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´... der Sprung is´ ja kaputt...´ - Eine Untersuchung zum Blackout-Phänomen im Trampolinturnen

Eine Untersuchung zum Blackout-Phänomen im Trampolinturnen

AutorThomas Springub
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2001
Seitenanzahl155 Seiten
ISBN9783638107334
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 1997 im Fachbereich Gesundheit - Sport - Bewegungs- und Trainingslehre, Note: 1, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Fachbereich Sport), Veranstaltung: 1. Staatsexamen, 53 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Trampolinturnen ist eine recht junge und seit kurzem auch olympische Sportart. Im Spitzenbereich gehören Dreifachsalti mit eingebauter Längsachsendrehung bereits zum Standard-Repertoire. Die Wettkampfübungen des Leistungssports bestehen aus zehn verschiedenen Sprüngen; Mehrfach-Vorwärts- und -Rückwärtssalti zumeist mit Mehrfach-Schrauben. Um auf zehn verschiedene und dennoch schwierig und ästhetisch wirkende Elemente zu kommen, muß der Springer die Bewegungen in unterschiedlicher Körperhaltung (gebückt, gestreckt, gehockt) und v.a. die Schrauben zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Bewegung turnen. Dennoch sehen die Sprünge für den Laien `irgendwie alle gleich´ aus, und so werden Spitzenspringer manchmal gefragt: 'Wie schaffst du das nur? Kommst du da nicht auch ´mal durcheinander?' Leider muss die Antwort mancher Athleten hierauf 'Ja' lauten. Plötzlich können Sprünge, die zuvor schon viele hundert Male geturnt wurden, nicht mehr abgesprungen werden. Nicht selten werden andere Sprünge geturnt, als der Athlet sich vorgenommen hatte (z. B. Salto mit zwei Schrauben, anstatt Schraubensalto). Oder die Bewegung beginnt normal, wird aber mittendrin abgebrochen. Manchmal kann ein Turner keine Ansprünge mehr machen, ohne ständig einen Salto rw zu turnen. In der Fachsprache des Trampolinturnens hat sich für diese Erscheinungen der Begriff Blackout durchgesetzt. Obwohl im englisch-amerikanischen Bereich auch der Begriff `Lost-Skill-Syndrome´ kursiert, bevorzuge ich in dieser Arbeit die Bezeichnung Blackout (BO) - nicht nur, weil er inoffiziell schon ein Fachbegriff ist, sondern auch weil mir für ein derart komplexes Thema dieser relativ offene Begriff angebrachter erscheint. Da nicht nur ich, sondern noch viele anderer Leistungssportler mit diesem Phänomen mehr oder weniger in Konflikt geraten sind und noch werden - einige geben deswegen den Sport sogar auf - und, weil es in der Literatur bislang so gut wie gar nicht behandelt wurde, möchte ich mich nun damit auseinandersetzen. Ich denke, daß es dringend notwendig ist, etwas Licht in das Dunkel des Blackout-Phänomens zu bringen, und daß der Schleier der Neurose von den Betroffenen genommen wird.

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Leseprobe

2. Das Phänomen des Blackout im Trampolinturnen


 

Bevor ich zu meiner Untersuchung komme, werde ich nun ihren Gegenstand genauer erläutern, wozu es jedoch notwendig ist, neben allgemeinen Erfahrungswerten und Einsichten aus anderen Untersuchungen (Grünbaum 1979 und Schmieder 1990), schon Erkenntnisse aus der Befragung einzubeziehen. Desweiteren soll in diesem Teil bereits im Vorhinein versucht werden, das Phänomen theoretisch einzugrenzen.

 

2.1 Definition und Schilderung


 

2.1.1 BLACKOUT


 

Was ist nun unter einem Blackout im Trampolinturnen zu verstehen? Zur Beantwortung dieser Frage, scheint es mir sinnvoll, die Herkunft dieses Wortes zu betrachten. Im Allgemeinen beschreibt der Begriff Blackout, neben anderen bereichsspezifischen Begebenheiten, einen „ plötzliche[n] kurze[n] Ausfall von Funktionen“ (Brockhaus Lexikon 1987) oder einen „plötzlich auftretenden kurz dauernden Verlust des Erinnerungsvermögens“ (Meyers Lexikon 1995). Während die Merkmale `Erinnerungslücke´ und `Funktionsverlust´ auch gut zum trampolinspezifischen `Blackout´-Begriff passen, möchte ich die Plötzlichkeit relativieren und die Kurzzeitigkeit völlig ablehnen.

