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Das Prinzip Mütterlichkeit - geschlechterübergreifende soziale Ressource

Gegenstandstheoretische und handlungsorientierte Perspektiven

AutorIsabella Heidinger
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl268 Seiten
ISBN9783531924014
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,96 EUR
Vorwort Vorwort Ein Buch über Mütterlichkeit und ein Aufruf zum Perspektiven- und Pa- digmenwechsel. Kann das gutgehen? Von vielen Seiten gab es Bedenken: Dieses Thema ist vergangenheitsbelastet, für junge Leute schon gar nicht interessant - ein Thema, bei dem höchstens Beifall von der falschen Seite zu erwarten wäre und das in kurzer Zeit in der öffentlichen Diskussion zwischen Fronten geriete und dabei unterginge. Die Warnungen und Argumente waren ein Indiz für mich dafür, dass das Thema 'Mütterlichkeit' höchst emotional besetzt und vielleicht sogar tabuisiert ist. Sie haben mich eher noch darin bestärkt, dass es sinnvoll ist, an die Arbeit zu gehen. Es geht um eine Verwandlung. Das alte Prinzip Mütterlichkeit soll in eine neue zukunftsfähige, wertgeschätzte Qualität transformiert werden. Eine Tra- formation, die uns alle angeht: Männer und Frauen! Mütterlichkeit ist eine ko- bare existenzielle menschliche Qualität, auf die wir alle unser ganzes Leben lang angewiesen sind, das wird zu belegen sein. Noch ist in Deutschland Mütterlichkeit altmodisch, anstrengend und - attraktiv. Warum ist das so? Im Verlauf von zwei Jahrzehnten Mütterberatung und Miterleben als Mutter mit Müttern habe ich entdeckt, dass sich ein roter Faden durch all die individuellen persönlichen Mutterbiografien zieht. Diesen roten Faden galt es, sichtbar zu machen, ihn zu reflektieren. Erstes Motiv für die Dissertation - Grundlage für das Buch, das Sie jetzt in der Hand halten - war es, heraus zu finden, welches die Ursachen für die zunehmende Unsicherheit sowie das mangelnde Selbstbewusstsein von Müttern sind und wie das zu ändern wäre.

Dr. Isabella Heidinger arbeitet freiberuflich als Unternehmensberaterin und Elterncoach, verantwortet bei Weleda AG Schwäbisch Gmünd das Programm 'Beruf und Familie' und ist als Erziehungswissenschaftlerin mit dem Forschungsschwerpunkt 'Entwicklung einer Kultur der Fürsorglichkeit' tätig.

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Leseprobe
7 Elternbildung (S. 192-193)

Im Folgenden sollen Aspekte der Situation der Elternbildung- und beratung sowie einige Ansätze dargestellt werden. Daran schließt die Darstellung und Begründung des handlungsorientierten Ansatzes „Reflexive Elternbildung“ als ein Instrument und Prozess zur Entwicklung von kritischem transitivem Bewusstsein (Freire) für die soziale Ressource „Mütterlichkeit“ und zur Stärkung von Elternkompetenzen an. 7.1 Elternbildung – ein Randthema der Erziehungswissenschaft

7.1 Elternbildung – ein Randthema der Erziehungswissenschaft

Der Sozialphilosoph Theodor W. Adorno hat bereits in der 50er Jahren eine „Erziehung der Erzieher“ gefordert (vgl. Adorno, 1971). Diese Forderung blieb weitgehend unbeachtet. Elternbildung war bisher in der Erziehungswissenschaft ein kaum beachtetes Randthema. Der Fokus lag hauptsächlich auf der öffentlichen Erziehung der Kinder. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen findet Kindererziehung bis heute hauptsächlich im geschützten Rahmen der Familie statt.

Die Erziehungshoheit der Eltern ist von solch fundamentalem Wert in unserer Gesellschaft, dass sie im Grundgesetz gesichert und geregelt ist (Artikel 6, Abs. 2). Der Schutz von Kindern vor staatlicher Einmischung nach den fatalen Erfahrungen im Dritten Reich ist sicherlich ein Aspekt dieses deutschen Wegs, der m. E. dazu beigetragen hat, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als Privatsache betrachtet wurde. Hinzu kommt, dass die Modernisierung der Gesellschaft als Entwicklung und Bewegung, welche die öffentlichen Räume gestaltete, vor den Türen der Familien haltgemacht hat. Beck (1996) beschreibt diesen Umstand als „halbmodern“ (ebd., S. 56).

Wir leben in einer Gesellschaft, in deren Architektur moderne Elemente mit Elementen einer Gegenmoderne kombiniert werden. Kaufmann (1995) beschreibt dieses Phänomen als einen „Strukturbruch“ der Moderne, der es ermöglicht hat, dass die Errungenschaften des modernen gesellschaftlichen Lebens, die sich auf fast alle anderen Lebensbereiche ausgewirkt haben, im Leben der Familien jedoch nur bruchstückhaft wirksam wurden.

