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E-Book

Der große Trip zu dir selbst

Ungeschminkter Rat für die Liebe, das Leben und andere Katastrophen

AutorCheryl Strayed
VerlagKailash
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783641186791
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das neue Buch von Cheryl Strayed - Autorin des Nr.-1-Bestsellers »Wild - Der große Trip«
Cheryl Strayed begeisterte Millionen Menschen mit ihrem Weltbestseller »Der große Trip«. Doch wir brauchen uns nicht in die Wildnis zu begeben, um uns selbst zu finden, das Leben fordert uns jeden Tag heraus: Wir verlieren einen geliebten Menschen, werden betrogen, können Rechnungen nicht bezahlen. Oder: Wir ergattern den Traumjob, haben den besten Sex unseres Lebens, schreiben die erste Zeile unseres Romans. Cheryl Strayed beantwortete jahrelang Fragen von Online-Lesern zu Liebe, Sex, Freundschaft, Arbeit und Sinn. Dieses Buch versammelt das Herzstück ihrer Ratschläge zum Selbstfindungsabenteuer Leben - unverblümt, offen, mitfühlend und herzzerreißend ehrlich.

Cheryl Strayed, geboren 1968, veröffentlichte nach ihrem Studium der Literatur zahlreiche Beiträge in der New York Times, Washington Post, Vogue und anderen Medien. Ihr biografisches Buch »Wild - Der große Trip« avancierte zu einem beispiellosen Erfolg in den USA und stand auch in Deutschland auf Rang 1 der Bestsellerliste. Von und mit Reese Witherspoon wurde es auch erfolgreich verfilmt. Cheryl Strayed lebt mit ihrem Mann, dem Filmemacher Brian Lindstrom, und ihren beiden Kindern in Portland, Oregon.

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Leseprobe

Wie man sich befreit

Hallo, Cheryl!

Vor ungefähr eineinhalb Jahren wurde ich schwanger. Obwohl uns diese Entscheidung selbst überraschte, entschlossen sich mein Freund und ich, das Baby zu behalten. Die Schwangerschaft war zwar nicht geplant, aber wir freuten uns trotzdem darauf, Eltern zu werden. Das Baby war ein echtes Wunschkind. Im sechsten Monat hatte ich eine Fehlgeburt. Seitdem komme ich morgens nur mit Mühe aus dem Bett.

Kein Tag vergeht, an dem ich nicht darüber nachdenke, was aus dem Kind hätte werden können. Es war ein Mädchen. Sie hatte einen Namen. Jeden Morgen wache ich auf und denke: »Meine Tochter wäre jetzt sechs Monate alt«, oder: »Meine Tochter wäre womöglich heute zum ersten Mal gekrabbelt.« Manchmal kreist immer nur das Wort »Tochter« durch meinen Kopf, wieder und wieder.

Es kommt mir vor, als wären um mich herum alle schwanger, und überall, wohin ich gehe, sehe ich nur noch Babys. Ich muss mich dazu zwingen, mich für die anderen zu freuen, und meine wahren Gefühle verdrängen. Ehrlich gesagt fühle ich überhaupt nicht mehr viel, und doch tut mir alles weh. Die meisten Menschen in meinem Umfeld erwarten, dass ich inzwischen über meine Trauer hinweg bin. Wie einer von ihnen es ausdrückte: »Es war ja schließlich nur eine Fehlgeburt.« Jetzt habe ich also auch noch ein schlechtes Gewissen, weil ich mich so festgefahren habe und viel zu lange um ein Kind trauere, das nie gelebt hat.

Ich spreche nicht viel darüber. Ich tue so, als wäre es nie passiert. Ich gehe zur Arbeit, vertreibe mir irgendwie die Zeit und lächle und benehme mich, als wäre alles in Ordnung. Mein Freund ist mir eine große Stütze, auch wenn ich nicht glaube, dass er begreift, wie schlecht es mir geht. Er möchte, dass wir heiraten und es noch mal mit einem Kind versuchen. Er denkt, das würde mich aufmuntern. Aber das tut es nicht. Vielmehr ist mir danach, auf ihn einzuschlagen, weil er nicht so fühlt wie ich.

