In diesem Kapitel werden zunächst die Einflussfaktoren des Social Commerce, die sich auf die Customer Journey in Kapitel 4 auswirken, untersucht. Die Faktoren werden vorausgesetzt, da sie die zentralen Bestandteile des Social Commerce beinhalten, die sich auf die Customer Journey auswirken.
Abbildung 3‑1 – Social Commerce Einflussfaktoren auf die Customer Journey
Quelle: In Anlehnung an Yadav et al. 2013, S. 315
Dazu werden zunächst im Abschnitt 3.1 die Plattform-Charakteristika, die beim Social Commerce wirken, erläutert, da sie Voraussetzung beim Social Commerce sind. Anschließend folgen im Abschnitt 3.2 die Konsumenten Charakteristik, in der das Social Sharing erläutert wird und inwieweit es das Verhalten der Nutzer im Social Commerce verändern kann. Insbesondere das Verhalten, wie oft Nutzer Informationen teilen, ist hier zentraler Bestandteil, da dies u. a. Einfluss auf die Kaufentscheidung haben kann. Darüber hinaus wird erläutert, welche Rolle die Influencer bzw. Advocates in diesem Zusammenhang spielen.
Im Abschnitt 3.3 werden dann die Produkt-Charakteristika behandelt, weil sie neben den Charakteristika der Plattformen und Konsumenten Einfluss auf den Social Commerce nehmen können.
Da die sozialen Netzwerke als Plattform im Social Commerce dienen, werden im Kapitel 3.1 die Plattform-Charakteristika und ihre Wirkungsweise erläutert. Im Social Commerce und in der vorliegenden Arbeit geht es darum, welchen Einfluss die soziale Komponente auf das Einkaufsverhalten hat.
Dazu wird im Abschnitt 3.1.1 das Thema WOM behandelt. Hierzu wird untersucht, inwieweit sich Nutzer von WOM beeinflussen lassen und von welchen Faktoren dies abhängig ist. Darauf aufbauend folgt im Abschnitt 3.1.2 Social Support, um festzustellen, inwiefern die soziale Komponente Einfluss beim Social Commerce nehmen kann. Dazu wird die Verbindung zwischen Social Support und den Interaktionen der Nutzer erklärt. Abschließend kann besonders der Zusammenhang von Social Support und WOM analysiert werden, der beim Social Commerce relevant ist.
Das Mitteilungsbedürfnis ist nach Musiolik dafür verantwortlich, dass Menschen Informationen mit Freunden und Bekannten teilen. Für Musiolik zählt dazu auch, welche Marken bzw. Produkte gut sind und welche nicht. Das Word-of-Mouth-Marketing versucht dabei, Einfluss auf den Konsumenten zu nehmen, sodass dieser sich positiv zu den Produkten äußert.[87] Westbrook bezeichnet die Kommunikation von Word of Mouth als informelle Unterhaltung zwischen zwei Nutzern über Besitz, Nutzung oder Eigenschaften eines Produkts, einer Marke, einer Dienstleistung oder dem Verkäufer.[88] Dazu gehören laut Reichelt jegliche Formen von Kundenempfehlungen, da sie immer bewertende oder empfehlende Informationen zu einem Produkt enthalten. Grundsätzlich können dazu nach Reichelt auch Empfehlungen zu Produkten zählen, die sie nicht selbst konsumiert haben. Als Grundlage dienen hierfür Erfahrungen anderer Konsumenten oder Produktinformationen aus werblichen Inhalten.[89] Das Web 2.0 und die Weiterentwicklung durch Social Media bilden die Grundlage dafür, dass Nutzer nicht nur Inhalte konsumieren, sondern diese auch aktiv gestalten. In den sozialen Netzwerken sind Nutzer daher in der Lage, die Verbreitung von WOM zu steigern.[90]
Im Zusammenhang von WOM mit sozialen Netzwerken wird oft von Electronic Word of Mouth (eWOM) oder Online Word of Mouth gesprochen.[91] Sofern der Konsument andere Nutzer anhand produktbezogener Informationen sucht oder um Empfehlungen einer Marke bittet, ist dies der Fall. Der Austausch von nutzergenerierten Inhalten und die freiwillige Interaktion mit Marken spielen dabei eine zentrale Rolle. Somit sind sie zum Beispiel innerhalb der Informationssuche in der Lage, mit der Marke und anderen Konsumenten zu interagieren, um leichtere Kaufentscheidungen treffen zu können. Grundsätzlich kann eWOM in die drei Teilbereiche bzw. Aktivitäten Opinion Seeking (Meinungen suchen), Opinion Giving (Meinungen schreiben) und Opinion Passing (Meinungen weiterleiten) abgegrenzt werden. Durch die steigende Dynamik und Interaktivität des Internets, kann eine Person jeden Teilbereich bzw. mehrere dieser Rollen gleichzeitig einnehmen. So sind beim eWOM neben dem Schreiben auch das Suchen und die Weiterleitung von Empfehlungen bedeutsam.
