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Deutsch für junge Profis

Wie man gut und lebendig schreibt

AutorWolf Schneider
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783644109018
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wer schreibt, möchte auch verstanden werden. Im Zeitalter von Mail und Internet ist das jedoch schwieriger als je zuvor, die Regeln und Formen der Kommunikation werden immer unübersichtlicher. Was aber ein guter, starker Satz ist - das hat sich nicht geändert in tausend Jahren. Es gilt für den Brief und den Blog, die Seminararbeit wie den Geschäftsbericht. Wolf Schneider, «Sprachpapst» und Bestsellerautor, legt mit seinem Werk ein modernes Handbuch des guten Stils vor: In 32 kleinen Schritten zum klaren, verständlichen Deutsch! Anhand zahlreicher Beispiele und in ebenso fröhlicher wie präziser Weise erteilt Schneider unterhaltsame Lektionen: Worauf kommt es beim Textbeginn an? Wie schreibe ich anschaulich? Was ist guter Stil? Worauf muss man bei Mails, Blogs und Twitter achten? Was zeichnet ein erfolgreiches Bewerbungsschreiben aus? Und überhaupt: Wozu eigentlich noch gutes Deutsch? 

Wolf Schneider, geboren am 07. Mai 1925 und gestorben am 11. November 2022, hat zahlreiche Sachbücher veröffentlicht, darunter große, erzählende Bücher ebenso wie Standardwerke zu Sprache, Stil und Journalismus. Er war Soldat von 1943 bis 1945, Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» in Washington, Verlagsleiter des «Stern», Chefredakteur der «Welt», Moderator der «NDR-Talk-Show» und 16 Jahre lang Leiter der Hamburger Journalistenschule. 2011 erhielt er den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk, 2012 wurde er vom «Medium Magazin» als Journalist des Jahres für sein Lebenswerk geehrt. Zuletzt erschienen bei Rowohlt «Der Soldat. Ein Nachruf» (2013) und «Denkt endlich an die Enkel! Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist» (2019). Er lebte in Starnberg.

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Leseprobe

Das volle Leben


1 Feurig beginnen


«Wir trafen Jesus in der Mittagspause kurz vor der Kreuzigung.» So begann der Stern seinen Bericht über ein Passionsspiel in Florida. Und wer nach diesem ersten Satz den zweiten nicht liest, der ist nicht von dieser Welt. Furios hatte die Illustrierte auf ihre Weise das Problem gelöst, vor dem wir alle stehen, wenn wir uns Leser wünschen – egal, ob für Blogs, Briefe, Prospekte, Artikel oder Bücher: Wer soll das lesen? Wen wünschen wir uns? Und haben wir für ihn den richtigen Köder an der Angel?

Denn ohne Köder widerfährt unserm Text das leider allzu Wahrscheinliche: Gelesen wird er nicht. Meistens ungelesen weggeworfen werden Kundenzeitschriften und Prospekte. Angelesen werden in der Zeitung viele Artikel (falls nicht schon die Überschrift langweilig ist) – zu Ende gelesen die wenigsten. Ganz gelesen werden zuverlässig nur Schulaufsätze, Diplomarbeiten und Erpresserbriefe; schon Liebesbriefe nicht immer.

Diese vier Sonderformen des Geschriebenen aber zielen auf einen einzigen Leser. Der Journalist, der Öffentlichkeitsarbeiter, der Werbetexter möchte Hunderttausende von Lesern haben – und der Blogger ein Echo finden im elektronischen Gewimmel.

Und da sollte ausgerechnet Jesus helfen können? Ja, der aus dem Stern. Als Idealbild nämlich, vor dem ich meinen eigenen ersten Satz auf den Prüfstand stellen sollte: Komme ich diesem Muster wenigstens ein bisschen nahe? Habe ich meinen Ehrgeiz darangesetzt, beim Wettlauf um die Aufmerksamkeit vorn zu liegen? Habe ich mein Vorhaben auf mögliche Pointen abgeklopft? Bin ich bereit, an diesem vielleicht entscheidenden ersten Satz zu feilen – und meinen siebenten Satz nachträglich zum ersten zu machen, wenn ich spüre, dass er der beste ist?

Das setzt voraus, dass der Schreiber von Mails oder Blogs nicht jener Versuchung erliegt, die der Computer bereitstellt: erst mal schreiben – das Denken kommt später oder nie. Wer seinen Text aus dem Ozean des Gedruckten und Gesendeten herausheben will, der kommt an einer uralten Erfahrung nicht vorbei: Denken vor dem Schreiben hat noch keinem geschadet.

Gewiss, bei vielen Mails (Rezept 26) kann man auf ein automatisches Interesse der Empfänger rechnen. Dann aber hat ein klarer, kraftvoller erster Satz immer noch einen wichtigen Vorzug: Der Adressat fühlt sich ohne Umweg informiert; und wenn er das als Ihr Markenzeichen würdigt, dann haben Sie gewonnen.

Wer den Anfang versiebt, der hat verloren. «Wer einen ersten Eindruck machen will, kriegt keine zweite Chance» (You never get a second chance to make a first impression) heißt ein Schlagwort unter Berufsschreibern in den USA, und sie haben recht. Im Grunde verhalten wir uns gegenüber jedem, der um unsere Zuwendung buhlt, so wie einst der berühmte russische Ballett-Impresario Sergej Diaghilew, der sich vor den französischen Dichter, Maler und Designer Jean Cocteau hinsetzte mit den Worten: «Erstaune mich – ich warte.»

