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Das Private in der Politik

Politiker-Homestories in der deutschen Unterhaltungspresse

AutorTina Rohowski
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl163 Seiten
ISBN9783531918709
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die vorliegende Studie stellte die Frage, wie sich die Berichterstattung über das Privatleben von Politikern in Deutschland verändert hat. Im Mittelpunkt stand dabei die auch als 'Privatisierungsthese' geläufige Annahme, politische Akteure präsentierten diese Sphäre immer offener in den Medien. Um zu entscheiden, ob die These zutreffend ist oder zurückgewiesen werden muss, wählte die Arbeit einen bestimmten Artikeltyp - so genannte Homestories - als Untersuchun- einheiten aus, an denen sich Veränderungen im Zeitverlauf verfolgen ließen. Im quantitativen Teil der Studie konnte gezeigt werden, dass das Publikum zum einen tatsächlich immer häufiger private Einblicke erhielt: Im Analy- zeitraum, von den ersten Abdrucken 1957 bis ins Jahr 2007, nahm die Zahl der veröffentlichten Politiker-Homestories zu. Ebenso wurde in den Artikel über immer mehr Bereiche des Privatlebens berichtet - was als fortschreitende 'In- misierung' der Zeitschrifteninhalte gedeutet werden kann. Ähnlich interpretieren lässt sich auch die beobachtete Zunahme der 'Umfeld-Homestories', die einz- ne Personen aus dem persönlichen Umfeld des Politikers näher vorstellt und damit den Fokus immer stärker ins Privatleben hinein verschiebt. Andere Unterhypothesen der Studie lassen sich hingegen nicht aufrecht - halten. So bestätigte sich die Annahme, dass die Berichte selbst immer umfa- reicher werden, nicht voll: Zwar nahm die Wörterzahl der Artikel im Zeitverlauf leicht zu, die Anzahl der von ihnen eingenommenen Seiten blieb pro Bericht aber fast gleich. Auch die Zahl der abgedruckten Fotos, bei denen private oder offizielle Motive unterschieden wurden, stützt die Privatisierungsthese nicht.

Tina Rohowski studierte Publizistik, Politikwissenschaft und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Sie ist als Journalistin unter anderem für 'Die Zeit', 'Zeit Campus' und den 'Tagesspiegel' tätig.

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Leseprobe
2 Das Verhältnis von Massenmedien und Politik (S. 15)

2.1 Paradigmen zum Verhältnis von Massenmedien und Politik

In der Publizistikwissenschaft haben sich vier Ansätze herausgebildet, die das Verhältnis von Politik und ihrer massenmedialen Vermittlung beschreiben (vgl. Katschura 2005, S.7-10). Diese vier Paradigmen werden von den Fragen geleitet: Welche Interessen verbinden Politik und Massenmedien, und wer instrumentalisiert dabei wen? Welches System befindet sich folglich in wessen Abhängigkeit?

Das Gewaltenteilungsparadigma sieht Politik und Massenmedien als voneinander unabhängige Teilsysteme der modernen Gesellschaft. Heute seien, heißt es, die Fragen öffentlichen Interesses fast nur noch massenmedial verhandelbar, da der Großteil des Publikums seine politischen Informationen aus den Medien beziehe.

Diese unterrichten im Idealfall die Bürger über alle Prozesse, die jeder kennen sollte, um sich einen politischen Willen herauszubilden. Den Medien komme zudem die Funktion einer „Vierten Gewalt“ zu, die nicht nur für die Vermittlung, sondern auch für Kontrolle und Kritik der Politik zuständig ist.

Ferner übernehme das Teilsystem Medien auch Leistungen für das Teilsystem Politik, indem es die politischen Akteure über die gesellschaftliche Realität und die öffentliche Meinung informiert und so Grundlagen für politische Entscheidungen liefert (vgl. Gerhards/ Neidhardt 1993, S.55-67, vgl. Olhausen 2005, S.19f.).

Insgesamt jedoch befinden sich Massenmedien und Politik, dem Paradigma der Gewaltenteilung zufolge, in einem „distanzierten Verhältnis“ (Katschura 2005, S.8). Das Instrumentalisierungsparadigma geht dagegen von einer Übermacht der Politik aus. Sie nutze die Massenmedien für ihre Zwecke und versuche, über kommunikationspolitische Eingriffe die Autonomie der Medien einzugrenzen: Über eine „generalstabsmäßig geplante Instrumentalisierung“ und die „Optimalisierung politischer Selbstdarstellung“ (Kamps 2002, S.103) wolle man eigene Botschaften durchsetzen.

Politische Akteure begnügten sich demnach „nicht mehr mit einer passiven Rolle des politisch Tätigen“, die es den Journalisten überlasse, Inhalte oder Personen der potentiellen Wählerschaft nahe zu bringen. Stattdessen greife nun die Politik „nach der Definitionsmacht im Stimmengewirr“ (ebd., S.104).

