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Der unbekannte Vatikan

AutorUlrich Nersinger
VerlagMedia Maria Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783945401477
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Der Vatikan ist auch heute noch für viele Menschen ein Faszinosum: entweder als Symbol der absoluten Macht des Nachfolgers Petri oder als Attraktion für ein außergewöhnliches Weltkunsterbe. Ulrich Nersinger zeichnet ein spannendes Bild von der Geschichte des Vatikans, von der heidnischen Antike bis zur Gegenwart. Besonders interessant ist die Vielschichtigkeit dieses Zentrums der katholischen Kirche, das die Verwaltung der Weltkirche bis hin zu kulturellen Errungenschaften und der Förderung der Wissenschaften umfasst.

Ulrich Nersinger, geboren 1957 in Eschweiler bei Aachen, studierte Theologie und Philosophie in Bonn, St. Augustin, Wien und Rom. Er ist Mitglied der »Pontificia Accademia Cultorum Martyrum« und gilt als der beste Vatikankenner im deutschsprachigen Raum.

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Leseprobe

I. VOM HEIDNISCHEN CIRCUS ZUR KULTSTÄTTE DES CHRISTENTUMS

Der Aufstieg zur Kuppel der Petersbasilika in Rom ist mühsam. Doch wer ihn unternimmt, wird belohnt. Das Panorama, das sich dem Besucher der Ewigen Stadt bietet, beeindruckt. Als Pilger oder Tourist schaut man auf eine malerische Idylle, den Vatikan. Der Blick schweift über blitzblank geputzte Straßen und fällt auf wehrhafte Paläste, schmucke Gebäude und gepflegte Gartenanlagen. Kaum jemand vermag zu glauben, dass vor zweitausend Jahren das Land, das in unseren Tagen »Sankt Peter« umgibt, wenig einladend war, von den meisten Römern zu Recht gemieden wurde.

Im dunklen Schatten einer Stadt

In der Antike besaß er keinen guten Ruf, der Ager Vaticanus (»Vatikanisches Feld«), der sich zu Füßen des Mons Vaticanus (»Vatikanischer Hügel«) erstreckte. Der römische Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus spricht von infamibus vaticanis locis (»einer durch und durch üblen Gegend«). Plinius der Ältere erwähnt in seiner »Naturgeschichte« den Vatikan als einen »Sumpf voller Stechmücken« und berichtet, dass dort »riesige Schlangen lebten, die kleine Kinder in einem Happen auffressen konnten«. Selbst über den Wein, der dort wuchs, findet sich bei den Schriftstellern der Ewigen Stadt kein gutes Wort. »Wenn du den vatikanischen Wein trinkst, dann trinkst du Gift. Wenn du Essig gernhast, dann magst du dieses Getränk zu dir nehmen«, spottete der Dichter Martial.

Es sollte einem der wenig rühmlichen Herrscher des »Imperium Romanum« vorbehalten sein, den Ruhm des Vatikans zu begründen. Gaius Caesar Augustus Germanicus – der Welt besser bekannt als Caligula – besaß eine große Leidenschaft. Er liebte Spiele: Wagenrennen, die Tierhatz und den Kampf der Gladiatoren. Der Urenkel des Augustus, im Jahre 37 zum römischen Kaiser ausgerufen, war diesen Vergnügungen und Spektakeln mehr als allem anderen zugetan. Mit den öffentlichen Spielstätten aber wollte sich der junge Imperator nicht begnügen. Im Westen Roms, jenseits der Stadtmauern auf der anderen Tiberseite, besaß seine Mutter Agrippina ein Landgut. Dort, beim Mons Vaticanus, ließ Caligula einen privaten Circus anlegen, für dessen Verschönerung er keinerlei Mühe und Kosten scheute. Aus Heliopolis in Ägypten orderte er einen mächtigen Obelisken – fünfundzwanzig Meter hoch und über dreihundert Tonnen schwer – und befahl, ihn in der Arena aufzustellen.

Aber es sollte Caligula nicht mehr vergönnt sein, in seinem Circus Wagenrennen und Wettkämpfe zu erleben. Nach nur vier Jahren der Herrschaft fand der junge Kaiser den Tod. Anfangs war er beim Volk und den herrschenden Schichten beliebt, jedoch entwickelte er sich nach wenigen Monaten, vermutlich bedingt oder gefördert durch eine schwere Erkrankung, eine Hirnhautentzündung, zu einem wahnsinnigen Gewalttäter. »Bis hierhin vom Kaiser, jetzt muss über das Scheusal berichtet werden«, notierte Sueton in der Biografie des Imperators. Die kaiserliche Leibwache setzte dem Leben Caligulas am 24. Januar des Jahres 41 ein Ende; am letzten Tag der Ludi Palatini (»Palatinischen Spiele«) erschlug die Prätorianergarde ihren Herrn. Erst unter Nero, dem letzten Imperator aus dem julisch-claudischen Herrschergeschlecht, wurde der vatikanische Circus eröffnet. Der Kaiser selbst trat dort als Wagenlenker auf. Die Begeisterung für diesen Kampfsport hatte er von seinem Vater geerbt; als Lenker eines Zehnspänners sah man Nero sogar einmal unter den Teilnehmern der Olympischen Spiele. Der Kaiser empfand sich aber vor allem als Künstler, dem ein neues, schöneres und größeres Rom vor Augen stand – das aber nur durch einen Abriss des alten zu verwirklichen war.