Dann geht es auch noch darum, aus welchem Grund ich das Baby verloren habe. Der Arzt im Krankenhaus sagte, das sei kein Wunder, schließlich hätte ich wegen meines Übergewichts eine Risikoschwangerschaft gehabt. Es war ein ziemlicher Hammer, sich anhören zu müssen, dass die Fehlgeburt meine Schuld war. Eigentlich finde ich, dass der Arzt sich wie ein echtes Arschloch benommen hat, und dann wieder denke ich: »Vielleicht hatte er ja recht.« Der Gedanke, dass es meine Schuld gewesen ist, dass ich mir die Fehlgeburt selbst zuzuschreiben habe, macht mich wahnsinnig. Manchmal kriege ich keine Luft, so schuldig fühle ich mich. Als ich aus dem Krankenhaus kam, habe ich mir einen Personal Trainer genommen, eine Diät angefangen und auch abgenommen, aber inzwischen habe ich mich überhaupt nicht mehr im Griff. Manchmal esse ich tagelang gar nichts, und dann wieder stopfe ich alles in mich hinein, was mir in die Finger kommt, und erbreche es gleich wieder. Ich verbringe Stunden auf dem Laufband im Fitnessstudio, bis meine Beine schlappmachen.

Meine Familie und Freunde denken, mit mir wäre alles im Lot, Cheryl, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Mein einziger Gedanke ist, dass ich alles vermasselt habe. Ich fühle mich von allem und jedem überfordert. Mein Verstand sagt mir, dass ich mir ernsthaft schaden werde, wenn ich mich nicht zusammenreiße. Ich weiß das, und trotzdem ist es mir völlig egal.

Ich möchte nicht, dass mir alles egal ist. Ich möchte mich nicht mehr so schuldig fühlen; mich nicht mehr fühlen, als hätte ich mein Baby getötet.

Meine Tochter, sie hatte einen Namen. Sie wurde geliebt. Ich komme mir vor, als wäre ich die Einzige, die das kümmert. Dann wieder fühle ich mich beschissen, weil ich nach fast einem Jahr immer noch solche Trauer empfinde für »nur eine Fehlgeburt«. Ich komme keinen Schritt voran.

Gruß von einer, die sich festgefahren hat

Hallo, Festgefahrene!

Es tut mir so leid, dass deine kleine Tochter gestorben ist. So unendlich leid. Ich kann deinen Schmerz so deutlich nachempfinden, wenn ich deine Zeilen lese.

Dein Schmerz war zu erwarten. Es muss so sein. Auch wenn wir in einer Zeit und einer Gesellschaft leben, die uns etwas anderes weismachen will, müssen wir leiden, wenn uns etwas wirklich Furchtbares zustößt.

Hör nicht auf die, die dir einreden wollen, du müsstest inzwischen über den Tod deiner Tochter »hinweg« sein. Die Menschen, die den Mund am weitesten aufreißen, mussten in der Regel nie selbst über irgendetwas hinwegkommen. Zumindest über nichts, das mit wirklich rasender, alles zermalmender Wucht das Leben aus den Angeln hebt. Manche von diesen Leuten glauben, sie würden dir helfen, indem sie deinen Schmerz kleinreden. Andere sind erschrocken über das Ausmaß deiner Trauer und wollen sie deshalb mit ihren Worten aus der Welt schaffen. Viele von diesen Menschen lieben dich und haben auch deine Liebe verdient, aber sie können dir nicht helfen, den Schmerz über den Tod deiner Tochter zu heilen.

Sie leben auf dem Planeten Erde. Du lebst auf dem Planeten Mein-Baby-ist-tot.

Du scheinst dich mutterseelenallein zu fühlen. Das bist du nicht. Es lesen gerade Frauen diese Zeilen mit Tränen in den Augen. Es gibt Frauen, die ihre Tage damit verbracht haben, lautlos Tochter, Tochter oder Sohn, Sohn vor sich hinzusummen. Frauen, die insgeheim entsetzliche Qualen ausstehen, weil sie etwas getan oder nicht getan haben, das sie für den Tod ihrer Babys verantwortlich machen. Du musst diese Frauen ausfindig machen. Sie sind deine Familie.

Ich weiß das, denn ich habe selbst schon auf einigen Planeten gelebt, die nicht Erde hießen.

