem EMG-Biofeedbacktraining (als Placebobedingung) zu vergleichen. Diese Arbeit soll die wichtigsten methodischen Kritikpunkte an bisher durchgeführten Untersuchungen zum Neurofeedback berücksichtigen. Dies umfasst eine randomisierte Zuweisung der Probanden auf die untersuchten Gruppen, die Verwendung einer Placebogruppe, eine ausreichende Stichprobengröße, eine umfangreiche Diagnostik, eine Nachuntersuchung unmittelbar nach dem Training und die Analyse von objektiven und subjektiven Daten.
Mittels der vorliegenden Studie sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:
1. Kann ein Neurofeedbacktraining die Aufmerksamkeit und die kognitiven Leistungen von ADHS-Kindern verbessern?
2. Kann ein EMG-Biofeedbacktraining die Aufmerksamkeit und die kognitiven Leistungen bei ADHS-Kindern verbessern?
3. Lässt sich die ADHS-Symptomatik durch ein Neurofeedbacktraining reduzieren?
4. Lässt sich die ADHS-Symptomatik durch ein EMG-Biofeedbacktraining reduzieren?
5. Beruht die Wirksamkeit von Neurofeedback bei der ADHS-Behandlung auf allgemeinen oder spezifischen Wirkfaktoren?
6. Unterscheiden sich die Effekte eines Neurofeedbacktrainings von den Effekten eines EMG-Biofeedbacktrainings?
Auf der Grundlage bisher vorliegender Forschungsarbeiten werden folgende Hypothesen geprüft:
1. Die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHS-Kindern verbessern sich durch Neurofeedbacktraining.
2. Durch ein Neurofeedbacktraining kommt es zu einer Reduktion des Problemverhaltens von ADHS-Kindern.
3. Ein Neurofeedbacktraining führt zu Verbesserungen der kognitiven Leistungen von ADHS-Kindern.
4. Ein EMG-Biofeedbacktraining kann die Aufmerksamkeitsleistungen von ADHS-Kindern nicht verbessern.
5. Ein EMG-Biofeedbacktraining kann nicht zu einer Reduktion des Problemverhaltens von ADHS-Kindern beitragen.
6. Ein EMG-Biofeedbacktraining führt nicht zu verbesserten kognitiven Leistungen bei ADHS-Kindern.
7. Neurofeedback wirkt bei der ADHS-Behandlung nicht nur aufgrund allgemeiner Wirkfaktoren (z. B. Teilnahme an einem Therapieprogramm, Aufmerksamkeit des Therapeuten usw.).
7.1. Neurofeedbacktraining führt zu einer stärkeren Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung als EMG-Biofeedbacktraining.
7.2. Neurofeedbacktraining führt zu einer stärkeren Reduktion von Problemverhalten als EMG-Biofeedbacktraining.
7.3. Neurofeedbacktraining führt zu einer größeren Verbesserung der kognitiven Leistungen als EMG-Biofeedbacktraining.
In Gruppenstudien zur ADHS-Behandlung hat die Anwendung einer Wartelistekontrollgruppe keine große Bedeutung, denn der Zeitfaktor spielt (im Unterschied zu anderen psychischen Störungen, wie beispielsweise Depressionen) für die Verbesserung von ADHS-Symptomen keine große Rolle. Durch die Anwendung einer Wartelistekontrollgruppe können unspezifische Behandlungseffekte nicht überprüft werden. Außerdem haben solche Kontrollgruppen höhere Drop-out-Raten (Clarke, 1995). Im Normalfall sind die Patienten und deren Eltern nicht bereit, mehrere Monate auf eine Therapie zu warten und sind bei Zuteilung zur Wartegruppe bestrebt, eine andere Behandlungsmöglichkeit zu finden (Rossiter, 2004).
Die Anwendung einer Placebobehandlungsgruppe ist dagegen notwendig, um die interne Validität sicher zu stellen. Nichtspezifische Faktoren (wie die Teilnahme an den Therapiesitzungen, der persönliche Kontakt mit einem Therapeuten, eine logische Erklärung für die problematische Situation und der Erhalt einer gezielten Therapiemethode zur Reduktion des Problems), beeinflussen die Leistung des Patienten und können als solche zu einem therapeutischen Effekt führen. Sie sind Bestandteile einer Therapie, die nicht vermieden werden können. Am Behandlungsende ließe sich ohne eine Placebogruppe nicht klar feststellen, ob die eingetretenen Veränderungen auf das Therapieverfahren zurückzuführen sind oder ob nichtspezifische Faktoren dafür verantwortlich sind. Eine nichtspezifische Behandlungskontrollgruppe kann diese allgemeinen Faktoren kontrollieren und ausschließen, die durch die reine Teilnahme an den therapeutischen Sitzungen verursacht werden. Dadurch können sowohl die Gefährdung der internen Validität als auch die Bedrohung der Konstruktvalidität kontrolliert werden (Kazdin, 1998).