Im Juli des Jahres 64 vernichtete ein Großbrand weite Teile Roms. Die Stadt war in vierzehn Regionen eingeteilt, nur vier von ihnen überstanden die gewaltige Feuersbrunst ohne größeren Schaden. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus teilt in seinen Annalen mit, dass weder durch Hilfsmaßnahmen für das Volk noch durch Schenkungen des Kaisers und ausgiebige Sühneopfer für die Götter das Gerücht weichen wollte, es habe auf allerhöchsten Befehl gebrannt. Tacitus berichtet: »Um also dem Gerücht ein Ende zu machen, schob Nero andere als Schuldige vor und belegte sie mit den ausgesuchtesten Strafen: diejenigen nämlich, die bei der ungebildeten Menge, wiewohl ihrer Schandtaten verhasst, die Chrestiani hießen. Der Name leitet sich von Christus her. Für den Augenblick unterdrückt, brach der verderbliche Aberglaube wieder aus, diesmal jedoch nicht nur in Judäa, von wo das Unheil ausgegangen, sondern auch in Rom, wo sich ja die Gräuel und Schandtaten aus aller Welt ein Stelldichein geben und begeisterten Anklang finden.«

Tacitus fährt in seiner Schrift fort: »Man griff sie auf ... und überführte sie nicht so sehr der Brandstiftung, als dass man sie vielmehr aufgrund allgemeinen Menschenhasses als Verbrecher erwies. Dazu trieb man mit den Todgeweihten noch seinen Spott: in Tierfelle eingenäht, ließ man sie von Hunden zerfleischen; andere wurden an Kreuze geschlagen oder zum Feuertod bestimmt und nach Einbruch der Dunkelheit zur nächtlichen Illumination abgebrannt. Für dieses Schauspiel hatte Nero seine Gärten zur Verfügung gestellt.« Mit den Horti Neronis (»Gärten des Nero«) ist der Circus und das angrenzende Gebiet beim Mons Vaticanus gemeint. Auch Sueton, der sich einen Namen als Biograf der römischen Kaiser machte, wusste um die dramatischen Geschehnisse: »Mit Todesstrafen wurde gegen die Christen vorgegangen, eine Menschengattung, die sich einem neuartigen, gemeingefährlichen Aberglauben verschrieben hatte.«

»Petros èni« – Petrus ist hier

Die Tradition der frühen Kirche bezeugt, dass durch die Christenverfolgung des Jahres 64 Petrus und Paulus, die beiden Begründer der Gemeinde von Rom, den Tod fanden und ihr Leben als Zeugnis für den Glauben gaben. Schon im ersten Clemensbrief, der um das Jahr 96 entstand – vermutlich noch zur Regierungszeit Kaiser Domitians –, wird das Martyrium, das die Apostelfürsten in der Hauptstadt des Römischen Reiches erlitten, als bekannt vorausgesetzt. »Wegen Eifersucht und Neid sind die größten und gerechtesten Säulen verfolgt worden und haben bis zum Tod gekämpft ... Petrus, der wegen ungerechtfertigter Eifersucht nicht eine und nicht zwei Mühen erduldet hat, ist, nachdem er Zeugnis abgelegt hatte, an den ihm gebührenden Ort der Herrlichkeit gelangt.«

Der Kirchenvater Eusebius von Cäsarea bekräftigt zu Beginn des vierten Jahrhunderts: »Es ist aufgezeichnet, dass Paulus in Rom selbst enthauptet und Petrus ebenso unter Nero gekreuzigt wurde. Dieser Bericht über Petrus und Paulus wird gestützt durch die Tatsache, dass ihre Namen in den Grabstätten bis zum heutigen Tag bewahrt wurden. Es ist ebenso durch Gaius bestätigt, ein Mitglied der Kirche unter Bischof Zephyrinus von Rom, der über die Orte, wo die heiligen Leichname der Apostel liegen, sagt: ›Aber ich kann die Trophäen der Apostel zeigen. Denn wenn du zum Vatikanhügel oder zur Via Ostia gehst, wirst du die Trophäen derer finden, die diese Kirche gründeten.‹«

Das Grabmonument für den heiligen Petrus im Vatikan – das sogenannte Tropaion des Gaius – dürfte um das Jahr 160 geschaffen worden sein. Schon wenige Jahre, nachdem man es errichtet hatte, zeigte sich an der rot verputzten Mauer, gegen die es gebaut worden war, ein tiefer Riss. Zur Stütze wurde im rechten Winkel zu ihr eine zweite Mauer hochgezogen. In deren Wand ritzten Mitglieder der christlichen Gemeinde fromme Inschriften ein, die als sichere Zeichen für das Vorhandensein eines Märtyrergrabes galten. Man konnte an der Mauer die Anfangsbuchstaben von Christus und Petrus erkennen und die Namen von Menschen, die ihrer Fürsprache anvertraut wurden. Auf einem nahen Gräberfeld fand man die Inschrift: »Petrus bittet Jesus Christus für die frommen Christen, die neben seinem Leib beigesetzt sind!«.

Nachdem das Römische Reich im Jahre 313 mit dem Christentum Frieden geschlossen hatte, ließ Kaiser Konstantin, angeregt durch seine Mutter Helena, die Ewige Stadt mit Kirchen, gewaltigen Basiliken, ausstatten. Eine von ihnen sollte dem heiligen Petrus geweiht und über dem Grab des Apostels errichtet werden. Um die Basilika zu erbauen, musste das Gräberfeld auf dem Vatikan mit Erde aufgefüllt werden. Auch brauchte das Grab des Heiligen einen besonderen Schutz. In einer antiken Quelle, dem »Liber Pontificalis«, heißt es, dass der Kaiser die Memoria Petri (»Grabmal des Petrus«) mit einem kostbaren Schrein aus Marmor und Porphyr umgab. Auf der östlichen Seite ließ man jedoch für die Gläubigen den Blick auf die irdische Ruhestätte des Apostels frei....

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