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Die Korrekturvorschriften für bestandskräftige Steuerbescheide

AutorJoseph Schmid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783656919711
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 2,0, Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (Steuern), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Um eine Steuererklärung abgeben zu können, muss man Philosoph sein; es ist zu schwierig für einen Mathematiker.' Albert Einstein, dt. Mathematiker und Nobelpreisträger (1879-1955) Nicht erst Albert Einstein hat festgestellt, dass das Steuerrecht eines der komplexesten, umfangreichsten und damit auch fehleranfälligsten Rechtsgebiete im deutschen Recht ist. Ursprünglich kommt das Wort 'Steuern' aus dem althochdeutschen 'Stiura' und wurde von den herrschenden Landesherren als Beihilfe oder zur Unterstützung der Verwaltung des Gemeinwesens auferlegt. Der Begriff 'Steuern' wird in § 3 Abgabenordnung geregelt. Die Abgabenordnung gehört zum Verwaltungsrecht und bildet den allgemeinen Teil des Steuerrechts ab. Unter den Fachkundigen wird sie auch als steuerliches Grundgesetz bezeichnet und dient im engeren Sinne als Bedienungsanleitung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzbehörden. Sie enthält Vorschriften für die Ermittlung, Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung der einzelnen Steuern, sowie Gesetzesnormen und Korrekturvorschriften für den Fall von Rechtstreitigkeiten. Festgesetzt wird die Steuer mit Hilfe eines sogenannten Verwaltungsakts. Durch eine ordnungsgemäße Bekanntgabe erlangt dieser Bindungswirkung für seine Betroffenen und zwar unabhängig davon ob er fehlerbehaftet ist oder nicht. Wird der Verwaltungsakt anschließend nicht durch einen Einspruch angefochten, erwächst er in Bestandskraft und begründet somit die Rechtssicherheit des gewünschten Regelungsinhalts. Aufgrund der Tatsache, dass Verwaltungsakte in Massenverfahren durch die Finanzämter abgefertigt werden und Fehler beinhalten können, ist das Bedürfnis des Steuerpflichtigen sehr hoch, auch nach Inkrafttreten der Unanfechtbarkeit von Steuerbescheiden eine Korrektur herbeizuführen. Aber auch die Finanzverwaltung hat ein berechtigtes Interesse, unanfechtbare Steuerbescheide durch etwaige Fehler des Steuerpflichtigen zu korrigieren. Der Gesetzgeber hat diesen Forderungen Rechnung getragen und eine Anzahl von gesetzlichen Korrekturvorschriften in der Abgabenordnung verankert, wobei er sich vom Grundsatz der Rechtssicherheit, aber auch der materiellen Rechtsrichtigkeit leiten ließ.

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Leseprobe

4 Berichtigung offenbarer Unrichtigkeit (§ 129 AO)


 

Dem Gesetz nach können Fehler beim Erlassen eines Verwaltungsakts jederzeit berichtigt werden, sofern der Fehler auf Schreibfehlern, Rechenfehlern oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten basiert und die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Angesichts dieser Formulierung dürfte gerade deswegen die Vorschrift nicht als klassische Korrekturvorschrift des steuerlichen Verwaltungsakts verstanden werden, sondern sich eher in die Kategorie der „Berichtigungsvorschriften“ eingliedern. Im steuerrechtlichen Sinne ist „berichtigen“ mit „beseitigen“ gleichzusetzen. Der wirksam bekannt gegebene Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes soll hier nicht im Ganzen korrigiert, sondern durch die Berichtigung des bestehenden Fehlers beibehalten werden.[25]

 

4.1 Anwendungsbereich


 

Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 AO findet sich in der Gruppe der allgemeinen Korrekturvorschriften für alle Steuerverwaltungsakte wieder und kommt somit bei allgemeinen, als auch für besondere Steuerverwaltungsakte zur Anwendung.[26] Allgemeine Steuerverwaltungsakte sind unter anderem die Festsetzung von Verspätungszuschlägen (§ 152 AO), Haftungs- und Duldungsbescheide (§191 AO), Abrechnungsbescheide (§ 218 Abs. 2 AO), Ablehnung eines Stundungsantrages (§ 222 AO), Ablehnung eines Erlassantrages (§ 227 AO), Aufteilungsbescheide (§§ 279 und 280 AO) sowie die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen. Als besondere Steuerverwaltungsakte können Steuerbescheid (§ 155 AO), Freistellungs- und Ablehnungsbescheide (§ 155 AO) sowie deren gleichgestellte Bescheide, wie bspw. die Steueranmeldung (§ 168 AO), Festsetzung einer Steuervergütung (§ 155 AO), Feststellungsbescheide (§ 181 AO), Zinsbescheide (§ 239 AO) und alle sonstigen Bescheide genannt werden, für welche die Steuervergütung geltenden Vorschriften sinngemäß anwendbar sind.[27]

 

4.2 Tatbestandsvoraussetzungen


 

Nach § 129 Satz 1 AO können mechanische Fehler, wie bspw. Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit - bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist - berichtigt werden.

 

Um von der Unrichtigkeit des Verwaltungsakts überhaupt Kenntniss zu erlangen, muss dieser dem Steuerpflichtigen wirksam bekannt geworden sein.[28] Wie bereits erwähnt, muss dazu der Verwaltungsakt tatsächlich den persönlichen Machtbereich des Steuerpflichtigen erreichen. Gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 AO geschieht dieses nach drei Tage mit Aufgabe zur Post durch das zuständige Finanzamt.

 

Dem ungeachtet wird durch die Überschrift des § 129 AO deutlich „Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts“, dass alle offenbaren Unrichtigkeiten, die von der Bildung des Entscheidungswillens der Finanzbehörde, bis zur Bekanntgabe des Verwaltungsakts unterlaufen sind, berichtigt werden können.[29] Folglich können aber auch nur solche Fehler berichtigt werden, welche der Finanzbehörde zuzurechnen sind. Fehler des Steuerpflichtigen scheiden grundsätzlich aus. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zwei Ausnahmen. Zum einen handelt es sich um „Übernahmefehler“, d.h. dass ein offenbar zu erkennender Fehler aus der eingereichten Steuererklärung, ohne großes Nachforschen vom Sachbearbeiter zu eigen gemacht wird.[30] Zum anderen handelt es sich um Steueranmeldungen. Weil diese einem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen (siehe Kapitel fünf), können sie jederzeit nach § 129 AO geändert werden.

 

Um Schreibfehler handelt es sich, wenn Wörter bzw. die Verwechslung oder das Auslassen von Buchstaben, nicht der Norm der deutschen Rechtschreibung entsprechen. Diese Art von Fehlern kommen in Verwaltungsakten regelmäßig vor, verändern aber den gewollten Regelungsinhalt für gewöhnlich nicht. Von einer Berichtigung wird daher meist abgesehen.

 

Rechenfehler treten bei Anwendung der Grundrechenarten oder beim Prozentrechnen auf. Bei Rechenfehlern muss differenziert werden, ob es sich um einen Denkfehler bei Aufstellen der Gleichung, oder einen rein mechanischen Fehler, wie bspw. beim Eingeben der Daten, Übertragungs-, Hardware- oder auch Codierfehler handelt.

 

Die Berichtigung nach § 129 AO greift nur auf den rein mechanischen bzw. rechnerischen Fehler. Denkfehler können nach § 129 AO nicht berichtigt werden.[31]

 

Kann man den bestehenden Fehler nicht direkt der Kategorie Schreib- oder Rechenfehler zuordnen, stellt sich die Frage, ob es sich um ähnliche Unrichtigkeiten handelt. Dazu gehören Flüchtigkeitsfehler, die auf Unachtsamkeit beruhen. Diese sind bspw. Übersehen, Vergreifen, falsches Ablesen, falsches Übertragen, Verwechseln oder Vertauschen. Ein hieraus entstehender Fehler muss mechanisch, sofort erkennbar und berichtigungsfähig sein.[32]

 