Keine der bisher veröffentlichten Neurofeedbackstudien verwendete eine Placebogruppe. Durch die Anwendung einer Placebogruppe kann die spezifische Wirksamkeit von Neurofeedback von anderen therapeutischen Einflüssen getrennt werden (Loo, 2003), weshalb deren Einsatz für weitere Untersuchungen zum Neurofeedback wiederholt vorgeschlagen wurde (Barkley, 1993; Carmody et al., 2001; Heywood & Beale, 2003; Loo & Barkley, 2005). Dies wird in der vorliegenden Arbeit umgesetzt.
Das Feedbacktraining in beiden Gruppen wird von einem Prä-, einem Post-, und einem Follow-Up-Test begleitet. Die Follow-Up-Untersuchung findet derzeit statt und ist deshalb nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die Neurofeedbackstudie begann im Oktober 2003, der letzte Post-Test wurde im Februar 2007 durchgeführt. Die gesamte Studie, einschließlich der Follow-Up-Untersuchung, wird voraussichtlich im August 2007 abgeschlossen sein.
Nach der ADHS-Standarddiagnostik [Intelligenztest, Aufmerksamkeitstest (bp/d2); Fremdbeurteilung des Verhaltens durch Eltern und Lehrer; Mannheimer Elternfragebogen (MEF) und Schulbeobachtung] wurde ein computergestützter CPT durchgeführt (Ablauf- und Zeitplan siehe Abb. 3.1). Unmittelbar daran schloss sich die Behandlungsphase an: jeweils 30 Sitzungen Neurofeedback bzw. EMG-Biofeedback mit zwei bis drei Sitzungen pro Woche, wobei für beide Gruppen zweimal monatlich ein Elterngespräch mit einem Psychotherapeuten angesetzt war.
Die reine Therapiephase erstreckte sich über einen Zeitraum von 10-15 Wochen, das gesamte Programm einschließlich Prä-Test und Follow-Up-Test über einen Zeitraum von 40-43 Wochen. Der zeitliche Ablauf der Therapie war für beide Gruppen (Neurofeedback und EMG-Biofeedback) identisch. Die Anzahl der Therapiesitzungen betrug 30 Sitzungen für beide Gruppen. Dieser Zeitraum ist gewählt worden, da Rasey (1996) berichtete, dass auch unauffällige Probanden mindestens 30 Sitzungen benötigen, um ihre Aufmerksamkeitsleistungen bei einer komplizierten Aufgabe zu verbessern. Die Therapiesitzungen fanden zwei- bis dreimal wöchentlich statt. Bis auf die unterschiedlichen Elektroden und deren Platzierung erfolgte das Training unter nahezu identischen Bedingungen: Trainingsdauer, Therapeut, Ablauf und die verwendeten Feedbackscreens sowie die übrigen Therapiebedingungen (Räume, Einbeziehung der Eltern etc.) waren in beiden Gruppen gleich, es wurden dieselben diagnostischen Verfahren eingesetzt und die gleichen Verstärker (Belohnungen) verwendet.
Nach Ablauf der Behandlung wurden die diagnostischen Verfahren aus der Eingangsuntersuchung erneut angewendet, um den Therapieerfolg bewerten zu können. Für die Neurofeedback- und die EMG-Biofeedbackpatienten, bei denen die Behandlung nicht zu einer bedeutsamen Verhaltensänderung in der erwarteten Richtung führte, schloss sich eine Standardbehandlung an (Verhaltenstherapie mit Selbstinstruktionstraining, Elterntraining und Kontingenzmanagement). Alle Versuchspersonen nehmen sechs Monate nach Abschluss des Neurofeedback- bzw. EMG-Biofeedbacktrainings an einer katamnestischen Follow-Up-Untersuchung teil, in deren Rahmen ebenfalls die diagnostischen Verfahren aus der Eingangsuntersuchung zur Anwendung kommen.
Abb. 3.1 Untersuchungsdesign mit Zeitplanung
Zur Auswertung der Ergebnisse wurden die Statistikprogramme Excel und SPSS 14.0 verwendet. Die Dateneingabe erfolgte unmittelbar nach Abschluss der einzelnen Phasen. Die Daten wurden mittels Varianzanalysen mit Messwiederholung, Chi-Quadrat-Tests, U-Tests nach Mann und Whitney, Wilcoxon-Tests und über t-Tests für abhängige Stichproben analysiert. Außerdem wurden die Effektstärken berechnet.
In der vorliegenden Studie sollen die durch Bio- bzw. Neurofeedback hervorgerufenen Veränderungen bei Kindern mit hyperkinetischen und Aufmerksamkeitsstörungen erfasst werden. Vor Beginn und am Ende der Behandlung sind folgende Bereiche untersucht worden: Beurteilungen von Eltern und Lehrern, Leistungen der Probanden auf psychometrischer und neuropsychologischer Ebene. Die dabei angewendeten Standardverfahren werden im Folgenden dargestellt.
5.1.1. Intelligenztests
Die Intelligenz der Versuchspersonen wurde vor und nach der Therapie durch einen SPM (für die Probanden ab zehn...