Ein Machtverhältnis mit umgekehrten Vorzeichen beschreibt wiederum das Dependenzparadigma. Es konstatiert eine Machtverschiebung von der Parteien- zur Mediendemokratie, die es den Massenmedien ermögliche, die Politik zu unterwerfen und ihrerseits zu instrumentalisieren. Diese Dominanz der Massenmedien wird auch als „Mediatisierung“, „Medialisierung“ oder „Kolonialisierung der Politik“ diskutiert (vgl. Meyer 2001, Macho 1998).

Demnach geben die Massenmedien die Regeln für jede Form öffentlicher Darstellung vor: Was oder wer wird thematisiert? Unter welchen Bedingungen wird mediale Aufmerksamkeit zugewendet? Für die Politik gelten somit Medienzwänge – seien es technische Notwendigkeiten, dramaturgische Kniffe oder Anforderungen an das Äußerliche.

Politiker befänden sich, so die weit verbreitete Klage unter Vertretern verschiedener Parteien, „in den Fesseln der Mediengesellschaft“ (Hoffmann-Riem 2000). Journalisten berichten „nicht mehr über das Geschehene“, sondern entscheiden selbst, „was, wann, wie geschehen ist“, urteilt etwa der ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer und Kampagnenleiter Matthias Machnig (2002, S.148). Die Politik könne auf all das nur reagieren und betreibe Medienarbeit als eine Art Notwehr.

Der vierte Ansatz spricht von einer gegenseitigen Abhängigkeit, die zwischen Medien und Politik bestehe. Dieses Interdependenzparadigma sieht in dem Verhältnis eine „Tauschbeziehung“ oder gar eine „Symbiose“ (Katschura 2005, S.10). Journalisten wollen Informationen, Bilder, Zitatschnipsel – kurz: publikumswirksame Inhalte – von den Politikern.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis9
1 Einleitung: Das Private in der Politik – eine öffentliche Debatte11
2 Das Verhältnis von Massenmedien und Politik14
2.1 Paradigmen zum Verhältnis von Massenmedien und Politik14
2.2 Trends der politischen Kommunikation in Deutschland16
3 Das Private in der politischen Kommunikation21
3.1 Privatisierung als zeithistorisches Phänomen21
3.2 Privatisierung als rationale Strategie24
3.2.1 Prominenzgewinn24
3.2.2 Vermenschlichung27
3.2.3 Wählerbindung28
3.2.4 Vereinfachung, Ökonomisierung und Positivierung30
3.3 Privatisierung als normatives Problem31
3.4 Zwischenfazit aus der Literaturdiskussion36
3.5 Quantitative Inhaltsanalysen zum Forschungsgegenstand37
3.5.1 Die britische Qualitätspresse37
3.5.2 Die niederländische Boulevardpresse40
3.5.3 Deutsche und niederländische Talkshows42
3.6 Zusammenfassung der Forschungsdefizite44
4 Empirische Untersuchung47
4.1 Zentrale Hypothesen und Forschungsfragen47
4.2 Forschungsmethode48
4.3 Untersuchte Medien, Analysezeitraum und Materialbeschaffung50
4.4 Operationalisierung54
4.4.1 Codebuch54
4.4.2 Definition der Politiker-Homestory56
4.4.3 Formale Kategorien59
4.4.4 Thematische Merkmale der Artikel61
4.4.5 Akteursorientierte Merkmale der Artikel67
5 Ergebnisse und Interpretation69
5.1 Merkmale der Grundgesamtheit69
5.2 Die zunehmende Präsenz des Privaten72
5.2.1 Häufigkeit und Umfang der Homestories72
5.2.2 Thematische Merkmale der Artikel83
5.2.3 Bebilderung91
5.3 Protagonisten der Homestories94
5.3.1 Status der dargestellten Politiker94
5.3.2 „Umfeld-Homestories“95
5.3.3 Geschlechterspezifische Darstellung97
6 Qualitative Auswertung101
6.1 „So haben Sie Helmut Kohl noch nie gesehen!“ – Homestories und ihre Versprechen an den Leser101
6.2 „Als wär’ der Fotograf nicht da“ – Homestories und ihr Verhältnis zur Inszenierung105
6.3 „So lebt der König von Sachsen heute“ – die Homestory als Hofbericht107
6.4 „Wir sind eine ganz normale Familie geblieben“ – der Politiker als Durchschnittsbürger110
6.5 „Was tun Sie denn ganz privat für die Umwelt?“ – Homestories und ihre politischen Inhalte113
6.6 „Ich will nicht, dass das private Glück zu einer öffentlichen Schau verkitscht wird“ – eine Metadiskussion117
7 Zusammenfassung und Ausblick120
8 Literaturverzeichnis124
Anhang I129
Codebuch129
Anhang II145
Quellennachweise zum Untersuchungsmaterial145
Untersuchungsmaterial aus dem Stern145
Untersuchungsmaterial aus der Bunten148

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