 

 Die Bedeutung des Begriffes Blackout in der Trampolinsprache beinhaltet folgenden Umstand: Ein lange gekonnter Sprung kann (scheinbar plötzlich) nicht mehr geturnt werden. Mit `lange gekonnt´ ist nicht etwa `einige Tage´ oder `Wochen´ gemeint, denn „bei der Mehrheit erstreckt[..] sich der Beherrschungszeitraum über drei bis fünf Jahre [...]“ (Schmieder 1990, 66). Im Moment der Bewegungsausführung tut der Betroffene entweder etwas anderes als geplant, oder eine Handlung bleibt ganz aus. An Stelle eines Fliffis´ wird dann z.B. ein Doppelsalto vw, ein 2 ¾ Salto vw bzw. ein Fliffisrudi geturnt oder der Turner `verweigert´ den Absprung (s. Abb. 9). Ein Blackout im Trampolinturnen beginnt oft mit einem Sprung und breitet sich eventuell im Verlaufe der Zeit auf andere Sprünge aus (Erweiterung). Am häufigsten sind Sprünge betroffen, in denen sich Salto- und Schraubenrotationen überlagern. Dies sind v.a. Barani, Rudolf, Schraubensalto, Doppelschraube, sowie alle Mehrfachsalti mit Schrauben (Fliffis, Fliffisrudi, Triffis, Halb-ein-halb-aus, Halb-ein-rudi-aus, Voll-aus, Voll-ein-voll-aus, u.a.) (vgl. auch a.a.O., 108). Von einem wirklichen Blackout wird im Trampolinsport jedoch erst gesprochen, wenn das Handlungsproblem über einen gewissen Zeitraum besteht, der schwer zu bestimmen ist, m.E. allerdings eine Trainingseinheit übersteigen muß. Eine häufig auftretende und als Mittelwert anzugebende Dauer des Blackout-Problems gibt es nicht, denn die Spanne reicht von einer Woche bis zu mehreren Jahren bzw. immer, d.h. die Wiedererlernung der Bewegung(en) ist nicht immer gegeben.

 

 Da meine Untersuchung einen vorwiegend qualitativen Charakter haben wird, möchte ich an dieser Stelle zwei interessante Folgerungen aus einer quantitativ angelegten Untersuchung erwähnen. Obwohl die Arbeit von Schmieder (1990) auf Grund der zu geringen Zahl der Untersuchungsteilnehmer auch nicht als repräsentativ gelten kann, sind hier zwei Tendenzen ersichtlich. Erstens scheint die Blackoutanfälligkeit mit der Leistungsklasse (und eventuell auch mit dem Alter) zu steigen, und zweitens ist vermutlich der Blackout-Anteil unter männlichen Trampolinern größer als bei weiblichen (vgl. a.a.O., 45ff.).

 

 Es soll nun eine Definition erfolgen, die der Leser im Folgenden immer wieder bedenken sollte.

 

Definition; Blackout im Trampolinturnen

 

Ein Blackout liegt dann vor, wenn ein sicher und über einen längeren Zeitraum beherrschter Sprung gar nicht mehr, oder nur selten und/ oder qualitativ erheblich anders als zuvor ausgeführt werden kann. Die geplante Bewegungshandlung wird dann entweder unterlassen (`Verweigerung vor dem Absprung´), oder es werden ungeplante, oftmals ähnliche Handlungen ausgeführt (`Längenachsen-Hyperrotation´, `Breitenachsen-Hyperrotation´, `Unorthodoxes Abbrechen der geplanten Bewegung´, `Anspring-Problem´).

 

 

Abbildung 9: Korrekte (schwarz) und häufige fehlerhafte Ausführungen (grau) des Fliffis

 

2.1.2 Abgrenzung zu ähnlichen Erscheinungen


 

Während des Lernprozesses kommt es immer wieder zu stark mißlungenen Versuchen, die die gleiche Form haben können, wie Blackout-Bewegungen. Es ist deshalb aber noch nicht von einem wirklichen Blackout(-Problem) zu sprechen.

 

 `Fehlhandlungen´ sind zum Lernen unbedingt notwendig, denn nur durch die Erfahrung des Falschen kann das Richtige erkannt werden. Da ist es nicht verwunderlich, wenn auch mal ein Sprung `völlig daneben´ geht. Es passiert gelegentlich, daß ein Lernender die Schraube bei Fliffis (oder auch Schraubensalto) nicht schafft oder zu früh macht. Sehr häufig bleiben die Sich-Bewegenden während sie neue Elemente lernen auch einfach vor dem Absprung stehen, weil sie `sich nicht sicher waren, was zu tun war´. Desweiteren kann es vorkommen, daß man beim Lernen einer neuen Übung in Streß gerät und einen falschen Sprung an einer falschen Stelle turnt oder sogar `zwei Sprünge in einem´. Solange diese `normalen´ Lernprozeß-Fehler jedoch vom Trainer als solche erkannt und deshalb nicht hochstilisiert werden, bereiten sie keine sonderlichen Probleme. Erst wenn schwerwiegende Fehler sich in gleicher bzw. ähnlicher Weise mehrfach wiederholen, könnten dies erste Anzeichen eines Blackouts sein.