Die heilende Kraft schon des allerkleinsten Austauschs mit einer Frau, die auf Anhieb versteht, wovon du redest, weil sie das Gleiche durchgemacht hat, kann man nicht hoch genug einschätzen. Erkundige dich bei den Krankenhäusern und Geburtshäusern in deiner Nähe nach Selbsthilfegruppen für Menschen, die bei, vor oder kurz nach der Geburt ein Baby verloren haben. Such dir eine Online-Community, wo du dich mit Leuten austauschen kannst, ohne dich irgendwie verstellen zu müssen.

Und hör auch auf, deinem netten Freund etwas vorzumachen. Sag ihm ruhig, dass du am liebsten auf ihn einschlagen möchtest, und erkläre ihm ganz genau, wieso. Frag ihn, was er zum Tod eurer Tochter zu sagen hat, und lass dir so verständnisvoll wie möglich von seinen Gefühlen und Erfahrungen erzählen, ohne sie an deinen eigenen zu messen. Ich glaube, du solltest auch einen Therapeuten aufsuchen – sowohl allein als auch zusammen mit deinem Partner. Ich rate dir dringend, heute noch einen Termin zu vereinbaren. Ein Therapeut wird dir helfen, die vielschichtige Trauer, die du so fest in dir verschlossen hältst, auszusprechen und von allen Seiten zu beleuchten. Er (oder sie) wird dir außerdem helfen, mit deiner (vermutlich situationsbedingten) Depression umzugehen.

Auf diese Weise kannst du dich befreien. Du streckst die Hand aus und blickst nach vorn. Nicht, um dich von der Tochter zu entfernen, die du geliebt hast, sondern damit du dein Leben leben kannst – das den traurigen Verlust deiner Tochter mit einschließt, aber nicht davon ausgebremst wird. Ein Leben, das dich am Ende an einen Ort führt, an dem du nicht nur um sie trauerst, sondern dich auch freust, dass du sie lieben durftest. Dieser Ort echter Heilung ist ein stürmischer Ort. Es ist ein gigantischer Ort. Ein Ort ungeheuerlicher Schönheit und endloser Düsternis und schimmernden Lichts. Und du musst sehr, sehr, sehr hart daran arbeiten, dorthin zu gelangen, aber du kannst es schaffen. Du bist eine Frau, die so weit kommen kann. Das weiß ich. Deine Befähigung dafür spricht zu mir aus jedem Wort deines hell leuchtenden Sterns, als den ich deinen Brief betrachte.

Der Hallo, Cheryl-Blog ist manchmal ganz schön belastend. Er macht mir Spaß, er fasziniert und interessiert mich, aber von Zeit zu Zeit nistet sich eine der an mich gerichteten Fragen in meinem Kopf ein, so, wie es mir mit Figuren oder Szenen aus meinen anderen Texten geht, und ich werde sie nicht mehr los. Ich beantworte die Frage, aber da ist noch etwas, ich weiß es, und ich kann meine Antwort erst abschließen, wenn ich herausgefunden habe, was es ist. Ich spüre es, so, wie die Prinzessin unter zwanzig Matratzen und zwanzig Federbetten die Erbse spürt. Solange sie nicht weg ist, finde ich keine Ruhe. So ist es auch mit deiner Frage, meine Liebe. Und obwohl es sehr wichtig ist, dass du dir Gleichgesinnte suchst, mit deinem Freund redest und einen Therapeuten aufsuchst, gibt es da etwas noch Wichtigeres, was ich dir mit auf den Weg geben muss, und das ist Folgendes.

Vor einigen Jahren arbeitete ich in einer Mittelschule mit Mädchen, die so gerade eben im Teenageralter waren. Die meisten waren weiße Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen in der siebten oder achten Klasse. Keine einzige hatte einen Vater im herkömmlichen Sinn. Die waren entweder unbekannt, im Gefängnis, drogenabhängig oder vergriffen sich an ihren Töchtern. Ihre Mütter waren junge, misshandelte oder missbrauchte, von Drogen und Alkohol gezeichnete Frauen, die häufig ihrerseits misshandelten. Die etwa zwanzig Mädchen, die mir als Gruppe und auch einzeln zugeteilt waren, wurden vom Lehrerkollegium der Schule als »hochgradig gefährdet« eingestuft.

Meine Berufsbezeichnung lautete Jugendarbeiterin. Meine Herangehensweise war vorbehaltloses Verständnis. Mein Auftrag war, den jungen Mädchen zu helfen, ihr Leben in den Griff zu kriegen, trotz des unsagbar...

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