Jahrhundertelang konnten Eltern ihr Erziehungsverhalten an der Nachahmung anderer Erwachsener orientieren. Die Tradition sicherte die Qualität der Erziehung. Kinder erziehen war ins Alltagsleben integriert. Es gab also wenig Veranlassung für die öffentliche Hand, bzw. die von ihr finanzierte erziehungswissenschaftliche Forschung, Erziehung in der Familie zum Gegenstand von Reflexion zu machen. Heute ist das anders. Zum einen gibt es in den einzelnen Generationen immer weniger ältere Geschwister, Onkel und Tanten, die als Vorbilder für junge Eltern fungieren könnten.

Doch selbst wenn Vorbilder existieren, werden sie immer weniger in Anspruch genommen, was sich im Phänomen der Enttraditionalisierung zeigt. Aus der ursprünglich quasi naturwüchsigen Kindererziehung ist eine „Spezialdisziplin“ geworden und die dazu nötigen Kompetenzen können nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden. Hier spielt auch der gesellschaftliche Prozess der Individualisierung eine Rolle (vgl. Kap. 3.2.4). Früher war es die Hauptaufgabe von Erziehung, die Kinder an die Gruppe anzupassen, sie zu gehorsamen, leistungsbereiten Bürgern zu erziehen. Heute ist die Aufgabe der Eltern wesentlich komplexer. Neben Gruppenanpassung kommt die Aufgabe hinzu, dem Kind zur Entfaltung seiner Individualität zu verhelfen.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung5
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort9
Einleitung11
I. Erkenntnistheoretische Grundlagen15
1 Konstruktivismus16
1.1 Der Konstruktivismus von Maturana und Varela16
1.2 Pädagogischer Konstruktivismus19
1.3 Konstruktivistische Erwachsenenbildung22
2 Aspekte zum Selbstverständnis als Wissenschaftlerin25
II. Gegenstandstheoretische Grundlagen27
3 Kind und Kindheit328
3.1 Das Kind29
3.1.1 Menschliche Basisbedürfnisse30
Maslows Motivationstheorie30
Der Wille zum Sinn bei Frankl32
Autonomie und Verbundenheit35
3.1.2 Weitere anthropologische Aspekte37
3.1.3 Das Kind als Wesen in Entwicklung39
3.1.4 Psychologische und ethologische Aspekte – Die Bindungstheorie vonBowlby und Ainsworth40
Entwicklung von Bindung44
Die Qualität der Bindungsmuster45
Bindung und soziale Entwicklung45
Bindungs- und Explorationsverhalten47
Zusammenfassende Bemerkungen zur Bindungstheorie48
3.1.5 Weitere intrapersonale Aspekte49
3.2 Kindheit51
3.2.1 Kindheit als Konstrukt52
3.2.2 Kindheit im Spiegel der Politik53
Zehnter Kinder- und Jugendbericht54
Elfter Kinder- und Jugendbericht55
Zwölfter Kinder- und Jugendbericht56
3.2.3 „Kindheit“ im Spiegel der Medien58
3.2.4 Soziologische Aspekte60
Individualisierung60
Überlegungen zur Schattenseite des Individualisierungsprozesses63
3.3 Schlussfolgerungen67
4 Sozialisation und Erziehung4 Sozialisation68
4.1 Sozialisation68
4.1.1 Klärung des Begriffs „Sozialisation“68
Sozialisation ist somit nach Ulich70
4.1.2 „Die Ökologie der menschlichen Entwicklung“ von Bronfenbrenner70
4.1.3 Erweiterung – Das bio-psycho-sozial-spirituelle Entwicklungsmodell72
4.2 Erziehung73
5 Familienleben77
5.1 Definitionen von „Familie“78
5.2 Wozu braucht das Kind „Familie“?83
5.3 Eigener Definitionsvorschlag für den Begriff „Familie“85
5.4 Familie als soziales Konstrukt86
5.4.1 Stellung der Familie in der Gesellschaft87
5.4.2 Familie im Wandel89
Kaufmann widerspricht der Krisentheorie.93
5.5 Überlegungen zu Strategien für die „Familie der Zukunft“97
5.5.1 Familienberichte97
Der Fünfte Familienbericht97
Der Siebte Familienbericht99
5.5.2 Weitere Aspekte zu Strategien für die „Familie der Zukunft“102
5.6 Schlussfolgerungen106
6 Annäherung an den Themenkomplex „Mutter“108
6.1 Gender-Aspekte zum Thema „Eltern – Mutter – Vater“108
6.2 Definition und Differenzierung des „Komplex M“115
Mutterschaft117
„Mutter-Sein“118