Die Auswirkungen von WOM bzw. eWOM können laut Churras-Perez et al. sowohl positiv als auch negativ sein und durch einen Impuls gesteuert werden. Weiterhin betonen sie, dass eWOM, durch das fehlende Vertrauen gegenüber einigen Medien zu einer der effektivsten Kommunikationsquellen in den sozialen Netzwerken gehört, da die Person eine bekannte und vertrauenswürdige Quelle sein kann.[92] Der größte Unterschied zum klassischen WOM besteht darin, dass durch die sozialen Netzwerke viel mehr Menschen erreicht werden, da eWOM nicht privat, sondern öffentlich erfolgt und Bewertungen u. a. unbefristet zugänglich sind.[93] Dazu ist es wichtig zu verstehen, wovon der Einfluss von eWOM abhängt. In diesem Zusammenhang heben Chu und Kim den Wunsch und die Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen in den sozialen Netzwerken als Grund für eWOM hervor. Mit der Veröffentlichung von hilfreichen Informationen zu oder Erlebnissen mit dem Produkt, können laut Chu und Kim Nutzer ihre sozialen Beziehungen stärken. Dazu untersuchen die Autoren die Einflussfaktoren Interpersonal Influence (zwischenmenschliche Einflüsse), Tie Strength (Beziehungsstärke) und Trust (Vertrauen), um festzustellen, wovon der Einfluss von WOM abhängig ist.[94]
Interpersonal Influence
In den Untersuchungen von Chu und Kim zeigt sich, dass zwischenmenschliche Einflüsse die Bereitschaft von eWOM-Aktivitäten beeinflussen.[95] Personen, die sich eher normativ beeinflussen lassen, konzentrieren sich stärker auf den Aufbau von Beziehungen. Wohingegen Personen, die sich informativ beeinflussen lassen, eher an dem Nutzen und der Übertragung der Information festhalten. Aufgrund der Vernetzung der Personen in den sozialen Netzwerken besteht ein eindeutiger Bedarf mit relevanten Kontakten zu interagieren. Dieser Informationsaustausch führt automatisch zu Berührungspunkten von Produkten und Marken und fördert die Interaktionsrate der Nutzer.
Tie Strength
In Anbetracht der unterschiedlichen Beziehungen zwischen den Nutzern von sozialen Netzwerken bezeichnet Granovetter die Stärke einer Beziehung als eine Kombination mehrerer Faktoren. Die Menge an Zeit, die zwei Nutzer miteinander verbringen, das gegenseitige Vertrauen, der Grad der emotionalen Intensität und die gegenseitigen Hilfeleistungen wirken sich nach Granovetter darauf aus, ob eine starke oder schwache Beziehung zwischen den Nutzern besteht. Bekanntschaften beispielsweise gelten hierbei als Weak Ties und Familienmitglieder oder enge Freunde als Strength Ties.[96] Interessant ist dabei die Untersuchung von Chu und Kim, wonach die Beziehungsstärke keinen Einfluss auf die Veröffentlichung von Informationen der Nutzer hat.[97]
Entscheidend ist der Einfluss von beiden Gruppen auf die Weiterleitung von Informationen.[98] Goldenberg et al. stellen fest, dass der Einfluss von Weak Ties mindestens genau so groß ist wie der der Strength Ties. Weiterhin weisen sie darauf hin, dass die Effekte beider Gruppen abhängig von verschiedenen Faktoren sind, wie die persönliche Größe des eigenen Netzwerks, Anzahl der zwischenmenschlichen Interaktionen von Weak Ties und die Menge an Werbung. So können auch Weak Ties einen höheren Einfluss bei der Weiterleitung von Informationen haben, wenn der Anteil der Kontakte größer ist. Ein Beispiel für ihren Einfluss liegt in der Informationssuche, da Nutzer vermutlich in einem engeren Austausch mit ihren näheren Kontakten stehen und somit schon mehr über diese wissen als über lose Bekanntschaften. Dabei betonen die Autoren, dass der Einfluss von weitergeleiteten Informationen der Nutzer stärker ist als der Effekt von Werbung.
Yadav et. al unterstreichen in diesem Kontext nochmal die persönliche Relevanz. Personen, die eine Beziehung zu Freunden oder Bekannten haben, besitzen eine höhere Relevanz als unbekannte Personen. Grundsätzlich können unbekannte Leute zwar auch Einfluss auf einen Nutzer haben jedoch ist dieser bei bestehenden Beziehungen deutlich höher.[99]
Trust
Nach Moorman et al. wird Vertrauen in eine Person als Bereitschaft, sich auf jemandem zu verlassen, definiert. Vertrauen wird als ein Glaube, ein Gefühl oder eine Erwartung jemanden gegenüber angesehen und resultiert aus Zuverlässigkeit, Kompetenz oder Absicht der jeweiligen Person.[100]
Nach Chu und Kim gilt Vertrauen als einer der wichtigsten Einflussfaktoren in sozialen...