Werden auf eindeutige Sachverhalte Rechtsnormen nicht richtig angewendet oder fehlerhaft ausgelegt, hat dies einen Rechtsirrtum zur Folge, welcher nicht nach

§ 129 AO berichtigt werden kann. Des Weiteren können Tatsachenirrtümer, die auf mangelnde Sachverhaltsaufklärung oder sonstige sachverhaltsbezogene Denk- oder Überlegungsfehler beruhen, ebenfalls nicht nach § 129 berichtigt werden.[33]

 

Die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung des § 129 AO ist die offenbare Unrichtigkeit. Das heißt, dass sie für alle Beteiligten und für jeden unvoreingenommenen Dritten ohne großes Nachforschen erkennbar ist. Nach herrschender Meinung kann der Steuerpflichtige nur die ihm vorliegenden Dokumente als Nachweis über eine bestehende offenbare Unrichtigkeit verwenden. [34] Die Rechtsprechung weitet dieses auf alle Unterlagen aus. Also auch auf interne Arbeits- und Dienstanweisungen, welche nur dem Sachbearbeiter zur Verfügung stehen.[35]

 

4.3 Rechtsfolgen


 

4.3.1 Ermessensentscheidung


 

Der Finanzbehörde wird durch das Wort „kann“ im § 129 Satz 1 AO eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung für die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit eingeräumt.[36] Wirkt sich der Fehler jedoch auf die festgesetzte Steuer aus, wird die Ermessensentscheidung durch den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gemäß § 85 AO eingeschränkt. Die Finanzämter haben sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt und zu Unrecht erhoben werden[37] oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Somit bekommt der Ermessensausübung nur dort Bedeutung zugesprochen, in der sie keinerlei steuerliche Auswirkung bewirkt.[38]

 

Hat der Steuerpflichtige ein berechtigtes Interesse an einer Berichtigung des Verwaltungsakts, hat die Finanzbehörde gemäß § 129 Satz 2 AO dieses zu erfüllen. Ein berechtigtes Interesse liegt immer dann vor, wenn der fehlerbehaftete Bescheid bindend für andere Feststellungen ist oder sich die Unrichtigkeit auf die Höhe der Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. Das Interesse muss nicht rechtlicher Natur sein. Sobald dem Betroffenen Nachteile oder Beeinträchtigungen entstehen, bewirken diese bereits ein berechtigtes Interesse.

 

Am berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen fehlt es, wenn sich der Fehler nicht auf die Höhe der Steuerfestsetzung auswirkt oder es sich lediglich um bloße Schreibfehler handelt. Die Finanzbehörde besitzt den Ermessensspielraum den Fehler zu beheben.[39]

 

4.3.2 Zeitlicher Rahmen der Berichtigung


 

Nach § 129 AO kann eine Berichtigung jederzeit erfolgen, d.h. auch nach Eintritt der Bestandskraft, während eines Einspruchsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens.[40]

 

Bei Steuerbescheiden und ihnen gleichgestellten Bescheiden ist eine Berichtigung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich. Geht dem Steuerpflichtigen der Bescheid erst kurz vor oder nach Ablauf der Festsetzungsfrist zu, hätte dieser zeitlich eine schlechtere Stellung sich seiner steuerlichen Rechte zu bedienen. Der Gesetzgeber hat daher im § 171 Abs. 2 AO eine Ablaufhemmung mit aufgenommen, welche die Festsetzungsverjährung nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ablaufen lässt. Erfolgt die offenbare Unrichtigkeit in einem Änderungsbescheid, beginnt die Ablaufhemmung erst ab Bekanntgabe des Änderungsbescheids zu laufen.[41]

 

Eine Berichtigung ist nicht mehr möglich, sobald der Verwaltungsakt erledigt und nicht mehr Gegenstand einer Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren ist. Dieses ist gegeben, wenn bspw. eine Prüfungsanordnung durch eine Außenprüfung abgeschlossen wird oder ein Vorauszahlungsbescheid sich durch eine Jahressteuerfestsetzung erledigt.[42]

 

4.3.3 Sachlicher Umfang...


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