Mütterlichkeit118
6.3 „Mutter-Sein“ im Wandel der Zeit119
6.3.1 „Mutter-Sein“ in vorindustrieller Zeit bis ins 18. Jahrhundert120
6.3.2 „Mutter-Sein“ im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts122
6.3.3 Mutterkult im deutschen Nationalsozialismus127
6.3.4 „Mutter-Sein“ im 20. Jahrhundert130
6.3.5 „Mutter-Sein“ im 21. Jahrhundert140
6.4 Theoretische und handlungsorientierte Ansätze im 20. und 21.Jahrhundert im Kontext von „Muttersein“141
6.4.1 Beck-Gernsheims Forderung nach „Vermenschlichung“ der weiblichenWerte141
6.4.2 Rerrichs arbeitswissenschaftlicher Ansatz142
6.4.3 Pasquales Ansatz zur „Mutterarbeit“143
Die professionalisierte Mutter144
Die verberuflichte Mutter145
Die hausfrauisierte Mutter145
6.4.4 Sichtermanns „Deprofessionalisierung“ und „Reverhäuslichung“ derfamiliären Aufgaben147
6.4.5 Benhabibs „Postmetaphysischer Universalismus“149
6.4.6 Liegles „Freie Assoziationen“153
6.4.7 Leipert/Opielkas Erziehungsgehalt 2000154
6.5 Überlegungen zum Phänomen „Mutterliebe“156
6.5.1 Historische Aspekte des Begriffs „Mutterliebe“157
6.5.2 „Mutterliebe“ im gesellschaftlichen Diskurs159
„Mutterliebe“ in der Wissenschaft159
„Mutterliebe“ in der Literatur160
„Mutterliebe“ in der öffentlichen Kommunikation166
6.6 Der „Komplex M“– eine Analyse167
6.6.1 Die Kategorie „cultural lag“ bei Ogburn167
6.6.2 Die Kategorie „Strukturbruch“ bei Kaufmann168
6.6.3 Die Kategorie „Reflexive Modernisierung“ bei Beck169
6.6.4 Anwendung der Kategorien „cultural lag“, „Strukturbruch“ und„Reflexive Modernisierung“ im Rahmen der Analyse172
6.6.5 Gründe für den „cultural lag“ bezüglich „Frau-Sein“ und „Mutter-Sein“178
6.6.6 Auswirkungen des „cultural lag“180
6.7 Eigener Lösungsansatz: Gesellschaftliche „Wiederbelebung“des „Komplex M“184
6.7.1 Option für den Bereich „Mutterschaft“186
6.7.2 Optionen für den Bereich „Mütterlichkeit“186
Konstruktion eines zeitgemäßen Mutterbildes187
Versuch einer modifizierten Definition des Begriffs „Mütterlichkeit“187
6.7.3 Optionen für den Bereich „Mutter-Sein“189
III. Handlungsorientierter Ansatz191
7 Elternbildung192
7.1 Elternbildung – ein Randthema der Erziehungswissenschaft192
7.2 Elternbildung als erwachsenenpädagogische Aufgabe194
7.3 Zur Situation von Beratung und Bildung für Eltern in Deutschland198
7.3.1 Abgrenzung zwischen Beratung und Bildung200
7.3.2 Zur aktuellen Situation der Elternbildung im Rahmen derErziehunsberatungsstellen202
7.3.3 Innovationen in Einrichtungen der Familienbildung206
7.4 Reflexive Elternbildung209
7.4.1 Relevante Konzeptionen214
Freires „Pädagogik der Unterdrückten“214
Kurzbiografie Freires214
Erkenntnistheoretische Wurzeln der Freireschen Pädagogik216
Das Menschenbild bei Paulo Freire217
Freires Erziehungsziel220
Der Bildungsbegriff bei Freire220
Freires pädagogische Konzeption221
Bewertung223
Kultur des Schweigens“225
Bewusstsein225
Dialog226
Einheit von Aktion und Reflexion226
Methodik227
Bubers dialogisches Prinzip227
Das Grundwort Ich-Du228
Das Grundwort Ich-Es229
Bewertung233
7.4.2 Konzept „Reflexive Elternbildung“235
Ziele der „Reflexiven Elternbildung“235
Struktur der „Reflexiven Elternbildung“235
Bezug der Strukturelemente der „Reflexiven Elternbildung“ auf die relevantenKonzeptionen238
7.4.3 Didaktische Reflexion aus systemisch-konstruktivistischer Sicht240
Zielgruppenorientierung241
Teilnehmerorientierung241
Selbstgesteuertes Lernen242
Deutungsmusteransatz243
Sprache244
Perspektivverschränkung244
Inhaltlichkeit245
Metakognition245
Handlungsrelevanz245
Humor246
7.4.4 Kritisch resümierende Reflexion des Konzepts „Reflexive Elternbildung“247
Resümee und Ausblick253
Literaturverzeichnis258
Internetquellen266
Zeitschriften268

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