 

 Ein weiteres dem Blackout ähnliches Phänomen ist eine häufig vorhandene Schwierigkeit mit bestimmten Einzelsprüngen. Viele Springer können einige Bewegungen aus ihrem Repertoire nur als Folgesprung einer anderen Bewegung turnen. Typisch sind hierfür sind Barani, Rudolf, Schraubensalto, Fliffis, Halb-ein-halb-aus, u.a..[42] Wenn der Turner eigentlich abspringen will (ohne Vorsprung), unterbleibt die Handlung, da der Bewegungseinstieg nicht präsent ist. Lapidar ausgedrückt möchte ich dieses Phänomen als Gewohnheit bezeichnen, die zumeist dadurch entstanden ist, daß der Turner den betroffenen Sprung bereits im Lernprozeß (manchmal aber auch erst später) überwiegend bzw. nur als Folgesprung geübt hat. Vermutlich ist hier das Bewegungsengramm so stark an die spezifische Situation (aus einer bestimmten Rotationsbewegung kommend) gebunden worden, daß es in der Situation ohne Rotationsbewegung nur schwer zur Anwendung kommen kann (s. auch 1.2.5.3).

 

 Ich bin davon überzeugt, daß dieses Problem sich bei einer starken inneren Bereitschaft und eventuell (unaufwendigen) Trainingsmaßnahmen wie Sicherheitsvorkehrungen o.ä. - näher kann ich darauf hier aus Platzgründen nicht eigehen - von selber löst. Da die Bewegungshandlung jedoch - wenn auch nicht sehr flexibel - ausgeführt werden kann, sollte dieses Phänomen auch nicht als Blackout bezeichnet werden. Vielmehr würde ich hier von einem unvollkommenen Können sprechen.[43]

 

2.1.3 Erscheinungsarten des Blackout


 

Wie schon angedeutet ist Blackout nicht Blackout. Es gibt - bei genauester Betrachtung - vielmehr mindestens so viele verschiedene Erscheinungsformen wie Menschen mit diesem Problem. Allerdings lassen sich Gemeinsamkeiten objektiv beobachten, die eventuell auch ähnliche subjektive Ursachen veräußern. Eine solche Klassifizierung der Fehlhandlungen haben bereits Grünbaum, der „drei Erscheinungsformen“ (1979, 2) beschrieb, und Schmieder, die insgesamt sechs „tatsächlich aufgetretene[..] fehlerhafte[..] Kombinationen“ (1990, 61) darstellte, vorgenommen. Während mir Grünbaums Einteilung zu undifferenziert erscheint, halte ich Schmieders Klassifizierung für zu objektiv, d.h. sie beschreibt wirklich nur die äußerlich sichtbaren Verfälschungen und vernachlässigt das Subjekt. Außerdem ist bei beiden eine Blackouterscheinung gar nicht berücksichtigt worden.

 

 Die nun folgende `Fehlerklassifizierung orientiert sich sowohl an der Bewegungsform als auch am subjektiven Erleben der Bewegung. Es soll versucht werden, die Abweichungen von geplanten Sprüngen zu klassifizieren, die in der Wahrnehmung des Aktiven (hier sind auch mögliche Ursachen eingeschlossen) und als physikalische Bewegung Unterschiede aufweisen. Demnach gibt es m.E. hauptsächlich die fünf nun folgenden Arten bzw. Verhaltensweisen des Blackout im Trampolinturnen.

 

1. Längenachsen-Hyperrotation (LA-HR): Der Turnende scheint[44] zu viel Drehimpuls zu erzeugen und macht mehr Schrauben als geplant. Dabei wird der Sprung zumeist nicht unsicher, sondern wird als `falscher´ ruhig zu Ende geturnt.

 

 

Abbildung 10: Halb-ein-halb-aus und Barani korrekt (schwarz) und mit Längenachsen-Hyperrotation (grau)

 

Beispiele: Rudi anstatt Barani, Randi anstatt Rudi, Schraubensalto anstatt Salto a, Doppelschraube anstatt...

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