Man muss gar nicht mit Jesus ins Haus fallen. «Hast du deinen Arm schon mal in einer Kuh gehabt?», fragte eine Tierärztin eine Fünfzehnjährige, die diesen Beruf ergreifen wollte, und der Bericht darüber begann mit ebendiesem Satz. Und eine Kriminalreportage in der Zeit:

Als ihr das Messer mit einem grässlichen Geräusch in den Rücken fuhr, blieben Barbara R. noch 60 Sekunden, um die wahre Natur des Mannes zu erkennen, mit dem sie 35 Jahre lang verheiratet gewesen war.

Solche Stoffe, Gott sei Dank, stehen uns selten zur Verfügung. Nur ist dieser erste Satz natürlich nicht aus dem Text herausgesprungen, sondern er wurde raffiniert aus ihm herausgekitzelt. Und mit demselben Ehrgeiz lassen sich Alltagsgeschichten ebenfalls so aufzäumen, dass man weiterlesen möchte: «Wie jeder schlechte Krimi beginnt auch dieser mit dem tragischen Verhältnis eines Polizisten zu seinem Kaffeeapparat» (SZ-Magazin).

Auch ein Blogger sollte darüber nachdenken, wenn er, entgegen aller statistischen Wahrscheinlichkeit, vieltausendfach gelesen werden und sich in der Szene einen Namen machen möchte. Selbst wer gerade beim Zahnarzt gelitten hat, könnte bloggen oder twittern (wie der amerikanische Satiriker Russell Baker): «Der Zahnarzt verbrachte eine Stunde in meinem Unterkiefer» – und hätte sich damit herausgehoben aus dem Gewoge der abgedroschenen Signale.

Das Traurigste, wozu man einen ersten Satz missbrauchen kann, ist eine Binsenweisheit. «Das Internet hat sich zum bedeutenden Informationsmedium entwickelt» musste man noch 2009 als überraschenden Einstieg in einen Vortrag hören. «Wir benutzen immer mehr elektronische Geräte» war auch nicht gerade ein verführerischer Anfang für einen Fachartikel. Die Einsicht, wie viel an möglicher Aufmerksamkeit man da sogleich vergeudet hat, ist überraschend wenig verbreitet – und im akademischen Betrieb weithin geradezu unwillkommen.

Und was können erste Sätze alles leisten, über den Leseanreiz hinaus! Paul Krugman, Nobelpreisträger und Kolumnist der New York Times, war 2009 von einer Studienreise durch China zurückgekehrt – und eröffnete sein Resümee mit dem Paukenschlag: «Ich habe die Zukunft gesehen, und sie wird nicht funktionieren» (I saw the future, and it won’t work). Die Leser sind frappiert, und Manager wünschen sich, sie würden ausschließlich Mails und Vorlagen bekommen, in denen ein komplizierter Sachverhalt sofort auf eine so griffige, erleuchtende Formel gebracht worden ist.

Bosheit, wenn sie passt, kann das Lesevergnügen noch erhöhen. Als Hillary Clinton 2007 gegen Barack Obama um die Präsidentschaftskandidatur kämpfte, begann ein Kommentar der New York Times mit dem herrlich hinterhältigen Satz: «Ehe ich zum ‹Aber!› komme, kann ich versichern, dass Hillary Clinton eine großartige Präsidentin abgeben würde» (Before I get to the ›but!‹, let me say that Hillary Clinton would make a terrific president).

Da fällt einem die frivole Zuspitzung durch den Schriftsteller Wolfgang Hilbig ein: «Mit den ersten Sätzen ist es etwas Ähnliches wie mit einer unverhofften Erektion.»

 

2 Also gut: 20 Sekunden!


Wenn der erste Satz sich zäh dahinschleppt, habe ich also den Leser vielleicht schon verjagt. Wirkt er aber nicht direkt abstoßend, so kann der zweite, der dritte Satz noch alles retten: Im Durchschnitt ist das Maß des Gelangweiltseins erst nach 20 Sekunden (oder rund 350 Zeichen) voll. Praktiker haben das gewittert, wissenschaftliche Studien es bestätigt – mit einer Einschränkung freilich; die steht am Schluss dieses Rezepts.

Kennen Sie den Elevator Check – den Fahrstuhl-Test? Bei McKinsey und in anderen, vor allem amerikanischen Unternehmen stellt man sich vor: Der kleine Angestellte geht schwanger mit einer großen Idee; aber vom Boss empfangen zu werden, sieht er keine Chance. Da trifft er ihn im Lift – und hat nun, realistisch geschätzt, etwa 20 Sekunden Zeit, dem Chef seine Idee zu verkaufen; 20 Sekunden, unwiderruflich. Dieses Bild soll jeder in der Firma vor Augen haben und als Regel anwenden: Alles, was nach draußen geht, Brief, Mail, Prospekt und Angebot, muss es binnen 20 Lesesekunden geschafft haben, dem Adressaten mitzuteilen, worum es sich handelt – und vor allem: warum er weiterlesen soll.

In diesen 20 Sekunden oder maximal 350 Zeichen oder in zwei, drei Sätzen lässt sich viel erzählen. Zum Beispiel so:

Wie grüßt der Bergwanderer? Kein Problem, denken viele.

Schon falsch.

(Magazin der Süddeutschen Zeitung, 69 Zeichen)

Gestern war einer dieser Tage, an denen ich verstanden habe, warum Frauen ihren Männern Strychnin ins Essen rühren. (Katja ...

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